V.Roadshows: Der Tanz um das Goldene Kalb
Wochen vor der Publikation von Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsberichten läuft die Szene regelmässig heiss. Dann geben die Analysten ihre Schätzungen ab, Resultat von ihren qualitativen und quantitativen Beurteilungen. Es geht darum, ein möglichst genaues Bild über die Zahlen zu erhalten, welche die Firma kurze Zeit später veröffentlichen will. Dazu gilt es Medienmitteilungen zu interpretieren und alle erdenklichen sonstigen Quellen anzuzapfen, um das im Visier stehende Unternehmen zu lesen – während das Management selber in dieser Zeit natürlich zum Schweigen verpflichtet ist. Die Schätzungen sämtlicher Analysten werden dann zu einer konsolidierten Schätzung verdichtet. Und diese kann schnell einmal Einfluss auf den Aktienkurs entwickeln. Dann nämlich, wenn das Management bei Bekanntgabe der finanziellen Resultate diesen Konsens unter den Analysten verfehlen sollte: ein Alptraum für jeden CEO und seinen Finanzchef. Es sind schliesslich in Ziffern gestanzte Erwartungen des Marktes an die Firma und an das Topmanagement. Werden diese bei den Publikationen der Finanzzahlen deutlich unterschritten, kommt der Aktienkurs unter Druck und kann je nach dem stark an Wert verlieren. In den Zeitungen steht dann etwa die Schlagzeile: Erwartungen der Analysten verfehlt – Aktienkurs im freien Fall . Und selbst wenn der Daumen der Analysten nach oben zeigt, die Firma deren Erwartungen übertroffen hat, kann das dem Titel zusetzen. Investoren könnten das Wachstum als ausgereizt betrachten. Oder sie wollen Gewinne einfahren, weil sie sich seinerzeit wesentlich billiger mit der Aktie eingedeckt hatten. Eine breite Verkaufsfront drückt den Kurs der Aktie ebenfalls nach unten.
In dieser vertrackten, aber bei börsenkotierten Unternehmen alltäglichen Situation hilft dem CEO erfahrungsgemäss nur eins: Es muss ihm gelingen die finanziellen Erwartungen von Analysten, Investoren und dem Markt zu managen – im Griff zu halten , wie das unter Marktteilnehmern heisst. Ich habe mich freilich oft gefragt, ob der CEO diese Energie nicht zielgerichteter in Kunden und Mitarbeitende investieren sollte – sie sichern schliesslich das Überleben der Firma und dies sollte auch den Aktienkurs nicht unberührt lassen.
Das ist keineswegs der einzige Widerspruch auf diesem seltsamen Parkett namens Börse, auf dem wir uns alle gemeinsam bewegen: CEO, CFO, Analyst, Investor. Letztere haben Freude an einem Analysten, der ihnen die entscheidenden Informationen zukommen lässt, um in einem permanenten Kauf-Verkauf-Kauf-Aktienkreislauf mitspielen zu können, der einen permanenten und störungsfreien Strom an Aktiengewinnen ermöglicht – selbst wenn die Vorstellung von Endlos-Gewinnen zwischenzeitlich auch nur Illusion ist. Der operative Kopf einer Firma und sein Finanzchef sind von einem solchen Hü-und-Hott beim Aktienhandel ihrer Firma wohl weniger angetan. Zumindest nicht in ihrer offiziellen beruflichen Funktion. Bei ihren privaten Investments verhalten sie sich bei anderen Unternehmen als dem eigenen dann wohl genauso und sind deshalb gerade froh um das Wissen dieser Kauf-Verkauf-Kauf-Analysten .
Der Tanz um das goldene Kalb: Nie wurde dieser intensiver zelebriert, als bei den so genannten Roadshows , die Publikumsgesellschaften nach der Publikation von Ganz- oder Halbjahreszahlen in den Finanzzentren dieser Welt zu veranstalten pflegen. Dabei geht es darum bestehende Investoren bei der Stange zu halten und neue zu gewinnen. Auch dort sassen natürlich die Analysten und Kapitalgeber und nahmen uns mit ihren kritischen Fragen in den Schwitzkasten. Manches Mal kam ich mir dabei vor, wie ein Trapezkünstler im Zirkus, schutzlos in der Manege stehend, während ich versuchte, das Publikum mit meiner Performance bei Laune zu halten. Oft ist mir das auch gelungen. Und gerade kritisches Publikum hat mir dabei oftmals gute Ideen für die nächste Trapeznummer geschenkt.
Presse
I.Mitleid mit Klick-Journalisten
Einige Jahre ist es bereits her als ich während einer guten Stunde in der Redaktion der Pendlerzeitung 20 Minuten verweilen konnte. Eindrücklich: Der weitläufige Raum am Hauptsitz des Zürcher Tamedia -Verlags erinnerte mich stark an die Trading -Räume während meiner Zeit als Bankier. Im Open Space sassen die Journalisten vor ihren Bildschirmen und schrieben an ihren Stories . War der letzte Buchstabe gesetzt, wurde das Geschriebene sofort auf der digitalen Plattform 20min.ch publiziert. Die Zeitspanne zwischen Recherche und Publikation ist im digitalen Zeitalter gegen Null gedrückt – wo früher zur medialen Verbreitung von Informationen Druckmaschinen, Vertriebswege, Postzustellung oder Kioske notwendig waren, genügt heute ein einziger Knopfdruck und ein Artikel ist überall auf dem Globus einsehbar.
Damit nicht genug der Information: Auf der Redaktion war die Webseite der Zeitung auf XXL -Bildschirmen projiziert und in Echtzeit mit zusätzlichen Informationen angereichert. Etwa der Anzahl der Klicks , jener Währung im Online-Marketing, die aufzeigt, wie oft ein Artikel von einem Leser heruntergeladen wird. Andere Angaben betrafen etwa die Form der benutzen Endgeräte – Mobile, Laptop, PC- oder neuerdings lässt sich so auch die Lesedauer der User eruieren. Big Brother auf der digital gesteuerten Redaktion. Da gab es dann auch diese Kurven-Diagramme über die Klickzahlen einzelner Artikel zu bestaunen, die im besten Falle nach oben schossen als wären es Börsenkurse von angesagten Unternehmen der New Economy nach einem erfolgreichen Börsengang.
Ich habe allerdings sehen können: Die Währung im digital gesteuerten Newsroom einer Gratiszeitung wie 20min.ch sind Schlagzeilen. Und Schlagworte. Sind beide, Schlagworte und Schlagzeilen, gut gesetzt, bringt das Klicks , die Klick -Rate steigt und der Artikel kommt zum Fliegen. Wenn nicht, verschwindet dieser in den Tiefen des Internets, meist ungelesen und ungesehen. Es ist wirklich nicht schwer zu verstehen, um was es hier geht: Stories müssen her, schnell geschriebene, die sofort Spuren erzeugen in Form von rasant in den Himmel wachsenden Beachtungs-Diagrammen auf den überdimensionierten Screens
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