Die Scholars gegen den Rest der Schule war als ganztägiges Match geplant. Alles andere als eine traditionelle Spielpaarung, hatte es diesen Wettbewerb bisher noch nie gegeben, und vor allem der Schulvorsteher (ein großer Cricketfan) hatte in diesem Jahr mit großem Engagement die Trommel dafür gerührt, denn er hatte eine ungewöhnlich große Zahl guter Spieler in seinen Latein- und Griechischklassen der Mittel- und Oberstufe. Angeblich hatte er zwei zu eins auf den Sieg der Scholars gewettet, gegen den Leiter der Unterstufe; ob das stimmte, habe ich nie herausgefunden, aber wenn, dann war die Quote angemessen, weil sich die Scholars zwar durch ein stilvolleres Auftreten und verheißungsvolle Zukunftsaussichten auszeichneten, ihnen aber ein Team gegenüberstand, das viel härter im Nehmen und viel erfahrener war und acht Mitglieder der Schulelf aufbot.
Am Morgen war das Spiel langweilig. Die Scholars, die zuerst am Schlag waren, trödelten und tüddelten eine geschlagene Stunde lang herum, nach der sie gerade einmal 30 Runs auf der Anzeigentafel vorweisen konnten und 3 Wickets verloren hatten. Zu diesem Zeitpunkt war ich selbst dran und schaffte es, mit zuverlässiger Unterstützung eines jungen Scholars namens Paget, über 50 weitere Runs in derselben Anzahl von Minuten reinzuholen – nur um dann, als ich gerade so richtig in meinem Element war, als Schlagmann auszuscheiden, weil ich einen derben Direktwurf schlecht erwischte und genau in die Hände von Christopher rüberspielte, der im Mid-On stand. Bald danach kamen die Spieler zum Lunch in den Pavillon. Der Stand war nun 120 für 5 bei uns Scholars – was, da uns der ebene Boden im Pitch eigentlich zugutekam, wie das schnelle Outfield auch, bestenfalls eine mittelmäßige Darbietung darstellte.
Der Lunch, inklusive einem Bierfass, wurde aufgetragen, und die beiden Pädagogen, die angeblich ihr Geld auf das Spiel gesetzt hatten, standen der Lunchgesellschaft vor. Das Essen war gut (nach damaligen Maßstäben), und um das Vergnügliche dieses Anlasses noch zu steigern, waren einige Gäste von Ansehen eingeladen worden, die kein Cricket spielten, darunter zwei externe Prüfer der Griechisch- und Lateinklassen, der Schuldirektor und, als herausragende »Persönlichkeit« der Schülerschaft, Somerset Lloyd-James, der neben mir saß. Er war schon immer ein gieriger Kerl gewesen, wenn sich die Gelegenheit bot, und so leerte Somerset nun rasch drei Krüge Bier und musterte mich dann mit dem glasigen Blick in seinen Augen, der (wie ich aus vierjähriger Erfahrung wusste) bedeutete, dass er auf Hilfe oder auf Informationen besonderer Art aus war.
»Es scheint wohl«, sagte er etwas schwerfällig, »dass der dickste Preis von allen entweder bei dir oder bei mir landen wird.«
»Was landet?«, sagte ich, leicht abgelenkt, weil ich gerade gesehen hatte, wie der Schulvorsteher im Gespräch mit einem der externen Prüfer mit dem Finger auf mich gezeigt hatte und ihm, einem redseligen, pummeligen Hausdirektor aus Oxford, nun etwas ins Ohr flüsterte.
»Das Amt des Schulkapitäns nächsten Sommer. Bis April ist es vergeben. Aber dann wird es entweder an dich oder an mich gehen.«
»Ach ja? Wo hast du das denn her?«
»Ich habe meine Quellen.«
»Warum müssen wir jetzt darüber reden? April ist ja noch ewig hin.«
»Ich dachte, du wüsstest es vielleicht gern.«
»Und vermutlich möchtest du nun im Gegenzug auch etwas wissen.«
Somersets Augen wurden glasiger als jemals zuvor.
»Ob du irgend…eine Meinung … dazu hast?«
»Also, ich werde dir die Krone nicht neiden, wenn sie auf deinem Kopf landet. Und ich hoffe, du siehst das bei mir genauso. Alles klar?«
Offenbar war es das, denn Somerset fing nun an, sehr schnell viel Essen in sich hineinzuschaufeln, und ich wurde in ein Gespräch mit dem oben am Tisch sitzenden pummeligen Oxforder Hausdirektor hineingezogen, der wissen wollte, wie meine Mitschüler auf den Fleming-Report zur Zukunft der Privatschulen reagiert hatten. Nachdem ich das so gut wie möglich hinter mich gebracht hatte, kam mir der seltsame Wortwechsel noch mal in den Sinn, den Somerset ach-übrigens-einfach-mal-so-aus-dem-Nichts-heraus angeleiert hatte, und wollte das Thema gerade wieder aufnehmen, als das untere Ende des Tisches in Aufruhr geriet. Der alte Frank, der am heutigen Tag als einer der Schiedsrichter fungierte, war über seinem Teller zusammengebrochen.
Der Schulvorsteher, unser Hauptgastgeber, übernahm sofort das Kommando. Ohne sich auch nur einen Daumenbreit von seinem Sitz zu erheben und nur in Form von leisen und knappen Anweisungen, die er den Umsitzenden gab (darunter dem Schuldirektor und dem Besucher aus Oxford), hatte er innerhalb von zehn Minuten festgestellt, dass Frank ernsthaft krank war, umgehend Beistand für ihn organisiert, einen Krankenwagen rufen und Frank überführen lassen, ein Privatzimmer im Hospital für ihn beschafft, Christopher beruhigt (mit dem der alte Gentleman gerade gesprochen hatte, als er zusammenbrach), alle überzeugt, dass es nun keinen Anlass zur Sorge mehr gab, und Somerset, der zwar nicht spielen, aber fachsimpeln konnte, zum Ersatzschiedsrichter ernannt. Ich war von dem Ereignis so bestürzt und zudem aufgekratzt, wenngleich mit schlechtem Gewissen, weil etwas Aufregendes passiert war, und so voller Bewunderung für das professionelle Handeln des Schulvorstehers, dass ich die merkwürdige Wendung, die das Gespräch mit Somerset genommen hatte, vollkommen vergaß (zumal mir das Thema nichts bedeutete und ich bloß neugierig war, wieso er es bei so unpassender Gelegenheit angeschnitten hatte) und einige Wochen lang nicht mehr daran dachte.
Nach dem Lunch verlief das Spiel für die Scholars besser, als wir zu hoffen gewagt hatten. Paget, ein stämmiger Fünfzehnjähriger, bekam drei lockere, bierschwere Bälle im ersten Over und konnte mit zwei sauberen Vierern und einem wunderschönen Sweep ins hintere Feld, der sechs Runs einbrachte, glänzen. Bevor das andere Team, vom Imbiss und dem beim Essen dargebotenen Drama noch ganz eingenommen, begriff, was passierte, hatte er vierzig schnelle Runs reingeholt, während sein Partner, ein schlaksiger und intelligenter Junge aus der Unterstufe, sich bei den sehr wenigen Bällen, die überhaupt bei ihm ankamen, wacker schlug und sie einfach blockte.
Nachdem so zwanzig Minuten vergangen waren (bei einem Stand von nun etwas über 160 für 5), wurden zwei schnelle Werfer aufs Feld geschickt, um das Ergebnis niedrig zu halten – und waren sogleich in jeder erdenklichen Form glücklos. Der schlaksige Junge (der »Funkler« Parkes genannt wurde, weil es seine Marotte war, das Licht in seinen Brillengläsern spielen zu lassen) ließ zwei gerade und mittig geworfene Bälle leicht über den Schlägerrand springen, so dass sie überraschend zwischen den Slip-Feldspielern hindurchschossen, und holte so vier; bei Paget, dem es nicht richtig gelang, mit einem Square Cut den Ball zu stoppen, ließen die Feldspieler auf der Gully-Position den Ball lässlich durch; und der bessere der beiden Werfer stolperte anschließend über seine eigenen Füße, verletzte sich dabei am Knöchel und wurde stöhnend vom Feld geschleppt. Aufgrund all dessen, aber auch der allgemeinen Unpässlichkeit, unter der die Spieler in Form von Schläfrigkeit, vollem Magen und Faulheit zu dieser Zeit am Nachmittag immer leiden, verfiel die Moral des Restschulteams wie eine vergammelnde Makrele. 175 für 5 … 180 … 190 … 195 … Das Ziel an so einem Tag war normalerweise 300 oder mehr, aber alles über 270 war heute schon mehr als zufriedenstellend, und bei allem über 230 würden wir zumindest mit dem Hauch einer Chance dastehen.
205 … 210 … und noch ein paar schneidige Runs von Paget. Aber nun, bei einem Stand von 224 für 5, wurde Peter Morrison eingesetzt.
Peter warf langsame Off-Breaks, bei denen er es jedesmal schaffte, dass sie immer in genau derselben Geschwindigkeit und im immerselben Winkel die Pitch verließen. Paget beschloss, nachdem er den ersten Off-Break spät und aus dem Standbein heraus weit übers Mid-Wicket hin geschlagen und so zwei Punkte gemacht hatte, mit dem nächsten Wurf genauso zu verfahren. Und da kam er, von Peter in der üblichen Art geworfen, in Peters üblicher Höhe, in Peters praktisch unveränderlichen Weite; und da war Paget, mit erhobenem Schläger und erwartungsvoll verharrendem Körper – um zu erleben, wie durch ein groteskes Nichteintreten der üblichen Naturgesetze der Ball, statt sich zu ihm hinzubewegen, direkt geradeaus weiterflog und mit einem traurigen Klack den äußeren Stab des Wickets traf.
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