Letzten Endes geht es bei jeder Teamleistung um die Ergebnisse. Haben wir dieses Projekt pünktlich und im Rahmen des Budgets abgeschlossen und dies in einer Art Weise, die unsere Kunden begeistert hat? Hat unser Sportteam dieses Jahr einen oder zwei Plätze besser abgeschnitten als letztes Jahr? Ergebnisse sind das, was zählt, insbesondere wenn Geld und Ruf auf dem Spiel stehen – und manchmal, wenn ausreichend Mittel im Spiel sind, kann ein sorgfältig zusammengestelltes Team leistungsstarker Individuen diese Ergebnisse perfekt machen. Die meisten von uns dürfen sich ihr Team allerdings nicht aussuchen. Wir bekommen, was uns zur Verfügung gestellt wird, und sollen trotzdem die geforderten Ergebnisse liefern.
Zusammenhalt ist für jedes Team ein wichtiges Element, aber erreicht man diesen einfach dadurch, dass sich alle mögen? Oder ergibt er sich durch eine Kombination aus dem Streben nach einem gemeinsamen Ziel, Respekt für das, was jedes Teammitglied einbringt, und einer Konzentration auf die Ergebnisse? Ich denke, eindeutig Letzteres. Dies ist auch die zentrale Idee dieses Buches.
Ich werde dafür argumentieren, dass es zwar völlig okay ist, wenn wir einander nicht mögen, dass es zum Erzielen von Ergebnissen aber unerlässlich ist, dass wir einander respektieren . Das ist die Hauptidee, die wir im Laufe des Buches herausarbeiten werden. Wir werden natürlich, wie Sie es ja wahrscheinlich auch erwarten, auch ein paar Storys präsentieren und ein paar Theorien und Modelle, noch wichtiger ist aber, dass wir einige praktische Verfahren untersuchen werden, wie sich verbreitete Probleme erkennen und lösen lassen, die in Teams bei der Arbeit, in sozialen Gruppen und in Familien auftreten.
Niemand kann ernsthaft erwarten, dass in einem Team von Individuen, die einzig aufgrund ihrer speziellen Talente und Fähigkeiten ausgewählt wurden, sich alle füreinander begeistern und sich alle über alles einig sind. Wir wollen zwar alle gern zur Arbeit gehen, denn einen Job zu machen, der überhaupt keinen Spaß macht, das ist wirklich heftig. Aber es wäre unrealistisch anzunehmen, dass die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, auch immer unsere besten Freunde sein werden. Es werden immer auch Leute in der jeweiligen Gemeinschaft sein, und womöglich selbst in unserer Familie, die uns so richtig auf die Nerven gehen. Wir müssen also nicht immer miteinander auskommen, aber wir müssen uns immer mit Respekt behandeln.
Die drei Instrumente, die in diesem Buch beschrieben werden, können in jedem Teamkontext eingesetzt werden – Wirtschaft, Gemeinschaft oder Familie. Wie die Ergebnisse zeigen, hat der Einsatz dieser Instrumente sofortigen und positiven Einfluss auf Teams aller Art. Er sorgt dafür, dass die Menschen sich wertgeschätzt und gehört fühlen, und er lässt das Gefühl eines gemeinsamen Ziels aufkommen. Er trägt dazu bei, dass die Leute den Mund aufmachen, wenn es ihnen nicht so gut geht, oder wenn sie eine tolle Idee haben, die sie gern mitteilen würden.
Wir müssen einander nicht lieben, ja wir müssen einander nicht einmal mögen; was wir aber müssen, ist einander mit Respekt zu behandeln. Wir müssen konfliktfähig sein. Denn Respekt geht über Harmonie, und zwar immer.
Einer der härtesten Arbeitsplätze der Welt
Im Jahr 2005 erhielt ich die einzigartige Gelegenheit, eine komfortable Führungsrolle in einem sicheren Umfeld zu verlassen, unter Menschen, die ich kannte, mochte und respektierte, und stattdessen für ein Jahr in die Wildnis der Antarktis zu gehen. Denjenigen unter Ihnen, die mein erstes Buch gelesen haben, Leading on the Edge, wird klar sein, dass dies zwar ein Experiment war, aber beileibe kein Zufall. Ich hatte schon ein Jahrzehnt lang an meinen Führungsqualitäten gearbeitet und brannte darauf, einmal eine Führungsrolle von wahrhaft schwierigen und abenteuerlichen Dimensionen übernehmen zu können.
Viel von dem, was ich im ewigen Eis erlebte, war dann auch so, wie ich es erwartet hatte – so, wie es in den Beschreibungen stand. Ja, es war eine kalte, trockene und raue Umgebung, die einen körperlich und geistig belastete. Ja, wir entwickelten starke Beziehungen untereinander in den 18 Monaten, die wir zusammen verbrachten. Und nein, ich würde das Ganze nicht noch einmal machen.
Es waren jedoch die unerwarteten Dinge, die mich herausforderten, und davon gab es jede Menge. In jeder Rolle (von Beruf über Familie bis zum sozialen Miteinander) bringen wir eine ganze Reihe grundlegender Fertigkeiten und Kenntnisse mit ein, auf die wir uns verlassen, und erwartbare Ereignisse tragen dazu bei, diese auszubauen und zu verfeinern sowie neue zu entwickeln.
Das erste unerwartete Ereignis für mich war, dass mir ein Team ”gestellt« wurde. Ich sollte keinerlei Anteil haben an Ermittlung, Auswahl, Rekrutierung und Einarbeitung der 120 Leute, die im Sommer an meiner Expedition teilnehmen sollten, und auch nicht derjenigen 17 Leute, die in den neun langen, kalten, dunklen Monaten des Winters mit mir in der Station verbleiben würden, in denen wir uns auf den neuen Trupp Expeditionsteilnehmer des kommenden Jahres vorbereiten sollten. Was würde ich daraus lernen? Welche Lehren würde ich aus der Aufgabe ziehen können, aus einem disparaten Trupp von Individuen ein leistungsstarkes Team zu formen?
Ich begann damit, dass ich schaute, wen wir dabei hatten, traf mich mit allen Teilnehmern persönlich, immer auf der Suche nach einem verbindenden Element zwischen uns. Damit scheiterte ich. Auf ganzer Linie. Wir hatten alle wenig bis gar nichts gemeinsam, abgesehen von der scheinbar verrückten Entscheidung, eine Saison lang in der Antarktis verbringen und arbeiten zu wollen.
Antarktis … Lassen Sie mich den Schauplatz kurz skizzieren:
Kalt: Es ist der kälteste Kontinent der Erde, mit Temperaturen, die auf bis zu 80 Grad unter null fallen können.
Trocken: Der Großteil der Antarktis erlebte den letzten Regen vor der letzten Eiszeit.
Windig: Kalte Winde fegen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h oder mitunter sogar über 300 km/h die Berge der Antarktis hinunter.
Öde: Auf dem ganzen Kontinent gibt es nicht einen einzigen Baum.
Gefährlich: Überall gibt es verborgene Schneebrücken über tiefen Spalten im Eis, und es kann tödlich enden, den herrschenden Bedingungen ausgesetzt zu sein.
Und das sollte nun unser Arbeitsplatz und unser Zuhause werden.
Gemäß den Bestimmungen des Antarktisvertrags haben die Länder, die ”Ansprüche« an der Antarktis haben, dort Forschungsstationen errichtet, in denen sie wissenschaftliche Experimente durchführen, die von Klimabeobachtung über Seismologie bis hin zu Meteorologie reichen (Meteore sind überall in der Antarktis leicht zu finden, da sie sich von dem weißen Schnee und Eis gut abheben). Üblicherweise liegen diese Stationen im Küstenbereich, da sie dort am leichtesten zu versorgen sind.
Australien unterhält drei solche Stationen: Mawson, Casey und Davis. Ich wurde der Davis‐Station zugewiesen, der größten und am weitesten südlich gelegenen Station, die im Sommer auch den Hauptteil der wissenschaftlichen Arbeiten ausführt.
Ich stellte mir nun also die Frage: Was passiert wohl, wenn man einen Haufen Fremde ein Jahr lang unter extrem beengten Wohnverhältnissen und mit minimalem Kontakt zur Außenwelt an einen Arbeitsplatz in einer von Natur aus gefährlichen Umgebung versetzt? Wie bringt man sie als Team zusammen? Wie hält man sie davon ab, sich wegen kleiner Streitigkeiten gegenseitig zu erschlagen? Wie gewährleistet man die physische und psychologische Sicherheit, wenn es zu gefährlich ist, auch nur für einen kleinen Spaziergang nach draußen zu gehen, um ”etwas Dampf abzulassen«?
Ich setzte mich hin und fertigte mir eine Liste der möglichen Herausforderungen an, denen meine Expeditionsgenossen und ich nach meiner Vermutung im Laufe des kommenden Jahres ausgesetzt sein könnten.
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