Ulrike Barow
Baltrumer Maskerade
Inselkrimi
Ulrike Barow wuchs in Gütersloh auf und machte eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Danach zog es sie zum Lieblingsurlaubsort ihrer Kindheit, der kleinen Nordseeinsel Baltrum. Dort lernte sie ihren Mann kennen und arbeitete im Einzelhandel sowie im familieneigenen Vermietungsbetrieb. Nebenbei verfasste Ulrike Barow Artikel für die Lokalzeitung. Vor einigen Jahren griff sie die Idee auf, Baltrum-Krimis zu schreiben. Viele Kurzgeschichten sind seitdem ebenfalls entstanden. Inzwischen lebt sie mit ihrer Familie nicht nur auf der Insel, sondern auch in der schönen ostfriesischen Stadt Leer.
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Alle Rechte vorbehalten
(Originalausgabe erschienen 2014 im Leda-Verlag)
Herstellung: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: Katrin Lahmer
unter Verwendung eines Fotos von: © Maria Neelsen/stock.adobe.com
ISBN 978-3-8392-6502-4
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Mist. Vergebens griff sie nach ihrer Kapuze. Warum hatte sie nicht auf ihren Verstand gehört?
Sie hatte die grüne Lederjacke einen Tag vor ihrer Abreise nach Baltrum im Schaufenster eines Geschäftes entdeckt, sofort anprobiert und – sich auf das Urteil der Verkäuferin verlassend – auf der Stelle aus dem Laden getragen und spontan zu ihrem Lieblingsstück erklärt. Natürlich hätte ihr klar sein müssen, dass ›Lieblingsstück‹ nicht gleichbedeutend mit ›wasserdicht‹ war, und dass man auf der Insel nicht ohne wetterfeste Jacke auskam. Schließlich hatte sie sich vorher bereits online in den verschiedensten Foren zum Thema Baltrum umgeschaut. Aber nun lag ihre Regenjacke zu Hause und ihre Haare weichten langsam durch.
Sie klemmte ihre Einkaufstasche fester unter den Arm und begann zu laufen. Bis ins Ostdorf war es noch ein gutes Stück Weg. Sie hastete am Schwimmbad vorbei, dann an den Tennisplätzen. Der Regen legte noch einen Schlag nach. Vor der Tür von Onnos Kinnerspölhus stand ein Plakataufsteller.
Heute
Pomodoro
Clown und Zauberer
15:00 Uhr
Die Tropfen auf der Plexiglasscheibe gaben dem Gesicht mit der weißen Lockenperücke ein trauriges Aussehen.
Sollte sie im Kinderspielhaus Schutz suchen? Entschlossen bog sie links ab, rannte den schmalen roten Weg hoch und zog die Tür auf. In der feuchten Wärme dort drinnen beschlugen sofort ihre Brillengläser. Sie schüttelte sich den Regen aus den Haaren. Die Vorstellung hatte bereits angefangen.
»Kann ich helfen? Möchten Sie eine Eintrittskarte?«
Erst nachdem sie die Brille abgenommen und geputzt hatte, sah sie links von sich einen jungen Mann in der Kaffeeküche stehen und rote Kreise aus einem Pappkarton schneiden. Die offene Kasse stand daneben.
»Eigentlich wollte ich mich nur ein wenig vor dem Regen in Sicherheit bringen«, antwortete sie kläglich.
Der Mitarbeiter des Kinderspielhauses betrachtete sie von oben bis unten. Eine kleine Pfütze hatte sich auf den Fliesen rund um ihre Schuhe gebildet. Mühsam kämpfte sie sich aus ihrer klammen Jacke und hängte sie auf einen der Garderobenhaken. »Okay. Vielleicht sind meine Klamotten bis zum Ende der Vorstellung wieder trocken.« Sie bezahlte die Karte, dann öffnete ihr Marten Wienecke – zumindest hatte sie diesen Namen auf seinem bunten Namensschild gelesen – die Tür zum großen Spieleraum.
»Bevor Sie reingehen, müssen Sie sich Ihre Schuhe ausziehen«, flüsterte ihr der junge Mann zu.
Auch das noch. Sie bückte sich und fummelte genervt an den nassen Knoten in ihren Schnürsenkeln. Nichts tat sich. Egal. Sie zog die Schuhe von ihren Hacken und schob sie unter ihre tropfende Jacke. Marten Wienecke lächelte, als sie an ihm vorbeischlüpfte und sich leise auf den Stapel Gummimatten fallen ließ.
Der Clown auf der kleinen Bühne trug eine weite, mit bunten Blumen bedruckte Hose, ein gelbes Hemd und breite Hosenträger. Er spielte auf einer Mundharmonika.
Der Blick seiner weiß umrandeten Augen traf sie unvorbereitet und mit aller Macht.
An einem Samstag
gut zwei Jahre später
»Petra?«, hallte es vom Flur, begleitet von einem ausdauernden Klopfen. Mutter. Wer sonst. »Petra, nun mach doch mal auf. Soll ich hier im Flur überwintern?«
Von mir aus, dachte sie und öffnete die Tür. »Komm rein.«
»Du lässt dich gar nicht mehr bei mir blicken«, sagte ihre Mutter mit vorwurfsvollem Blick. »Da bin ich schon mal extra hier, um dir bei deinen Hochzeitsvorbereitungen zu helfen, und was ist? Du schließt dich in deinem Zimmer ein.«
»Ja, Mutter. Nun setz dich hin.« Petra Bramlage räumte das Kleid mit den verspielten Ärmeln und der kleinen Schleppe, das sie zur Hochzeit anziehen wollte, mit Schwung vom Sessel auf das Bett.
»Kind – dein Kleid! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Hoffentlich hat Frau Ahlers ein Bügeleisen. Aber wahrscheinlich ist das Kleid viel zu empfindlich für ein Bügeleisen. So kannst du das bestimmt nicht mehr anziehen. Häng es bitte in den Schrank.«
»Ja, Mutter.« Sie liebte das beige Kleid mit den zwei rosa Seidenblumen unterhalb der schmalen Träger. Hatte es mit Jörg zusammen ausgesucht. Gott, was war sie stolz gewesen, als sie mit Jörg am Arm und der großen Plastiktüte in der Hand aus dem Brautmodengeschäft geschritten und in die Fußgängerzone abgebogen war! Aber im Moment würde sie fast alles tun, um ihre Mutter zu ärgern. Außerdem hatte die Verkäuferin ihr versichert, das Kleid könne was ab.
»Hast du mit dem Standesbeamten gesprochen? Können wir uns auf den verlassen?«
Petra nickte. »Standesbeamtin, Mutter. Es ist eine Frau. Und ja – ich habe alles mit ihr klargemacht. Wir sind im Leseraum. Unten rechts beim Rathaus. Da, wo die großen Glasfenster sind. Der wird extra für uns freigehalten. Die anderen Räume, oben, sind belegt. Da können wir nicht hin. Aber sie hat versprochen, dass es ganz schön wird.«
Hedda Bramlage seufzte. »In dem Prospekt steht, dass man aufs Wasser schauen kann. Darum sind wir doch extra auf die Insel gefahren.«
»Immerhin haben wir freien Blick auf den Fischimbiss. Ist doch auch was.« Petra lachte. »Wenn es nicht schlimmer wird – damit kann ich leben.«
»Na, wenn du meinst. Wenn es meine Hochzeit wäre …«
»Ist es nicht. Es ist meine. Und auf einschlägige Erfahrung im Hochzeitmachen kannst du nicht zurückgreifen, wenn ich mich recht erinnere.«
Ihre Mutter stand auf und verließ mit kurzen Stakkatoschritten das Hotelzimmer.
Die würde sie so bald nicht wiedersehen. Was hatte sie da nur wieder angerichtet?! Aber ihre Mutter ging ihr manchmal schrecklich auf die Nerven. Besonders jetzt. Wo sie so viel zu organisieren hatte. In ein paar Tagen würde ihre und Jörgs Verwandtschaft über die Insel hereinbrechen. Tante Olga. Onkel Peer. Marianne mit den Zwillingen. Sie mochte nicht daran denken. Am allerliebsten lieber wäre sie mit Jörg ins Niemandsland gefahren. Ganz allein. Aber mit dieser Idee war sie so ziemlich gegen alle Wände gelaufen. Jeder, dem sie ihren Wunsch anvertraut hatte, hatte sie mit vorwurfsvollem Blick angesehen. Auch Jörg.
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