Ulrike Barow
Baltrumer Wattenschmaus
Kriminalroman
Inselmorde Tim Seebald, der Totengräber auf Baltrum staunt nicht schlecht, als er auf dem Friedhof Knochen ausgräbt. An sich gehören sie dahin, sollten jedoch in einem Sarg liegen. Schnell stellt sich heraus, dass es die Überreste einer jungen Frau sind, die vor einigen Jahren in Bremen verschwunden ist. Kommissar Herbert Pankok aus Bremen versucht, Licht in den Fall zu bringen. Gleichzeitig wird Elmar Diesterweg, der auf der Insel Kochseminare gibt, verdächtigt, im geschützten Nationalparkgelände Enten und Gänse für seinen Kochtopf zu fangen. Die öffentlichen Anschuldigungen nehmen kein Ende und bald eskaliert die Situation.
Inselpolizist Michael Röder und Anika Frederik, seine Kollegin aus Barsinghausen, die ihm für ein paar Wochen zur Seite steht, bekommen weitere Unterstützung vom Festland. Mit dabei ist auch Arndt Kleemann, Röders bester Freund, der nach einem Jahr Auszeit wieder als Ermittler tätig ist. Er kennt sich mit den Gegebenheiten auf der Insel gut aus. Allein, dass die Einsätze mangels Autos mit dem Fahrrad bewältigt werden müssen, ist für manchen Kollegen eher gewöhnungsbedürftig.
Ulrike Barow wuchs in Gütersloh auf und machte eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Danach zog es sie zum Lieblingsurlaubsort ihrer Kindheit, der kleinen Nordseeinsel Baltrum. Dort lernte sie ihren Mann kennen und arbeitete im Einzelhandel sowie im familieneigenen Vermietungsbetrieb. Nebenbei verfasste Ulrike Barow Artikel für die Lokalzeitung. Vor einigen Jahren griff sie die Idee auf, Baltrum-Krimis zu schreiben. Viele Kurzgeschichten sind seitdem ebenfalls entstanden. Inzwischen lebt sie mit ihrer Familie nicht nur auf der Insel, sondern auch in der schönen ostfriesischen Stadt Leer.
Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:
Baltrumer Dünengrab (2019)
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
2. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Stephan Sühling / stock.adobe.com
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISBN 978-3-8392-6246-7
»Was ist mit dem Rosenstrauch? Willst du den mitnehmen?« Tim Seebald machte einen letzten Spatenstich und hielt gleich darauf die Pflanze hoch. Trockener Sand rieselte herab.
»Nee, lass man«, winkte Bernd Bohlen ab. »Ich würde gerne, aber bei uns in den Garten passt nichts mehr rein.«
Tim Seebald lachte. »Du hast auch schon genug von diesem heiligen Fleckchen Erde mitgehen lassen.«
»Immerhin helfe ich dir kostenlos«, protestierte Bohlen, »dafür darf ich wohl …«
»Klar. Wird sowieso bald ein Ende haben. Der Friedhof wird immer leerer. Die Gräber werden nach der Ablaufzeit aufgelöst – so wie das vom alten Volkers hier, und neue werden kaum noch angelegt.« Er zeigte auf die Stele, die im hinteren Teil des Friedhofes stand. »Was von den Menschen übrigbleibt, ist lediglich ein kleines Metallschild mit Namen derer, die auf See bestattet wurden. Mehr bleibt nicht.«
»Wem sagst du das?«, bestätigte Bohlen, »meine Schwester wollte auch unbedingt eine Seebestattung. Sie ist an Krebs gestorben. Mein Schwager hat ihren Wunsch erfüllt. Aber manchmal vermisst er doch einen Ort zum Trauern, hat er mir neulich erzählt.«
»Manche Orte – wie Harlesiel – haben einen Platz geschaffen, wo Hinterbliebene auf das Meer schauen und an ihre Liebsten denken können. Er heißt ›Brücke der Erinnerung‹ und ist genau auf das Beisetzungsgebiet zwischen Spiekeroog und Wangerooge ausgerichtet. Vielleicht wäre etwas Ähnliches auch für hier eine Idee«, überlegte Tim Seebald. »Aber nach Harlesiel kommt man schnell mal mit dem Auto, wenn man am Festland wohnt. Der Weg auf die Insel ist aufwendiger. Die Frage ist, wieviel Leute das in Anspruch nehmen würden.«
»Das weiß man nicht. Hat man heute überhaupt noch Zeit zum Trauern in dieser hektischen Welt?«, sinnierte Bernd.
»Vielfach sicher nicht. Und zum Pflegen der Gräber fehlt erst recht Lust oder Zeit.« Tim Seebald deutete auf ein Grab in der nächsten Reihe. »Die Seibolds wohnen auf der Insel. Trotzdem ist das Fleckchen Erde mit Muscheln belegt. Da muss man sich nicht mehr kümmern, meinen die Leute. Dabei sollte man nicht verkennen, dass auch dieser Belag hin und wieder Pflege erfordert. Aber darüber haben wir uns schon so oft unterhalten. Wir werden die Beerdigungsrituale nicht mehr zurückdrehen können.« Tim Seebald zuckte mit den Schultern. »Ich hätte es gerne, wie es früher war – mit bunten Blumen überall auf den Gräbern. Hier bei den Kramers sieht man zwar Grün, aber es ist einfach nicht gepflegt. Das Unkraut wuchert.« Er machte einen Schritt auf das Nachbargrab zu, bückte sich, hob etwas auf und zeigte es Bernd. »Das sieht fast aus wie ein Fingerknochen.«
Bernd Bohlen nahm das Teil, drehte es hin und wieder her, dann sagte er: »Quatsch. Das kann gar nicht sein. Die Toten liegen hier in Särgen. Wie soll denn ein Finger da …«
»Keine Ahnung. Wir sollten die Erdschicht entfernen und nachsehen, ob sich weitere Knochen dort befinden«, schlug Tim vor, doch Bernd schüttelte heftig den Kopf. »Auf keinen Fall. Das können andere machen.«
»Mensch, reg dich nicht auf.« Tim wischte sich den Schweiß von der Stirn und hinterließ ein paar dunkle Streifen. »Ich bin selbst nicht sicher, was es ist. Es war nur so ein erster Gedanke. Wahrscheinlich hat sich jemand einen Scherz erlaubt und einen Hühnerknochen dort hingeworfen. Oder eine Möwe hat ihn fallengelassen.«
»Du hast recht. Wir können uns nicht um alles kümmern. Also lass uns hier weitermachen«, schlug Bernd vor.
»In Ordnung«, erwiderte Tim, »der alte Grabstein muss wie üblich hinter die Hecke. Die Firma aus Norden, die den abholt, wird nächste Woche hier sein.«
Die beiden wuchteten den schweren Stein auf die Schubkarre und fuhren den Inhalt auf das Gelände neben dem Friedhof. Dort lagen bereits zwei weitere Grabsteine und mehrere Einfassungssteine von aufgelösten Gräbern. Dann gingen sie zurück, warfen die ausgegrabenen Blumen bis auf den Rosenstock in die Karre und brachten alles zum Komposthaufen. Von dort nahmen sie Erde mit und schaufelten sie dorthin, wo sich das Grab vom alten Volkers befunden hatte.
»So, und nun den Rasensamen rein, gießen und fertig.« Tim sah Bernd nicken, hatte aber das Gefühl, dass der Mann, der ihm netterweise immer half, wenn es Schweres zu erledigen galt, nicht ganz bei der Sache war. Wieder und wieder schaute der Mann hinüber zu dem Familiengrab der Kramers. Wahrscheinlich hatte Bernd Angst, dass der Rest des Skeletts plötzlich und unerwartet auftauchte. Er musste grinsen. Das wäre echt ein Ding. So konnte man natürlich auch Beerdigungskosten sparen, dachte er. Aber zugleich war ihm klar, dass ein anonymes Verscharren auf dem Friedhof mit Sicherheit aufgefallen wäre. Abgesehen davon, dass er sich häufig hier aufhielt, um alles in Schuss zu halten, kamen auch immer wieder Besucher, um sich die Namen auf den Steinen anzusehen. Im hinteren Bereich lagen Gräber von Soldaten, die bei der Explosion ihres Minensuchbootes ums Leben gekommen waren. Das Schiff war kurz nach dem Krieg vor der Insel auf eine Mine gefahren. Gleich neben den Gräbern waren Steine als Erinnerung an alte Insulanerfamilien aufgestellt worden.
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