»Aber natürlich«, erwiderte Carreras. »Wir sind große Bewunderer der Poe-Adaptionen. All diese herrlichen, prächtigen Farben. Roger ist ein Mann ganz nach unserem Geschmack. Sehr schlau, wenn es darum geht, an allen Ecken und Enden zu sparen, um Geld zu machen.« Es klang wie ein zweischneidiges Kompliment. »Ich bin mir niemals ganz sicher, wo diese Filme spielen sollen – in Italien vielleicht? Die Kulissen sehen aus wie eine Mischung aus Verona und Las Vegas.«
»Bei diesen Filmen habe ich nur die Drehbücher überarbeitet«, räumte Shane ein. »Aber ich hab ein paar andere geschrieben, mit denen ich ganz zufrieden bin.«
»Ah ja, Am Rande der Nacht und Die Kreatur im Leuchtturm . Beide hervorragend, meiner Meinung nach. Zu dumm, dass sie in Leuchtturm die Kreatur zeigen mussten.«
Shane war erstaunt, dass überhaupt jemand von diesen Filmen gehört hatte. Sie waren nur in einer Handvoll Kinos gezeigt worden, und auch das nur in den weniger wählerischen Bundesstaaten. Er war sich ziemlich sicher, dass es keinen internationalen Vertrieb gegeben hatte. »Sie haben recht, wir hätten sie nicht zeigen sollen«, sagte er entschuldigend. »Das Licht war zu hell. Und der Laurel Canyon ist ein ziemlich schäbiger Ersatz für die spanische Küste. Man konnte die Nähte des Gummianzugs sehen. Ich schaudere immer noch, wenn ich an die letzten Szenen denke.«
»Oh, machen Sie mal halblang, guter Freund. Sie sind zu bescheiden. Wir sind jahrelang mit den fürchterlichsten Monstern über die Runden gekommen. Wir konnten uns immer mit klugen Kulissen und geschickter Beleuchtung retten. Wir verwenden absolut alles wieder und machen auch kein Geheimnis daraus. Roy Ashton, unser Mann fürs Make-up, hat uns mit Ach und Krach durchgebracht, obwohl ich denke, dass er die Gorgone in Die brennenden Augen von Schloss Bartimore nicht richtig hinbekommen hat. All die albernen Gummischlangen, die herumbaumelten. Wirklich schade, weil das Drehbuch meiner Meinung nach vorzüglich war. Und dann haben wir den Vorteil von James Bernards wunderbarer Musik.«
»Und Schauspieler, die die flachsten Dialoge mit Leben füllen können«, sagte Shane und fügte hastig hinzu: »Nicht, dass die Dialoge …«
Carreras hob die Hand. »Ich weiß, manchmal sind die Dialoge unser Schwachpunkt. Es fehlt an der Poesie, glaube ich. Freddie würde am liebsten Drehbücher völlig ohne Dialoge verfilmen. Ich bin davon überzeugt, dass er denkt, sie stören nur. Das ist der Grund, weshalb er so wunderbar Spannung aufbauen kann. Es gibt niemanden, der ihm das Wasser reichen kann, wenn es darum geht, in einer Szene Spannung zu erzeugen. Aber ich bin der Erste, der zugibt, dass er unter Taubheit leidet, wenn es um Dialoge geht. Und wir haben noch ein Problem.«
»Welches?«
Carreras blies Rauch aus und blickte Richtung Decke. »Ach, kommen Sie, als Mann vom Fach haben Sie bestimmt etwas gehört.«
»Nun, ich habe gehört, dass Sie Opfer Ihres eigenen Erfolgs geworden sind. Nachahmer angeregt und so etwas.«
»Bei Gott, in der Tat. Dann kennen Sie bestimmt unseren größten Konkurrenten, Amicus.«
»Haben die nicht vor ein paar Jahren Die Todeskarten des Dr. Schreck gemacht?«
»Ja, und sie hatten ziemlichen Erfolg damit. Einige der Episoden waren furchtbar abgeschmackt, die Schauspieler haben völlig übertrieben, aber die Idee an sich war nicht ohne. Dumm wie wir waren, haben wir ihnen einige unserer größten Stars ausgeliehen. Milton Subotsky hat sehr genaue Vorstellungen, wie Filme dieser Art funktionieren. Er produziert sie überaus billig.«
»Richtig, die Episoden-Sache.«
»Eine rein wirtschaftliche Erwägung, kann ich Ihnen versichern. Wenn man vier oder fünf Episoden dreht, die jeweils fünfzehn oder zwanzig Minuten lang sind, und sie durch eine Rahmengeschichte verbindet, müssen die Stars nicht während der gesamten Drehzeit anwesend sein, sondern nur für den Teil, in dem sie auftreten. Sehr leicht zu planen, und natürlich kann man die meisten von ihnen am Ende der Woche in bar ausbezahlen. Aber, wissen Sie«, er verzog das Gesicht, »schmuddelige Fünf-Pfund-Scheine in Umschlägen auszuhändigen und das sich ergebende Filmmaterial im Schneideraum zusammenzukleben, ist ganz und gar nicht unser Stil. Wir sehen uns ein paar Stufen über solchen Praktiken. Und dann gibt es Tony Tensers kleine Firma, Tigon. Er verwendet unser Geschäftsmodell, lässt aber an authentischen Drehorten drehen, um ein paar Pfund zu sparen. Einige seiner Sachen sind ziemlich gut. Wir müssen uns in Zukunft mehr als früher vor der Konkurrenz in Acht nehmen.«
»Aber Sie sind immer noch führend.«
»Stimmt, aber wie lange noch? Die Wahrheit ist, dass uns die Monster ausgegangen sind. Frankenstein, Dracula, die Mumie, Dr. Jekyll, das Phantom der Oper, der Wolfsmensch – nun, der war nie wirklich erfolgreich, meiner Meinung nach, auch wenn Ollie Reed furchtbar gut war als Werwolf in Der Fluch von Siniestro . Man kann nicht ewig immer nur die drehen. Ich habe das Gefühl, dass wir uns festgefahren haben.«
»Es gibt doch bestimmt noch andere viktorianische Horrorgeschichten, die bisher nicht verfilmt wurden?«
»Ja, aber wir befinden uns im Jahr 1966. Niemand will heute Filme sehen, die auf Büchern beruhen, die unsere Großeltern gelesen haben. Durch die Beatles haben sich die Verhältnisse geändert. Milton bildet sich ein, dass man mit einem Horrorfilm für Teenager Geld machen könnte – er geht mit einem schrecklichen Treatment über eine untote Popgruppe hausieren. Aber wir fühlen uns etwas gehobeneren Produkten verpflichtet. Was halten Sie von unseren Filmen?«
»Ich denke, ich habe sie immer als Fabeln betrachtet. Sie besitzen eine gewisse Art von Eleganz.«
»Ganz genau. Haben Sie jemals richtige Märchen gelesen? Ich meine Hans Andersen, Grimm und so weiter. Die sind unglaublich grausam; Vögel picken Augäpfel aus, Mädchen schneiden sich Zehen ab, um in Pantoffeln zu passen. Der einzige Grund, weshalb John Trevelyan uns so viel Kunstblut durchgehen lässt, ist, dass wir uns an ein gewisses Niveau halten. Und natürlich sind wir normalerweise sorgfältig darauf bedacht, dass unsere Geschichten nicht in England spielen. Es ist weniger anstößig, wenn man die Handlung irgendwo am anderen Ende von Europa ansiedelt, wo die meisten Kinobesucher noch nie gewesen sind.«
»Warum übernehmen Sie nicht etwas von der Konkurrenz und führen neue Monster ein? Das Ganze in dem Stil, mit dem Sie berühmt geworden sind?«
»Das redet sich leicht, mein Freund, ist aber ziemlich schwer machbar, befürchte ich.«
»So etwas lasse ich mir schon seit geraumer Zeit durch den Kopf gehen.«
Carreras nahm die Zigarre aus dem Mund und untersuchte das Ende, um sich zu vergewissern, dass es noch glühte. »Wirklich? Und was denken Sie? Wäre das etwas für Sie? Man muss eine bestimmte Art von Geist haben, um so etwas zu schaffen. Wären Sie der Aufgabe gewachsen?«
»Sie meinen, ein Drehbuch schreiben? Ob ich das machen würde? Aber natürlich.«
»Es tut gut, hier zur Abwechslung mal auf etwas Eifer zu treffen. Wir sind eine sehr enge Gemeinschaft, aber manchmal kann das auch ein bisschen bedrückend sein. Immer auf einem Haufen, sozusagen. Allerdings ist da ein Haken.«
»Und der wäre?«
»Wir haben ein paar Projekte in der Entwicklung. Dreharbeiten für zwei Filme sind zwischen Winter und Frühjahr geplant, aber Peter und Chris wollen an Weihnachten zuhause sein, und deshalb schließen wir dann normalerweise. Weshalb uns eigentlich nur jetzt bleibt.«
»Ich arbeite zurzeit an nichts Konkretem«, sagte Shane. »Ich könnte sofort anfangen.«
Carreras warf einen Blick in den Produktionskalender auf seinem Schreibtisch. »Nun, heute ist Montag, also sagen wir bis Freitag?«
Shane war verdutzt. »Für was?«
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