»Zeig mal her das Bild.« Randy sprang auf und nahm Mason das Smartphone weg. Ihm wäre es fast wieder aus der Hand gefallen, als er das Foto sah. »Heiliger Strohsack!«
Jetzt wurde auch Danielle hellhörig und richtete sich im Sessel auf. »Also ist doch etwas Auffälliges daran. Es kam mir gleich so bekannt vor.«
»Das kann man so sagen. Kommt her.« Randy setzte sich wieder vor den Computer und öffnete die Bilder, die er heute früh eingescannt hatte. Er blätterte durch, bis er das Gesuchte fand. »Seht euch mal die Schuhe an.«
Mason und Danielle beugten sich je über eine Schulter von Randy und glotzten auf den Monitor. Mason pfiff durch die Zähne als ihm klar wurde, was er da sah.
Das Foto, das Randy ihnen zeigte, war ein ausgeschnittenes Katalogbild. Daneben der Hinweis von Billy: Harrison hat die Schuhe identifiziert, die der Unbekannte trug. Trotz intensiver Recherche konnte ich niemanden finden, der solch ein Paar besitzt.
»Das bezieht sich auf den Unbekannten, den Harrison in der Nacht des Mordes gesehen hat«, sagte Danielle. »Der, der mit dem Super-8-Film an ihm vorbeigelaufen ist.«
»Richtig«, sagte Randy. »Und nun wissen wir auch, wer es war. Der verstorbene Direktor.«
Danielle sah sich noch einmal das Handyfoto an, das sie geschossen hatte. »Es sind definitiv die gleichen Schuhe, aber das kann doch auch Zufall sein, meinst du nicht?«
»Zufall? Ernsthaft? Das Foto von dem Direktor wurde am Abend des Mordes aufgenommen. Das hat dieser Phil doch erzählt, oder?«
»Ja. Das Shooting fand einen Tag vor dem Wettbewerb statt, also in der Nacht, in der Marietta und die anderen eingebrochen sind.«
»Das passt doch wie die Faust aufs Auge. Der feine Herr Direktor trug die Schuhe noch von dem Shooting, als er aus der Schule kam – und Harrison hat ihn gesehen. Vielleicht musste er die Schuhe zurückgeben oder so und deshalb haben die 84er nie einen Hinweis darauf gefunden.«
Mason schürzte die Lippen. »Möglich.« Dann lächelte er Randy an. »Gute Arbeit, Alter.«
»Danke aber das war Danielles Verdienst.«
»Jetzt müssten wir nur noch wissen, was der Direktor mit dem Film gemacht hat.«
»Vielleicht können wir uns in seinem Haus umsehen«, sagte Danielle. »Mum hat mir geschrieben, dass wir morgen zur Gedenkfeier des Direktors eingeladen sind. Bei ihm daheim.«
»Warum das?«, fragte Mason.
»Keine Ahnung. Weil wir ständig auf irgendwelche Feiern eingeladen sind. So ist das eben. Doch diesmal könnte ich die Chance nutzen und mich etwas umsehen.«
»Einer von uns sollte mit«, sagte Randy. »Vier Augen sehen mehr als zwei.«
»Dann mach du das«, sagte Mason sofort. Randy war klar, warum sein Freund nicht mitgehen wollte. Er war der Drogenjunge, der Sportversager, der Loser vom Dienst und niemand, der gerne in so einer feinen Gesellschaft gesehen wurde.
»Ich habe leider keinen Anzug«, sagte Randy. »Also wirst du gehen.«
»Aber ich kann da nicht …«
Das Poltern von oben unterbrach Mason. Einige Augenblicke später kam Olivia hereingestürzt. Sie war außer Atem, als wäre sie die letzten Blocks gerannt, aber soweit Randy wusste, war ihr Auto wieder intakt, nachdem er darauf gelandet war und einen Krater hinterlassen hatte.
»Leute, ich muss mit euch reden.« Fast ohne Luft zu holen erzählte Olivia von dem Wettbewerb, von dem Einbruch in der Galerie und wie wichtig es für sie war, diese Sache aufzuklären. »Wir müssen den Randalierer finden und dafür sorgen, dass der Wettbewerb wie geplant stattfindet.«
»Gibt es denn einen Anhaltspunkt, wer es gewesen sein könnte?«, fragte Randy.
»Chris, der Assistent von Lucian, sagt Nein.«
Randy hätte schwören können, dass Olivia ein kleines bisschen rot wurde, als sie den Namen Chris aussprach, aber vermutlich hatte er sich getäuscht. Sie war zu tough, um rot anzulaufen.
»Ist er süß?«, fragte Danielle, der es offenbar auch nicht entgangen war.
»Wer?«, fragte Olivia.
»Chris.«
»Spielt das eine Rolle?« Olivia sah zu Boden und Randy verstand. Diesen Blick kannte er zu gut. So glotzten die Mädels immer, wenn sie mit Mason sprachen. Oder eher, so hatten sie früher geglotzt, als er noch der Sportheld war. Heute gingen sie ihm eher aus dem Weg.
»Wir müssen diesen Einbruch aufklären«, sagte Olivia. »Bitte, Leute.«
»Und wie?«, fragte Danielle.
»Ganz einfach«, sagte Randy und griff sich eine Lakritzstange aus dem Glas, das er neben den Computermonitor gestellt hatte. Er liebte die Dinger. »Können wir uns irgendwie in der Galerie umsehen?«, fragte er Olivia.
»Vielleicht kann ich Chris kontaktieren und ihn fragen. Auf dem Anmeldebogen zum Wettbewerb stand eine Kontaktnummer. Mit ein bisschen Glück ist es seine. Ich rufe an und vereinbare ein Treffen mit ihm.«
»Dann machen wir das so: Danielle und Mason, ihr geht zu der Gedenkfeier. Und Olivia und ich sehen, was wir wegen des Einbruchs in der Galerie herausfinden können.«
Mason rollte die Augen, aber Randy fand den Plan ziemlich genial und würde sich nicht davon abbringen lassen.
»Was für eine Gedenkfeier?«, fragte Olivia.
»Setz dich«, sagte Mason. »Wir erklären es dir.«
*
Die Wohnung der Familie Young
Ein Donnerstag
Olivia stand vor ihrer Wohnungstür und rieb über das Touch-Display ihres neuen Smartphones. Eigentlich hatte sie kein neues gewollt, aber Randy hatte zig von den Teilen bei sich herumliegen, weil er ständig irgendwelche Apps schrieb und das aktuelle Modell vom Hersteller erhielt. Randy war der Meinung gewesen, dass Olivia ganz dringend ein Modell brauchte, das bessere Fotos schießen konnte. Es war zwar toll, eine Full-HD-Kamera im Kleinformat zu besitzen, aber Olivia hatte ständig den Drang, das Display sauber zu wischen. Ihr altes Nokia-Teil war bei weitem nicht so anfällig gewesen. Sie zog den zusammengeknüllten Zettel mit den Daten des Wettbewerbs aus der Hosentasche und wählte die angegebene Kontaktnummer. Nach dreimaligem Klingeln hob jemand ab.
»… spreche demnächst eine automatische Ansage drauf«, hörte Olivia jemanden sagen. Nicht Jemanden. Chris. Sie erkannte die Stimme sofort.
»Hi, wer auch immer da ist, der Wettbewerb ist abgesagt.«
»Das habe ich schon gehört. Heute Morgen live vor Ort. Zusammen mit dem Kaffee, der sich über deinem Hemd verteilt hat.«
Eine Pause.
»Hallo?«, hakte Olivia nach, weil sie nicht sicher war, ob er aufgelegt hatte. »Hier ist Olivia Young. Wir haben heute Morgen …«
»Ich erinnere mich. Der Fleck ist rausgegangen, du kannst dir die Reinigung sparen.«
»Deshalb rufe ich nicht an.«
»Sondern?«
»Ich … ähm …« Wie sollte sie das jetzt erklären, ohne dabei aufdringlich zu wirken? »Wir … meine Freunde und ich. Wir wollen dir gerne helfen, den Einbrecher zu finden.«
Chris lachte auf.
»Das ist mein Ernst.«
»Du bist ja niedlich.«
Niedlich? Hatte der Kerl eine Vollmeise? Niedlich waren Tierbabys oder Marias gepunktete Schlafanzughosen mit den Marienkäfern, die sie seit drei Jahren trug. Olivia schluckte den Zorn und den Drang hinunter, sofort wieder aufzulegen und redete weiter. »Ich könnte dich bei der Galerie treffen und wir …«
»Nein, danke. Die Polizei sagte bereits, dass wir uns keine großen Hoffnungen machen sollen. Wenn du mich also entschuldigst? Hier rufen ständig Leute wegen des Wettbewerbs an. Ich muss eine Pressemitteilung …«
»Musst du nicht«, unterbrach sie ihn diesmal.
»Bitte?«
»Der Wettbewerb wird stattfinden.«
Wieder eine Pause. »Ich leg jetzt auf.«
»Oh Mann, hör schon auf den Macker zu spielen und gib dir einen Ruck.« Olivia atmete aus. Zügle dein Temperament. »Mein Kumpel Randy und ich können dich morgen nach der Schule an der Galerie treffen. Du zeigst uns den Tatort und wir sehen, was wir herausfinden können.«
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