Ich bin noch immer der alte Narr,
Ich kenne mich jetzt zur Genüge,
Stets täuscht mich wieder der freundliche Trug
Und trügt mich die liebliche Lüge.
Doch wenn mir einmal die Wahrheit blinkt,
Dann muss es anders gären
Und sieden und kochen in meinem Blut
Und Mark und Hirn verzehren – – –
Ach, es gärte und kochte wohl noch lange so weiter, aber die Partnerin zu solch himmelhohem Gefühlsleben sollte auch er niemals finden. Zumeist sind es Abenteuer wie bei dem
Märchen
(Aus einem Zyklus Wiener Erinnerungen)
Ich wandelte am Ring zu später Stunde,
Wo ich oft halbe Nächte schon verbracht,
Der Weltstadt Tosen schwieg in weiter Runde,
Und still und einsam war die Nacht.
Ein Wagen kommt, derweil ich fürbass schreite,
Der hätte mich beinahe überrannt.
Er hält. Ich wende mich und will zur Seite,
Da winkt mir eine kleine Hand.
Ich steige ein. Nun geht’s durch viele Gassen.
Ein altes Schloss ist unser Ziel zuletzt.
Wer bist du, schöne Maid? Ich kann’s nicht fassen,
Und wohin führest du mich jetzt?
Doch küssend spricht die Kleine: Lass das Sorgen,
Ich bin ein Märchen, nur für dich erdacht.
Ich bin ein Traum, o träume bis zum Morgen!
Der Vorhang fällt, und es ist Nacht. – –
Am Morgen, als es kaum beginnt zu tagen,
Irr’ ich umher. Wo bin ich? Wär’ mir’s klar!
Ja – wo ich bin, das kann ich jeden fragen,
Allein, wer sagt mir, wo ich war?
Aus derselben leichtherzigen Tonart geht
Der Liebe Furcht
In der Nacht nach jenem Tag
Sprach mein Lieb mich von sich drängend:
Warum rückst du mir so nah?
Ach, ich fürchte mich vor dir.
An dem Tag nach jener Nacht
Sprach mein Lieb sich an mich schmiegend:
Warum willst du von mir gehen?
Ach, ich fürcht’ mich ohne dich.
Aber die Liebe hat auch innigere Töne: Da ist ein ergreifendes Erleben des Arztes:
Und seh’ ich dich mit roten Wangen,
So wird mir in der Seele weh,
Mich fasst ein unnennbares Bangen,
Du bleiche Maid, ach Gott, ich seh’,
Ich seh’, ich seh’ die weiße Rose
In Purpur krankhaft schön erblühn,
Dem unabwendbar blassen Lose
In hastiger Glut entgegenglühn.
Ich seh’s und ach, ich kann nicht wehren,
Du bleiches Lieb, der Fieberglut,
Ich wein’, ich weine herbe Zähren,
Die Krankheit kenn’ ich, ach, zu gut.
Da ist das späte Wiedersehen mit einer Jugendneigung:
Ein Bild tritt wieder
In meine Ruh:
Herz meiner Lieder,
Annina, du.
Dahin, vergangen
Ist unsere Zeit.
Warum so befangen
Nahst du mir heut?
Was blickt durch Tränen
Dein Aug’ mich an?
Fruchtloses Sehnen,
Verlorner Wahn.
Uns wies das Leben
Getrennten Stand,
Was drückst mit Beben
Du meine Hand!?
Entschwundene Tage,
Verklungnes Glück
Bringt keine Klage,
Kein Wunsch zurück.
Herzen wie dieses verzehren sich in lauen Friedenstagen, da sie nicht finden, wofür sich selber würdig vergeuden, und weder Freund noch Feind ihrer wert achten. Aber der Jüngling ist nun zum Manne gereift und flüchtet sich in die Strenge der Pflicht, die fortan mit ihm gehen wird und ihm durch sich selber lohnen, solange er lebt:
Auf einem Berufsgang
Es bläst der Wind, der Regen gießt in Strömen,
Die schwarze Wolke stellt sich vor den Mond,
Im Dunkeln heißt die Pflicht den Weg mich weiter nehmen!
So sei ich durch mich selbst belohnt.
Ich will die Schmerzen kühlen
Und meiner Seele Not
Im Kampf mit Wind und Wetter,
Im Ringen mit dem Tod.
Diese Kehrseite der Schwelgerei, den Tag und Nacht zur äußersten Leistung und Selbstverleugnung gespannten Helferwillen, muss man im Auge behalten um zu begreifen, wie stark die Kerze fort und fort an beiden Enden gebrannt hat. Aber endlich, da das Fieber nachlässt, wird ihm seine Poesie zu der warmen Asche in der, wenn man sie aufrührt, ein so reizendes Funkenspiel sich schlängelt. Jetzt ist nichts Persönliches mehr dabei, eine heitere Laune treibt mit den Dingen und dem eigenen Ich ihren Scherz wie in dem:
Heimritt
Zäumt mir meinen Pegasus
Mit den langen Ohren,
Weil ich heut noch reiten muss
In das Land der Toren.
Grauer, hast auf diesem Weg
Dich noch nie verloren,
Kenn’ ich selbst doch Weg und Steg,
Bin ja dort geboren.
Und so reit’ ich wieder heim,
Weil ich Heimweh habe,
Wechsle nunmehr auch den Reim
Und den Schritt zum Trabe.
In der Fremde legt’ ich brach
Meine beste Gabe;
War wie andre klug und, ach,
Ernsthaft wie ein Schwabe.
Bin nun all des Ernstes satt,
Geb dem Tier die Sporen.
Im Galopp zur Narrenstadt!
Noch ist nichts verloren.
Frisches Leben, Saus und Braus,
Bin wie neugeboren,
Ewig bleib’ ich jetzt zu Haus
In dem Land der Toren.
Gerade in der leichten unpersönlichen Gattung findet er seinen vollen Persönlichkeitsstil, dass, wer ihn kannte, zuweilen eine mündliche Redeweise heraushört. So in dem liebenswürdigen:
Ringelreihen
(zu einem von seinem Töchterchen
gemalten Bildchen)
Elfenkinder so rund und klein
Tanzen in lustigem Ringelreihn
Wohl um die schweigende Eule.
Denkt sich die Eule: bin ich ihr Gott?
Oder bin ich nur Kinderspott?
Ob ich jetzt lach’ oder heule?
Aber die Krone seines Humors sind die Gespensterlieder , eine andere Art von Totentanz, worin der ärztliche Dichter die verschiedensten menschlichen Typen ihr teils barockes, teils schauerliches Wesen weitertreiben lässt. Die Versuchung ist groß, alle herzusetzen, aber ich beschränke mich auf einige der treffendsten Proben:
Der Ängstliche
Um Mitternacht, im Mondenschein,
Sitz’ ich auf meinem Leichenstein,
Doch feucht und neblig wird die Luft,
Drum kreuch’ ich ein in meine Gruft.
Der Eifersüchtige
Als ich im stillen Grabe lag und schlief,
Hört’ ich wie einer meinem Schätzlein rief.
Da warf ich alle Erde schnell empor
Und sprang heraus und schlug dem Kerl aufs Ohr.
Der Geizhals
In meinem Grabe find’ ich keine Ruh,
Umsonst sind meine Augen tot und zu.
In jeder Nacht muss ich den Sarg verlassen,
Durchs Fenster schaun, wie meine Erben prassen.
Von meinem Wein gilt’s heut das letzte Glas,
O mehr als alle Würmer wurmt mich das.
Der Gelehrte
Kein Lebender kann meine Qual ermessen:
Ich wälze mich im Sarge hin und her,
Aus einem Buche hab’ ich was vergessen,
Wenn ich mich doch besänne, was es wär!
Behandelt’s die Unsterblichkeit der Seele?
Das Dasein Gottes? Gott, ich werde krank!
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