Einige von den Junioren wechselten dann in die erste Kampfmannschaft des SV St. Anton, wo neben den oben genannten auch Karl Schranz und Martin Burger, beide Kollegen im ÖSV-Skiteam, sowie Reinhard Hauser und Walter Thurner spielten. Konditionell waren wir mit den fünf Skifahrern Burger, Cordin, Matt, Rofner und Schranz den meisten Teams überlegen. Da Fußball aber ein Mannschaftssport und kein Individualsport wie das Skifahren ist, haperte es manchmal im Stellungsspiel und bei den Kombinationen. Karl Schranz zum Beispiel dribbelte bravourös und ballverliebt, weshalb es manchmal auch etwas länger dauern konnte, bis wir den ihm zugespielten Ball zurückbekamen. Aber irgendwann musste natürlich auch er den Ball abgeben oder er wurde vom Gegner gestellt.
Ein Erlebnis war es, mit Karl Schranz nach Wien zu fahren. Er organisierte mehrmals ein Spiel gegen einen Klub in der höchsten österreichischen Spielklasse, wenn ein solcher aufgrund eines Länderspiels im Praterstadion an einem Wochenende spielfrei hatte. Neben dem Trainingsspiel mit den besten Vereinen konnten wir unseren Aufenthalt in Wien mit einem Besuch eines Länderspiels verknüpfen. Es erfüllte uns mit Stolz, dass wir gegen die besten Fußballer spielen durften. Ich erinnere mich an ein Spiel in Hernals gegen den damals erstklassigen Wiener Sportklub, in dessen Reihen Nationalspieler wie Fritz Raffreider aus Dornbirn, die bekannten Gebrüder Hof und der Nationaltormann Wilhelm Kaipel spielten. Der Sportklub siegte „verdient“, aber sie ließen auch uns mitspielen. Neben Karl Schranz durfte auch ich an Willi Kaipel vorbei nach einer Direktabnahme den Ball ins Tor schießen.
An der Universität Innsbruck studierend, spielte ich im Team der Meteorologen bei den Universitätsmeisterschaften in der Halle mit. Zu den Besten gehörten damals Ekkehard Dreiseitl und mein Tourenkollege Gerhard Markl. Nachdem ich mir beim Spiel mehrere Verletzungen, unter anderem Muskelfasereinrisse und Rippenprellungen, zugezogen hatte, hängte ich schweren Herzens meine Fußballschuhe an den Nagel.
Durch mein Bergsteigen und meine Mitgliedschaft bei der Musikkapelle in St. Anton ergaben sich mehr und mehr Terminprobleme am Wochenende. Einmal gab es auch Schelte von meinem Vater. Anstatt mit der Musikkapelle bei der Autoweihe in St. Christoph auszurücken, zog ich es vor, am Jahnturm neben der Vallugagratstation mit Walter Strolz dessen Erstbegehung durch die Südwand zu wiederholen (Schwierigkeit VI/A1). Während dieser kurzen technischen Kletterei, zum Teil an von Walter konzipierten Holzkeilen mit dünnen Schnüren und Hunderternägeln als Sicherungspunkten, ähnlich der Fiedler-Flunger-Führe in der Martinswand bei Zirl, hörten wir die St. Antoner Musikkapelle aus St. Christoph bis zu uns herauf. Ein schlechtes Gewissen hatte ich am Jahnturm schon, aber ich bereue es nicht, mit Walter diese Tour gemacht zu haben.
Nachdem ich als Solotrompeter in der Stella Matutina aufgetreten war, wollte ich, anfangs nur in den Ferien im Sommer, zu Weihnachten und zu Ostern, zur Musikkapelle in St. Anton. Eugen Haueis und Siegfried Spiss kümmerten sich um meine Aufnahme. Bald wurde Kapellmeister Grillmeyer von meinem früheren Volksschullehrer und Organisten Herbert Sprenger abgelöst. Und so durfte ich die erste Trompete blasen. Die „Musi“ war und blieb mein liebster Verein und ich bin dankbar, so viele warmherzige, nette St. Antoner kennengelernt zu haben. Obwohl die Proben oft mühsam waren, hatten wir aber auch großen Spaß. Direkt vor den Trompeten saßen die Flügelhornspieler. Unter ihnen waren der Landwirt Norbert „Norbertli“ Scalet, Fritz Falch, der später weltweit als Raumplaner tätig war, und Arnold „Noldi“ Schranz, der Bruder von Karl Schranz.
Ich war ein großer Fan von Noldi, der ein talentierter Bläser war. Und ich war mir auch sicher: Wenn er die Chance gehabt hätte, ein Konservatorium zu besuchen, er wäre einer der führenden Trompeter Europas geworden. Unvergesslich für mich ist der Gräberbesuch an Allerheiligen, den die Musikkapelle begleitete. Zum Gedenken an die vielen Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurde das Lied: „Ich hatt’ einen Kameraden“ intoniert, und Noldi blies das Trompetensolo mit einer Inbrunst, die alle Friedhofsbesucher jedes Jahr tief bewegte. Auch an „s’Norbertli“, den Vater des Mooserwirtes Eugen Scalet, erinnere ich mich noch gut. Er brachte uns mit seinem trockenen Oberländer Humor oft zum Lachen.
Wir spielten bei Prozessionen und Zeltfesten, gaben Konzerte auf der Planie, und auch zu Weihnachten spielte ich mit einer kleinen Bläsergruppe Weisen an verschiedenen Plätzen in der Gemeinde. Wir waren meistens eine leistungsfähige Kapelle, nur einmal war unser Auftreten beim Musikfest in Lech von Irritationen begleitet. Unsere Fahnenpatin Christl Moosbrugger vom Hotel Post in Lech hatte es zu gut mit uns gemeint und uns vor unserem Konzert im Festzelt zu Bier und Wein eingeladen. Der Alkohol auf nüchternen Magen verfehlte nicht seine Wirkung auf unser Spiel. Es mangelte an der genauen Koordination der einzelnen Instrumente, besonders auffällig war, wie unrhythmisch die Tschinellen am Ende der Musikstücke schlugen. Bei dem in Festzelten üblichen Lärm gingen diese Unstimmigkeiten aber offensichtlich unter. Der Beifall war jedenfalls sehr groß.
Einmal war unsere Musikkapelle sogar ein Überraschungsgeschenk. Mit Adi Werner, dem legendären Wirt vom Hospizhotel in St. Christoph, fuhren wir mit einem Bus zu einer Hochzeit in einem Schloss im Taunus bei Frankfurt. Unter den Gästen war auch Marika Kilius, eine Eiskunstläuferin, die es sogar zur Europa- und Weltmeisterin brachte. Während des Hochzeitsessens hielt Adi Werner eine launige Rede, in der er ein kostbares Geschenk ankündigte, das man sorgfältig behandeln solle, weil man es wieder zurückgeben müsse. Als unsere Musikkapelle danach im Freien zu spielen begann, war die Überraschung bei der Hochzeitsgesellschaft groß. Weder die geladenen Gäste noch das Hochzeitspaar hatten von unserem Auftritt gewusst. Die Überraschung war gelungen. Wir wurden zum Fest eingeladen, und bei Havannazigarren und Champagner ließen wir es uns gut gehen. Als unsere wenige Mann starke Tanzkapelle aufspielte, verwandelte sich die vorher eher steife Party in ein zünftiges Tiroler Fest. Bei der Damenwahl fiel die Wahl der Eisprinzessin Marika Kilius auf Albert Schranz, den wir natürlich alle sehr um diese Ehre beneideten.
Mit der Musikkapelle St. Anton bei der Sattelkopf-Gipfelmesse mit Pater Fritz Tschol. Vordere Reihe v. I.: Jakob Mussak, Karl Gabl, Norbert Scalet, nach den drei Kindern Arnold Schranz
Über meine Bergtouren mit Harald Rofner und Walter Strolz wurde in St. Anton viel geredet, insbesondere weil Walter, manchmal auch ein bisschen Münchhausen, wortreich und humorvoll über unsere Abenteuer berichtete. So blieb es nicht aus, dass der Ortsstellenleiter der Bergrettung, der Gendarmeriebeamte Erich Genewein, uns im Jahr 1965 fragte, ob wir Mitglieder der Bergrettung werden wollten. Wir fühlten uns geehrt, in diesen illustren Kreis der Bergsteiger St. Antons aufgenommen zu werden.
Meinen ersten Rettungseinsatz hatte ich auf dem Wanderweg vom Galzig zur Ulmer Hütte. Eine deutsche Touristin hatte sich den Fuß gebrochen und musste, da es noch keine Rettungshubschrauber gab, mühsam mit einer schweren Einradtrage zur Bergstation der Galzigseilbahn transportiert werden.
Neben der Lawinenkatastrophe im März 1988 sind mir vor allem weitere Lawinenunfälle sowie einzelne andere Sucheinsätze in Erinnerung geblieben. Bei einem Lawinenunfall im Schöngraben unterhalb des Törlis hatte Walter Strolz als Einsatzleiter die weitere Suche nach der Bergung von zwei Toten abgebrochen, da die Bergretter massiv von Nachlawinen bedroht waren. Der Südhang über der Unfallstelle erstreckte sich über 700 Höhenmeter bis zur Bacherspitze hinauf. Nach den großen Neuschneemengen von etwa einem Meter musste mit weiteren Lawinen gerechnet werden. Etwa fünf Tage später war es dann so weit. Die Schneedecke hatte sich gesetzt und verfestigt. Die Lawinengefahr war geringer. Nochmals stiegen meine Bergrettungskameraden und ich mit Lawinenhunden zur Lawine in diesem engen Tobel hinauf. Es dauerte nicht lange, bis der Lawinenhund Rambo von Gilbert Hörschläger Witterung aufnahm. Nur wenig unter der Schneeoberfläche fanden wir das Snowboard eines vermissten Australiers. Bald danach kam ein Handschuh zum Vorschein und dann fand der Hund den Snowboarder selbst. Als sein Hinterkopf zum Vorschein kam, versuchte ich mit meinem Handschuh zu seinem Mund zu kommen. Ich erschrak. Vor seinem Mund konnte ich eine große elliptische, glasig vereiste Atemhöhle ertasten, die mindestens 20 Zentimeter Durchmesser hatte. Der Verunfallte dürfte noch viele Stunden unter der Lawine, wahrscheinlich bewusstlos, geatmet haben. Trotzdem war die Unterbrechung der Suche bei der großen Lawinengefahr fünf Tage vorher unbedingt notwendig gewesen. Es hätten dreißig Bergretter von St. Anton unter meterhohen Schneemassen begraben werden können. Ganz in der Nähe dieses Lawinenunfalles mit drei Toten haben wir Jahre später einen weiteren Toten im untersten Teil der Schöngrabenabfahrt geborgen.
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