Elisabeth Büchle - Winterleuchten am Liliensee

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Winterleuchten am Liliensee: краткое содержание, описание и аннотация

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Schwarzwald, 1965: Lisa hatte es nie leicht im Leben und wird von Selbstzweifeln geplagt. Als sie von der Försterfamilie Vogel an den reizvollen Liliensee eingeladen wird, hofft sie, dort zur Ruhe zu kommen und die Vergangenheit hinter sich lassen zu können.
Charlotte Vogel nutzt die Gunst der Stunde, um einen ihrer Söhne mit Lisa zu verkuppeln. Und tatsächlich: Lisa unternimmt eine Bergtour mit Charlottes ältestem Sohn Robert, doch schon bald schweben die beiden in Gefahr …
Eine spannend-romantische Geschichte, die aufzeigt, dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreiben kann.

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Elisabeth Büchle

Winterleuchten am Liliensee

Über die Autorin

Elisabeth Büchle hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Ihr Markenzeichen ist die fesselnde Mischung aus gründlich recherchiertem historischem Hintergrund, abwechslungsreicher Handlung und einem guten Schuss Romantik. Sie ist verheiratet, Mutter von

fünf Kindern und lebt im süddeutschen Raum.

www.elisabeth-buechle.de

Kapitel 1 1965 Charlotte Vogel betrachtete kritisch den Briefumschlag Er sah - фото 1

Kapitel 1

1965

Charlotte Vogel betrachtete kritisch den Briefumschlag. Er sah aus, als hätte er nicht nur den Weg von Füssen bis hierher an den Liliensee hinter sich, sondern eine halbe Weltreise. „Schicken sie die Post neuerdings über die Salomonen?“, fragte sie und prüfte mit einer Hand, ob ihre Hochsteckfrisur noch richtig saß.

„Nein, Mama. Nur über Liechtenstein“, erwiderte Robert, der sein Frühstück mit einem letzten Schluck Kaffee hinuntergespült hatte und sich nun erhob.

„Na, so was! Und weshalb das?“

„Ach, meine liebe kleine Mama!“ Ihr ältester Sohn lachte, zog sie im Vorbeigehen kurz an sich, wobei die Knöpfe seines Uniformhemdes ihr in die Seite drückten, und verließ die Küche.

Charlotte folgte ihm und lehnte sich an den Türrahmen. Wieder war sie viel zu gutgläubig gewesen, etwas, wofür ihr Ehemann sie seit dreißig Jahren liebte und ihre drei Söhne sie seit gut zwanzig neckten.

„Du weißt ja nicht einmal, wo die Salomonen liegen“, rief sie Robert zu. Er saß auf einer Holztruhe im Flur, wo sich eine gewaltige Anzahl Schuhe und Stiefel ein Stelldichein gaben, Jacken hingen, Hüte thronten und sechs Gewehre in der abschließbaren Vitrine auf ihre Nutzung warteten.

Robert, der einmal mehr auf die Krawatte verzichtet hatte, die eigentlich zu seiner Forstuniform dazugehörte, war dabei, sich seine schweren Arbeitsschuhe zuzuschnüren. Wie sein Vater und dessen Vater – und Generationen vor ihnen – arbeitete er als Förster in diesem Teil des Schwarzwaldes. Entsprechend muskulös war er gebaut, oft allein unterwegs und trotz seiner inzwischen neunundzwanzig Jahre noch immer nicht verheiratet. Und dabei wollte Charlotte so gern eine weitere Frau im Haus haben und viele Enkelkinder um sich scharen.

„Vermutlich sind die Salomonen auf Seite fünfundzwanzig in deinem Roman zu finden?“, mutmaßte Robert, ergriff seine grüne Jacke mit den geflochtenen Schulterstücken, lächelte sie an und stapfte durch die offen stehende Tür davon.

„Seite neun“, rief Charlotte ihm noch nach, obwohl er sie sicher nicht mehr hören konnte. Sie drehte sich in ihre große, hellblau geflieste Küche hinein und setzte sich auf die Eckbank an dem wuchtigen Esstisch.

Georg, ihr zweitältester Sohn, hatte bereits mehrmals angeboten, die Tischplatte für sie abzuschmirgeln, damit sie wieder wie neu aussah, doch Charlotte weigerte sich vehement, ihm die Erlaubnis dafür zu geben. Viel zu sehr liebte sie jede einzelne Kerbe, jedes Brandloch, jeden Farbklecks auf der Holzplatte, erzählten all diese Makel doch ihre eigene Geschichte. Sie waren für sie wie wertvolle Perlen der Erinnerung an die Anfangszeit ihrer Ehe, an die Kinder, die hier gegessen, für die Schule gelernt, gescherzt und gelacht, so manches Mal aber auch geweint hatten. Oder zornig gewesen waren.

Mit dem Zeigefinger fuhr sie über eine tiefe Kerbe. Robert hatte sie mit seiner Axt hineingetrieben. An jenem Tag, als er erfahren hatte, dass das Mädchen, das er liebte, nur mit seinen Gefühlen spielte. Irmgard war schwanger gewesen. Von einem anderen. Dennoch hatte Robert ihr angeboten, sie zu heiraten. Daraufhin hatte sie ihn schallend ausgelacht und dabei sein Herz in Fetzen gerissen.

Zwei Wochen später war Irmgard tot gewesen. Gestorben, weil irgendein Pfuscher das Baby hatte ungeschehen machen wollen. Und Robert hatte getrauert. Um Irmgard, um das tote Kind, um eine verlorene Liebe und den Verlust seines Vertrauens in die Menschheit.

Charlotte seufzte leise und griff nach dem unbenutzten Messer auf dem Tisch. Vermutlich hatte Georg es wie so oft eilig gehabt, zu seinem nächsten Bauprojekt zu kommen, sodass er lediglich ein trockenes Brot hinuntergeschlungen hatte. Vorsichtig ritzte sie den zerknitterten und mit Flecken verunzierten Umschlag auf und entnahm ihm ein weiteres Schreiben des Füssener Bürgermeisteramtes.

Vor einigen Wochen hatte sie von einer früheren Nachbarin einen Brief erhalten, in dem die alte Dame ihr mitteilte, dass Charlottes Kindheitsfreundin Gerda gestorben war. Nachdem der erste Schock über diese Nachricht verflogen war, hatte Charlotte voller Schmerz an Gerdas sechsjährige Tochter gedacht, deren Patentante sie war. Gerda und sie hatten seit Charlottes Umzug hierher in den Schwarzwald nur mehr sporadisch Kontakt gehalten, umso erfreuter war sie damals gewesen, dass ihre Freundin von einst offenbar doch noch ihr Glück gefunden hatte. Ebenso über die Einladung zur Tauffeier und die ihr zuteilwerdende Ehre, die Patentante des Kindes zu werden. Erst am Tauftag hatte sie erfahren, dass der Vater des Mädchens nicht mehr an Gerdas Seite war.

Gerda war schon immer wie ein schillernder Schmetterling gewesen, der von einer Blüte zur nächsten flatterte, ohne sich Gedanken über das Leben zu machen oder sich daran zu stören, was andere von ihm dachten. Nun flog und schillerte sie nicht mehr. Traurig schüttelte Charlotte den Kopf.

Kaum dass die Nachricht sie erreicht hatte, hatte Charlotte zuerst einen und dann etliche weitere Briefe an das zuständige Amt geschrieben, bis ihr endlich zugesagt worden war, dass man Trudi zu ihr schicken würde. Als Patentante, so fand sie, stand es ihr zu, das nun elternlose Kind bei sich aufzunehmen, zumal Gerda keine Geschwister gehabt hatte.

Erwartungsvoll überflog sie die Zeilen, und bald schon legte sich ein fröhliches Lächeln auf ihr Gesicht. Gerdas Tochter war unterwegs zu ihr und durfte hier bei ihnen im Forsthaus leben. Zwar unter Vorbehalt, falls sich doch ein Verwandter oder gar der Vater melden würde, aber das erschien Charlotte äußerst unwahrscheinlich.

Nun würde also doch noch ein Mädchen in dieses Haus einziehen. Voller Vorfreude betrachtete Charlotte den Esstisch, plante bereits, wo sie von nun an ein weiteres Gedeck auflegen würde, hörte schon das helle Lachen des Kindes in diesem Raum. Ein zweites Mal, diesmal weniger flüchtig, las sie die Zeilen und schrak zusammen. Trudi sollte bereits heute am Bahnhof von Schiltach eintreffen, und zwar in etwa zwei Stunden.

Charlotte sprang auf und stieß sich die Oberschenkel heftig am Tisch. Das schmutzige Geschirr klapperte und übertönte ihren verhaltenen Schmerzensschrei. Mit dem Briefbogen in der Hand eilte sie aus der Küche. Ihre Schritte polterten über den Holzboden des Flurs, klackerten über die Fliesen im Eingangsbereich und auf die abgenutzten Stufen, die sie zu dem gekiesten Innenhof führten.

„Robert?“, rief sie laut, in der Hoffnung, dass er noch in der Nähe war. Der gegenüberliegende Berg, der den Liliensee wie eine schützende Wand vom nächstgelegenen Tal abschirmte, warf den Ruf zurück.

Lisa Schwaiger sah zu wie der Zug an Geschwindigkeit gewann und stampfend - фото 2

Lisa Schwaiger sah zu, wie der Zug an Geschwindigkeit gewann und stampfend, ratternd und bekrönt mit einer grauen Rauchwolke allmählich aus ihrem Blickfeld verschwand. Als sie sich umwandte, war auch der Stationsbeamte verschwunden. Die Dreiundzwanzigjährige stellte ihren Koffer ab, strich sich eine ihrer hellblonden Strähnen aus dem Gesicht, die unter ihrem grauen Hut hervorgerutscht war, der wie eine Mütze wirkte, aber weit hinten am Kopf getragen wurde. Er passte farblich perfekt zu dem breiten, asymmetrischen Revers ihres ansonsten blauen Wollmantels.

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