Neugierige Menschenhaufen hielten sich hartnäckig auf den Brücken in Chobham und in Horsell auf. Leute kamen und gingen, aber die Menge blieb. Einige waghalsige Gesellen schlichen sich, wie man später hörte, in die Dunkelheit hinaus und krochen ganz nahe an die Marsleute heran; aber sie kehrten nie wieder zurück; denn von Zeit zu Zeit folgte ein Lichtstrahl wie der Scheinwerfer eines Kriegsschiffes über die Weide, und der Hitzestrahl folgte unmittelbar darauf. Von diesen Unterbrechungen abgesehen, schien jene große Fläche Weidelandes schweigend und verlassen; und die verkohlten Leichen lagen die ganze Nacht unter den Sternen auf der Erde und blieben dort den ganzen nächsten Tag. Ein Geräusch von der Grube her, das wie Hämmern klang, wurde von vielen Leuten gehört.
Das war der Stand der Dinge Freitag nachts. Im Mittelpunkt stak in der Rinde unseres alten Planeten wie ein vergifteter Wurfspeer, der Zylinder. Doch das Gift war kaum noch wirksam. Rund umher lag ein Stück schweigenden Weidelandes, das an einigen Stellen glimmte, und hier und dort lagen einige dunkle undeutliche Körper in verzerrten Stellungen. Ab und zu brannte ein Strauch, ein Baum. Darüber hinaus ein Flackern von Erregung, aber über dieses Flackern war der Brand nicht hinausgewachsen. In der übrigen Welt floss der Strom des Lebens hin, wie er seit undenklichen Jahren hingeflossen war. Das Fieber des Krieges, das in kurzer Zeit Adern und Venen gerinnen lässt, Nerven ertöten und das Gehirn zerstören sollte, musste erst entstehen.
Die ganze Nacht hindurch hämmerten die Marsleute und waren unablässig, schlaflos, unermüdlich, mit den Maschinen, die sie instand setzten, beschäftigt. Immer wieder fuhr eine Masse grünlich-weißen Rauches zum sternenhellen Himmel auf.
Ungefähr um elf Uhr kam ein Zug Soldaten durch Horsell und verteilte sich am Rande der Weide, um einen Kordon zu bilden. Später marschierte ein zweiter Zug durch Chobham, um sich auf der Nordseite zu verteilen. Einige Offiziere von der Inkerman-Kaserne waren schon am frühen Morgen bei der Weide angekommen, und einer, Major Eden, wurde als vermisst gemeldet. Der Oberst des Regiments kam um Mitternacht zur Chobham-Brücke und fragte die Menge eifrig aus. Die militärischen Behörden waren sich des Ernstes der Dinge ohne Zweifel völlig bewusst. Am nächsten Morgen waren die Zeitungen in der Lage mitzuteilen, dass um elf Uhr eine Schwadron Husaren, zwei Maxim-Geschütze, 1und etwa 400 Mann des Cardigan-Regiments von Aldershot abgingen.
Einige Sekunden nach Mitternacht sah die Menge in der Chertsey-Straße in Woking einen Stern in nordwestlicher Richtung in das Fichtengehölz einfallen. Er fiel unter grünlichen Lichterscheinungen und verursachte ein Zucken von Licht wie ein sommerlicher Blitz. Das war der zweite Zylinder.
1 siehe Maxim-Maschinengewehr <<<
Der Samstag lebt in meiner Erinnerung als ein Tag banger Erwartung. Er war auch ein Tag der Mattigkeit, heiß, und schwül; wie man mir mitteilte, wechselte das Barometer unaufhörlich. Meiner Frau war es gegönnt, bald einzuschlafen; ich hatte nur wenig Schlaf gefunden und stand früh auf. Vor dem Frühstück ging ich in den Garten und blieb dort lauschend stehen. Aber in der Richtung gegen die Weide regte sich nichts als eine Lerche.
Der Milchmann kam wie gewöhnlich. Ich hörte das Rasseln seines Karrens und ging ums Haus herum zum Seitenpförtchen, um von ihm die letzten Neuigkeiten zu erfahren. Er erzählte mir, dass im Laufe der Nacht die Marsleute von den Truppen umzingelt wurden und dass man Geschütz erwarte. Ich hörte (ein vertrautes, beruhigendes Geräusch!) einen Zug Richtung Woking zu fahren.
»Man will sie nicht töten«, sagte der Milchmann, »wenn es nur irgendwie vermieden werden kann.«
Ich sah einen Nachbar in seinem Garten arbeiten, plauderte eine Weile mit ihm und schleuderte gemächlich ins Haus zurück, um zu frühstücken. Es war durchaus kein ungewöhnlicher Morgen. Mein Nachbar war der Ansicht, dass es den Truppen gelingen würde, die Marsleute während des Tages entweder gefangen zu nehmen oder zu vernichten.
»Es ist wirklich schade, dass sie sich so unnahbar machen«, sagte er. »Es wäre doch interessant zu hören, wie man auf einem anderen Planeten lebt; und wir könnten das eine oder das andere von ihnen erfahren.«
Er kam an den Zaun heran und hielt mir eine Handvoll Erdbeeren hin; denn seine Liebe zur Gärtnerei war ebenso freigebig wie leidenschaftlich. Zugleich teilte er mir mit, dass das Fichtengehölz bei den Byfleet Golf links in Flammen stehe.
»Sie sagen«, erzählte er, »dass dort ein anderes dieser lieben Dinge eingefallen sei — Nummer zwei. Aber eins ist wirklich genug. Diese Bescherung wird den Versicherungsleuten ein hübsches Stück Geld kosten, ehe der Rummel zu Ende ist.« Er lachte mit der Miene eines überaus gut gelaunten Mannes, als er das sagte. Das Gehölz, fuhr er fort, brenne noch immer, und er wies mit der Hand nach einer nebelgleichen Rauchmenge. »Sie werden es noch tagelang heiß unter den Füßen spüren wegen des erhitzten Bodens, den eine dichte Schicht glühender Fichtennadeln bedecken wird.« Dann wurde er ernst und sprach von dem armen Ogilvy.
Nach dem Frühstück entschloss ich mich, statt zu arbeiten, einen Gang zur Weide zu machen. Unter der Eisenbahnbrücke traf ich eine Gruppe von Soldaten — Pioniere, wie ich glaube, Leute mit kleinen runden Mützen, schmutzigen offenen roten Jacken, die ihre blauen Hemden sehen ließen, in dunklen Hosen und Stiefeln, die bis zur Wade reichten. Sie sagten mir, dass niemand über den Kanal dürfe; und als ich meinen Blick die Straße entlang auf die Brücke richtete, sah ich dort einen Mann des Cardigan-Regiments Wache stehen. Mit diesen Soldaten sprach ich eine Zeit lang; ich erzählte ihnen von meiner Begegnung mit den Marsleuten am vorigen Abend. Keiner von ihnen hatte die Marsleute gesehen, und sie machten sich nur ganz unklare Vorstellungen von ihnen. So kam es, dass sie mich mit Fragen bestürmten. Sie erzählten mir, dass sie nicht wussten, wer das Eingreifen der Truppen veranlasst hätte; sie vermuteten, dass bei der berittenen Garde eine Auseinandersetzung stattgefunden habe. Der gewöhnliche Pionier ist bei Weitem gebildeter als der gemeine Soldat, und sie besprachen die sonderbaren Bedingungen des voraussichtlichen Kampfes mit ziemlich viel Scharfsinn. Ich schilderte ihnen den Hitzestrahl, und sie fingen nun an, sich untereinander darüber auszusprechen.
»Sich unter Bedeckung herankriechen und dann auf sie losstürzen, sage ich«, meinte einer.
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