»Wir sind da.« Anja öffnete die Tür.
»Nach dir.« Steve bedeutete ihr mit einer Geste, zuerst durch die Tür zu gehen.
»Nein, das Gespräch ist nur für dich.«
Also sah er erst vorsichtig in den Raum, trat aber dann gleich ein.

»Paul Charles William Davies, Astrophysiker. Er beschäftigt sich neben der Kosmologie und Quantenfeldtheorie auch mit Astrobiologie, SETI und Fragen des Ursprungs des Lebens. Seine Forschungsgebiete waren Themen seiner zahlreichen, allgemein verständlich gehaltenen Bücher, in denen er auch weltanschauliche und religiöse Fragen anspricht.«
Ein Zwischenruf unterbrach den Vortrag des Gelehrten. Ein junger Mann mit ebenso großen Augen wie Balvi erhob sich. »Was ist SETI?«
Gleich nach seiner Frage setzte er sich, und ein leises Klatschen ging durch den Saal, der mit etwa tausend Studenten gut gefüllt war.
Der Gelehrte sah sich um. »Verzeiht, meine Lieben. Ich ging davon aus, dass ihr schon so weit seid. SETI ist eine Abkürzung für ›Search for Extra terrestrial Intelligence‹. Ein Institut, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Spezies wie uns zu finden.«
Ein leichtes Gelächter ging durch den Saal.
»Doch zurück zu Davies, er ist nah dran, könnte man sagen. Er sagt, die Aliens haben auf der Erde schon vor Millionen von Jahren eine Botschaft hinterlassen.«
Dann öffnete sich eine Tür im Saal. Licht strömte herein. Als der Gelehrte Ganda Balvi erblickte, war er traurig und neigte den Kopf. Dennoch fuhr er fort: »In unserem Erbgut. Aminosäure, Cyanin, Proteine, diese Bausteine sind in Millionen Jahre alten Meteoriten und – dieselben Bausteine sind in unserer DNA. Das Genom, also das Erbgut des Menschen hat viele verschlossene Türen, die nicht entschlüsselt sind.«

Steve stand in einem sehr hellen, fast komplett in Weiß gehaltenen Besprechungsraum, in dem Nikolas mit einem älteren, gut gekleideten, weißhaarigen Mann wartete. Er musste so um die siebzig Jahre alt sein. Freundlich stand er auf und grüßte Steve.
»Ah, da bist du ja. Schön, dich persönlich kennenzulernen.« Der ältere Herr ging auf Steve zu, um ihm die Hand zu geben. Obwohl der Mann fremd für Steve war und eher wie ein Vorstandsmitglied oder Chefarzt wirkte, duzte er ihn auf Anhieb, was eine gewisse Vertrautheit schuf.
»Hallo? Und wer …«
»Das ist David Braun«, stelle Nikolas vor. »Er ist im Vorstand unseres Instituts. Ich habe ihm von dir erzählt.«
Braun schüttelte Steve die Hand, bevor er sich Nikolas zuwandte. »Und er weiß nichts von seiner wirklichen Heimat?«
»Nein, und das hat sich auch bis jetzt nicht geändert. Ich schlage vor, etwas behutsamer vorzugehen. Wir wissen noch nicht mit Sicherheit, ob er einer von uns ist.« Nikolas wählte diese Worte mit Bedacht, da er seinen Chef nicht verärgern wollte.
»Mein lieber Steven …«, begann Braun, der immer noch Steves Hand hielt, was ihm nicht so recht war.
»Ich heiße Steve, nicht Steven«, korrigierte er. »Aber was meint ihr mit Heimat? Könnt ihr mir nicht mal erklären, was los ist? Warum mache ich hier so viele Versuche und Tests?«
»Immer der Reihe nach.« Nikolas klopfte Steve im Vorbeigehen auf die Schulter. »Du bekommst doch gerade deine Antwort.«
»Mein lieber Steve.« Bei diesen Worten wirke Braun ein wenig aufgeregt. »Es ist auch nicht alltäglich für uns, einen aus unserer Welt zu finden. Aber setzen wir uns doch.«
Nikolas ging Richtung Tür. »Ich bin im Labor.« Dann verließ er den Raum. Durch die offene Tür konnte Steve Anja erkennen. Sie stand noch davor.
David Braun saß derweil da und grinste Steve an.
»Ich höre?«, meinte Steve, der nun hoffte, mehr zu erfahren.
David tippelte mit seinen Fingerkuppen auf dem Tisch herum, sah Steve an, als erwartete er etwas. Vielleicht wollte er auch einfach die Spannung erhöhen. Schließlich sagte er: »Wir sind Bellatrixianer. So zumindest würden wir hier vermutlich genannt werden, wüsste man von unserer Existenz.«
Steve sah David mit großen Augen an. Er war also doch auf einen Haufen Verrückter getroffen. Oder doch nicht? Oder spielte ihm hier jemand einen Streich? Er antwortete vorsichtig und langsam: »Okay.«
David fuhr fort. »Ja. Bellatrix aus dem Sternbild des Orion. Etwa 250 Lichtjahre von hier.«
»Alles klar, wo ist die Kamera?« Steve sprang auf. »Ich denke nicht, dass ich mir diesen Unsinn länger anhören muss.«
»Steve, Steve!« David stand auf, hob beschwichtigend die Hand. »Du solltest mir glauben. Und dein Wissen über die Welt, die du bisher kanntest – vergiss es. Du musst in dich sehen.«
Braun setzte sich wieder und bat Steve, das auch zu tun. Er grinste auch nicht mehr. Nun wirkte er besorgt. Ein zweites Mal bat er Steve, sich wieder zu setzen. Steve verdrehte kurz die Augen, tat, wie ihm befohlen. Ehrlich wie Steve eben war, machte er noch eine Bemerkung. »Sei mir nicht böse. In der Welt, in der ich lebe, stehen wir auf Fakten. Würde ich einem Kollegen erzählen, dass ich mit Außerirdischen gesprochen habe, würde er mich für verrückt halten.«
»Ich verstehe dich sehr gut. Schließlich lebe ich in deiner Welt. Aber bitte, gib mir die Chance, mehr darüber zu erzählen.« David Braun nahm Steves Hand und sah ihn bittend an. Steve willigte nickend ein, auch wenn er lieber gegangen wäre.
»Unsere Existenz hat vor etwa zwölf Millionen Jahren eurer Zeitrechnung begonnen. Damit meine ich, dass wir vor zwölf Millionen Jahren schon so weit waren, wie die Erde heute ist. Allerdings durchqueren unsere Vorfahren erst seit einigen Tausend Jahren die Galaxien. Das hatte Gründe, die ich dir später erkläre.«
Steve lehnte sich zurück und blickte an die Wand des Besprechungszimmers. Im Inneren fragte er sich, warum er sich das alles tatsächlich anhörte, während David weitererzählte.
»Vor zehn Millionen Jahren hat ein großer Krieg unser Volk auf Eskuathea gespalten. Unser Volk suchte Wege, den Planeten zu verlassen. Daher schossen sie damals unsere DNA, also die sogenannten Nukleotide Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin und so weiter mit unseren personifizierten Daten ins All – gezielt auf Planeten, die bereits begonnen hatten, sich zu entwickeln.«
Steve hörte zwar nur mit einem Ohr zu, dennoch kombinierte er das, was er hörte, und stellte eine Gegenfrage. »Wie sollte das bei einem Krieg helfen? Die Menschen im Krieg sind immer noch im Krieg. Um einen Planeten zu verlassen, muss man wegfliegen, oder nicht?«
»Nein, so ganz stimmt das nicht. Wir wussten damals schon, dass es eine Verknüpfung gibt. Nicht nur zur eigenen DNA, sondern zu jedem einzelnen Atom und den darin enthaltenen Quarks.«
»Quarks?«
»Das sind die Teilchen in den Protonen und Neutronen. Und in diesen Teilchen sind alle Informationen und Befehle gespeichert.« Er musste Steves verwirrten Blick bemerkt haben, denn er stockte. »Du weißt, was ein Atom ist, und kennst dich ein wenig mit den Elementen aus?«
»Schulwissen«, sagt Steve entschuldigend.
»Fragst du dich nicht manchmal, warum alles so ist, wie es ist?«
»Macht das nicht jeder irgendwann?« Steve hatte inzwischen die kahlen Wände des Raumes angesehen und beschlossen, sich wieder auf David Braun zu konzentrieren.
»Ja, vermutlich. Ich gebe dir ein Beispiel. Alle Welt ist so erpicht darauf, Gold zu haben. Das ist die Währung Nummer eins auf der Erde. Dabei ist es leicht herzustellen. Entnimmt man dem Quecksilberatom ein Proton oder fügt man Platin eines hinzu, so entsteht Gold. Supersimpel, oder?« Braun lehnte sich zurück und wippte auf dem Konferenzstuhl. »Und das nur, weil diese Befehle und Wandlungsenergien gespeichert sind. In jedem Atom sind alle Elemente gespeichert. Und dazu bleiben die Informationen über benachbarte Atome gespeichert. Sollten sich diese Atome trennen, bleiben sie dennoch immer in Kontakt miteinander.«
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