Der Markt sieht sich mit vielen Innovationen konfrontiert und steht damit auch vor großen Herausforderungen – sei es die Digitalisierung, sei es die Agilität oder auch die Nachhaltigkeit. Diese Themen, die die Unternehmenskultur prägen und in Zukunft weiterhin stark prägen werden, stehen allerdings oft im Spannungsfeld regulatorischer Anforderungen.
Positiv formuliert bedeutet dies allerdings auch, dass sich Chancen auftun, dass neue Möglichkeiten für Produkte, Dienstleistungen und Kunden entstehen oder entstehen können. Innovationen und auch Regularien sind als Chancen zu sehen. (Ver-)Änderungen, welcher Art auch immer, sollten nicht nur als Bedrohungen oder Einschränkungen wahrgenommen werden.
Eine positive Formulierung und Erklärung des Begriffes „Change“ stammt von Alvin Toffler: „ Change is the process by which the future invades our lives. “ [1]Er beschreibt damit meines Erachtens sehr schön die Notwendigkeit von Änderungen, um nicht in der Vergangenheit oder Gegenwart stehen zu bleiben.
Bei Chancen, die sich ergeben und immer ergeben sollten, dürfen allerdings die Risiken, die damit wie bei jedem Geschäft verbunden sind, nicht ignoriert und durch Euphorie verdrängt werden. Das Risikobewusstsein muss regelmäßig geschärft werden. „Problemfälle“ der Vergangenheit zeigen diese Notwendigkeit sehr deutlich, und aus der Vergangenheit kann man einiges lernen.
Auch wenn Technologien und Globalisierung Märkte ändern, gewisse Pattern bleiben unverändert und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, bspw. bei Betrugs- und Geldwäschefällen oder auch bei allgemeinen Risiken, wie mangelnde Transparenz und unzureichende Kontrollmechanismen.
Notwendige Änderungen jeglicher Art müssen jederzeit nicht nur rechtzeitig erkannt, kritisch und aufmerksam bearbeitet und v.a. strategisch gemanagt, sondern auch adäquat – intern und extern – kommuniziert werden, um alle Stakeholder zeitnahe einzubinden, sie zu sensibilisieren und sie keineswegs außen vor zu lassen, denn nur so entwickeln die einzelnen Mitarbeitern ein Vertrauen in die Bewältigung der neuen Herausforderungen.
Mitarbeiter stellen zwar das wichtigste Asset eines jeden Unternehmens dar, sie können aber auch ein hoher Risikofaktor sein (operationelles Risiko), wenn sie nicht adäquat ausgebildet und eingebunden sind.
Kommunikation ist eine klare Top-down-Anforderung, ebenso wie die Notwendigkeit, mit adäquaten und maßgeschneiderten Fort- und Ausbildungen die Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter auf jedem Level im Unternehmen zu ermöglichen und zu garantieren. Damit werden die Voraussetzungen für sorgfältiges Handeln geschaffen, insbesondere für ein unternehmerisches, langfristiges und nachhaltiges Handeln sowie das gewünschte Wachstum.
„ The new wolves in sheep’s clothing “ und „ They’ll say it’s governance when really it is strategy [...] “, [2]darüber lohnt es sich, nachzudenken. Dies gilt auch für die Aussage von Patrick Sarch, Partner bei der Anwaltskanzlei White & Case: „ […] sometimes a governance-related campaign is not what it seems. […] activists can agitate for a change in strategy behind the scenes but if they don’t win, their public focus may be governance. “ [3]
2 Chancen und Risiken als strategische Dimensionen
Der Finanzsektor, und damit ist die Welt der Börsen, Banken und Fondsmanager sowie der Versicherungen gemeint, ist davon geprägt, dass er stets mit einer Fülle von angeblich neuen Regelwerken konfrontiert wird. Dies ist i.d.R. v.a. dann gehäuft der Fall, wenn es wieder einmal nötig erscheint, eine vorhergegangene Krise, welcher Art auch immer – sei es das Dot.com-Sterben, sei es die Asienkrise oder die Ölkrise oder die „letzte“ Finanzmarktkrise 2007/2008 – zu managen und Maßnahmen zu setzen, um eine weitere Krise zu unterbinden.
Seit 2006 beschäftigen sich Experten u.a. im Rahmen des World Economic Forums mit dem Thema Risiko und veröffentlichen den Global Risks Report, [4]der einerseits die Breite der Risikopotenziale, die international gesehen werden, zeigt, andererseits auch darlegt, dass alle Branchen und Sektoren weltweit davon betroffen sein können.
Gerade in Europa lassen sich in den letzten Jahren auch einschneidende Änderungen auf der aufsichtsrechtlichen Ebene erkennen. Durch die neue Finanzmarktaufsichtsstruktur der Europäischen Union (EU) haben EU-Behörden, u.a. die European Banking Authority (EBA) und die European Securities and Markets Authority (ESMA), aber insbesondere auch die Europäische Zentralbank (EZB), an Einfluss auf den nationalen Märkten gewonnen und der Fokus wurde verstärkt auf die Risikobetrachtung gelegt, sei es im Hinblick auf das Kredit-, Markt- oder Liquidationsrisiko, sei es auf das operationelle Risiko und das Reputationsrisiko.
2.1 Regularien und Sanktionen
Im Zusammenhang mit Regularien gibt es unzählige spannende Themen, die hier jedoch nicht alle behandelt werden konnten. Es wurden daher einzelne Themenblöcke herausgegriffen, die nicht nur für den Finanzsektor, sondern auch für andere Branchen von Bedeutung sind.
Das Thema der Auslagerung, [5]auch unter dem englischen Begriff „Outsourcing“ bekannt, ist per se ein Vehikel, mit dem die Wirtschaft schon sehr lange lebt – denken wir nur an das IT-Outsourcing von amerikanischen Großbanken an indische Unternehmen in den 1980er Jahren oder die Call Center verschiedenster Branchen, die in den unterschiedlichen Billiglohnländern angesiedelt wurden. [6]
Am Finanzsektor wurde es in den boomenden Kapitalmarktjahren und im Zuge der wachsenden Fondsbranche in Europa u.a. auch üblich, [7]das Fondsmanagement teilweise oder zur Gänze auszulagern, sei es in Länder mit Steuervorteilen oder an ferne Finanzplätze, die über Experten für die jeweiligen Fremdwährungen oder speziellen Finanzprodukte verfügten, v.a. Derivate wurden so bspw. nach Hongkong ausgelagert.
Diese Auslagerungen stellten sich anfangs meist als sehr positiv und ertragreich dar, dabei wurde aber oftmals der alte Grundsatz der Erfüllungsgehilfenhaftung außer Acht gelassen, der besagt, dass man auch für einen Dritten, den man beauftragte, und seine Fehler gerade zu stehen und zu haften hat wie für seine eigenen. Der Grundsatz rückte erst dann wieder ins Bewusstsein und wurde leider oftmals auch schlagend, als Probleme mit den Aufsichtsbehörden auftauchten, sich Problemfälle häuften und sich u.a. europäische Fondsgesellschaften für die Auswahl der ausgelagerten Partner rechtfertigen und allfällige Verluste tragen mussten.
Es ist unbestritten, dass Problemfälle auch Einfluss auf die Regularien hatten. Die Aufsichtsbehörden nahmen sich verstärkt dieses Themas an, um die Stabilität und Sicherheit am Markt zu gewährleisten.
Von Seiten der EBA gab es auch immer wieder Vorgaben [8]– vgl. dazu die jüngsten, [9]die im September 2019 in Kraft getreten sind –, die sich v.a. auf Auslagerungen an IT- und Cloud-Dienstleister beziehen, und die international anerkannte Informationsstandards und Regelungen für den Worst Case definiert haben. Gerade in den IT- und auch Cloud-Bereichen ist das Risiko sehr groß, dass u.U. gesetzliche Vorgaben nicht eingehalten oder erfüllt werden können – ein Risiko, das große Anforderungen an das Auslagerungsmanagement eines jeden Unternehmens stellt.
Dieses Risiko ist bei der Auswahl der Partner als strategischer Aspekt sehr wohl zu berücksichtigen, da hier der Kosten-Nutzen-Faktor v.a. auch auf das operationelle Risiko und die damit verbundenen Kosten abzustellen hat.
Das Thema „Sanktionen“ ist ebenfalls in aller Munde und erhitzt i.d.R. die Gemüter.
Manche sagen, Handel sei ein anderes Wort für Macht oder: „Handel ist Macht. Handel ist Krieg. Der Handel braucht Regeln und Sanktionen gegen jeden, der gegen die Regeln verstößt.“ [10]Nicht nur der internationale Finanzsektor, sondern der gesamte Welthandel ist gefordert, die OFAC-Sanktionen (Office of Foreign Assets Control) bei allen Geschäftstätigkeiten zu berücksichtigen.
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