»Ein Dahergelaufener ...«, brummte Spanheim. »Ich sage Euch eins, Herr Gerichtsvogt: Dem Ordensmeister würde es am besten passen, wenn Clingenstains Mörder keiner wäre, der ... hmmm ... sagen wir, der Stadt eng verbunden ist, ein ehrenwerter und wohlhabender Mann, Ihr versteht schon. Einen solchen Streit zwischen der Stadt und dem Orden kann niemand brauchen, weder ich hier auf dem Domberg noch die Ratsherren in der Unterstadt. Bestimmt war es ein gewöhnlicher Landstreicher oder Dieb, solche tauchen doch immer wieder im Hafen und der Stadt auf. Ein Fremder. Nehmt ihn fest, leiht uns Euren Henker und bringen wir diese Sache rasch zu Ende, so wie wir bisher alle solche Angelegenheiten zwischen der Stadt und dem Domberg zu Ende gebracht haben.«
»So soll es sein und helfe uns der heilige Viktor dabei!«, stimmte Dorn sofort zu.
Sie hatten den Saal schon fast verlassen, da fiel Melchior noch etwas ein. Er verbeugte sich:
»Wenn der Komtur noch eine Frage erlaubt – mir ist etwas zu Ohren gekommen, dass dem seligen Clingenstain eine Münze in den Mund gesteckt worden war ...«
Spanheim zog die Augenbrauen hoch.
»Woher hast denn du das gehört?«
»Das sagte der Ordensdiener, der mich heute morgen aufgesucht hatte. Ich habe dann auch Melchior gegenüber ein Wörtchen verlauten lassen«, bemerkte Dorn.
»Diese verfluchten Schwatzmäuler! Nun fehlt nur noch, dass sie die Nachricht auf dem Markt verkünden! Ja, Jochen fand eine Münze im Munde seines Herren, als er den Kopf vom Haken abnahm ... Dieser Mörder ist ein Leichenschänder, ein Gottesverächter! Er hatte Clingenstains Kopf an der Wand aufgespießt und ihm eine Münze in den Mund gestopft. Als Jochen den Kopf fand, fiel die Münze heraus. Und ich hatte den Dienern noch eingeschärft, das nicht auszuplappern. Die Stadt braucht nicht zu wissen, wie der Leichnam eines so tapferen Kriegers geschändet wurde.«
»Der Komtur hat die Münze nicht zufällig beiseite gelegt?«, erkundigte sich Melchior.
Der Komtur ging zurück ans Schreibpult und nahm eine Münze aus der Truhe.
»Das ist eine gotländische Münze, ein gotländischer alter Örtug«, stellte Melchior erstaunt fest. »Die sieht man in Reval äußerst selten.« Er überlegte einen Moment und fügte hinzu: »Wenn der Komtur mir eine weitere Bemerkung erlaubt – so verhält sich kein gewöhnlicher Räuber, dass er jemanden umbringt und dann bei der Leiche Geld hinterlässt. Normalerweise erleichtern Räuber und Diebe ihre Opfer um Geld, unser Mörder hat sein Opfer jedoch bereichert. Ist Clingenstain denn irgendetwas Wertvolles gestohlen worden? Was ist zum Beispiel aus der goldenen Kette geworden, die er Casendorpe abgekauft hatte?«
»Bin ich etwa sein Schatzmeister?«, schnauzte der Komtur als Antwort. »Ich weiß nur, dass er hier mit der Kette prahlte, als Casendorpe sie ihm brachte, er trug sie den halben Tag lang um den Hals und sagte, er habe sie in seine Bleibe gebracht, bevor er zur Beichte ging. Ich nehme an, dort liegt sie nun in einer gut verschlossenen Truhe. Oder nein – jetzt fällt es mir wieder ein! Er wollte die Kette auf sein Schiff bringen lassen.«
»Das Geschenk für den Ordensmeister ist also auf dem Schiff, an einem sicheren Platz und hinter Schloss und Riegel?«
»Zum Teufel, Melchior, sicherlich. Du denkst doch nicht etwa, dass der Mörder ...« Der Komtur verstummte. »Nein, woher konnte der Mörder denn wissen, dass Clingenstain eine solche Kette bei sich hat, nein. Ich bin sicher, er hat die Kette auf sein Schiff bringen lassen«, brummte er dann.
»So können wir also beruhigt sein, dass das Geschenk an einem sicheren Ort ist. Es tut gut zu hören, dass der Komtur dies bestätigt«, meinte Melchior.
»Ich werde Jochen dazu befragen. Ja, das tue ich ganz bestimmt«, versprach der Komtur. »Nun aber, Herr Gerichtsvogt, ist meine Zeit zu Ende. Die Domherren warten auf mich. Ich wiederhole noch einmal – ich möchte, dass die Stadt den Mörder möglichst schnell festnimmt, und wenn der Mörder ein nutzloser Herumtreiber wäre, passte es am besten, so dass die guten Beziehungen zwischen der Stadt und dem Orden nicht unter der Sache leiden.«
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