Louvois machte Anstalten zu protestieren, aber Akaar gab ihr keine Gelegenheit dazu. »Ich will nur sagen, dass sich nicht jeder, der an Zifes Amtsenthebung beteiligt war, im gleichen Maß schuldig gemacht hat. Trotz aller Dringlichkeit, Gerechtigkeit walten zu lassen … Wir müssen dafür sorgen, dass die Strafe dem Vergehen angemessen ist.«
Louvois nickte, unterbrach ihre rastlose Wanderung und starrte ins Nichts. »Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, Leonard. Aber wir können diese Abstufungen nicht vornehmen, wenn wir nicht die nötige Vorarbeit leisten. Wir müssen unermüdlich nach der Wahrheit suchen. Wir müssen jedes juristische Mittel nutzen, das uns zur Verfügung steht, mit dem vorhandenen Licht jede dunkle Ecke ausleuchten, damit niemand sich darin verbergen kann. Bis hin zur letzten traurigen, bitteren Tatsache muss alles auf den Tisch kommen, weithin sichtbar für das ganze Universum … Oder wir werden für immer befürchten, dass sich so etwas wiederholen könnte.«
Sie wandte sich zu Akaar um. »Der Föderationsrat hat mir diese Aufgabe übertragen, aber ohne Ihre Hilfe werde ich daran scheitern. Kann ich auf Sie zählen, Leonard? Kann ich darauf vertrauen, dass Sie objektiv an die Sache herangehen? Es ist eine schwere Last, das weiß ich wohl, aber sie muss geschultert werden. Sind Sie willens, der Wahrheit zuliebe Ihre persönlichen Befindlichkeiten und Loyalitäten außen vor zu lassen, koste es, was es wolle?«
Der Admiral erhob sich und kam zu ihr herüber. Er streckte ihr seine Hand entgegen. »Sie können sich voll auf mich verlassen, Phillipa. Packen wir’s an.«
T’Ryssa Chen lächelte bereits, während noch das flirrende Licht des Transporterstrahls um sie herum erlosch.
Die Umgebung, in der sie materialisierten, war in Dunkelheit getaucht, das einzige Licht schien von den Leuchten an den Raumanzügen auszugehen. Dann entdeckte Chen hier und da ein schwaches Glimmen, Gruppierungen kleiner bunter Punkte, die auf Arbeitsstationen und verschiedenartigen Geräten glühten. Sie drehte sich einmal im Kreis und ließ die Lichtstrahlen ihrer Anzugleuchten durch den Raum wandern. Sie strichen über die anderen Mitglieder des Außenteams und über Konsolen, die sich an den Wänden aufreihten. Wozu waren sie da? Welche Bordsysteme überwachten sie? Über die Decke zogen sich Leitungen, ja, offenbar sogar Lüftungskanäle. Eine große dunkle Kugel hing in der Mitte des Raumes über ihren Köpfen. Sie hatte mehr als ein Dutzend Löcher, in die vielleicht Lampen eingesetzt waren.
Du bist seit zehn Sekunden hier und schon total überreizt .
»Ich kann sehen, dass Sie wie ein Honigkuchenpferd grinsen, Lieutenant Chen« , sagte Dina Elfiki. Ihre Stimme drang gedämpft aus dem Lautsprecher in Chens Helm. »Ihre Zähne reflektieren die Helmbeleuchtung!«
»Kann ich was dafür, dass ich so begeisterungsfähig bin?« Sie konnte spüren, wie ihr Lächeln noch in die Breite wuchs, während sie sich weiter umsah. Zusammen mit Elfiki, Worf, Lieutenant Commander Taurik und Lieutenant Rennan Konya gehörte sie zum ersten Außenteam, das das fremde Schiffswrack besuchte!
Seit sie auf der Enterprise als Kontaktspezialistin diente, hatte sie an etlichen Außenmissionen teilgenommen und war bei vielen ersten Treffen mit Angehörigen neu entdeckter Zivilisationen dabei gewesen. Aber egal wie oft sie schon Mitglied eines Außenteams gewesen war – wenn es wieder losging, gab ihr das jedes Mal einen Kick. Immerhin war sie deswegen der Sternenflotte beigetreten! Da sie auf der Enterprise stationiert war, bekam sie häufig Gelegenheit, solche Einsätze mitzumachen. Als Kadettin an der Sternenflottenakademie hatte sie Sach- und frei zugängliche Logbücher verschlungen, in denen Missionen von Schiffen wie der Enterprise beschrieben wurden – Missionen, die die Erforschung des Weltraums vorangebracht hatten. Dass sie nun zur Besatzung eines solchen Raumschiffs gehörte, dass sie an jenem Wunder teilhaben durfte, für das sie nur die einfachsten Worte fand (»das Wunder, nachsehen zu können, was da draußen ist«), würde nie aufhören, sie in Entzücken zu versetzen.
»Außenteam an Enterprise « , sagte Worf. Er war ein paar Schritte vorausgegangen, sodass die Arbeitsleuchten seines Raumanzugs nun den Bereich vor ihnen erhellten. »Wir sind ohne Zwischenfälle angekommen.«
»Die Sensoren haben nach dem Transport weder eine Veränderung des Kurses noch des Verteidigungsstatus festgestellt« , sagte Captain Picard. Seine Stimme hörte sich leise und sehr weit entfernt an.
»Wie die Scans vermuten ließen, gibt es im Schiff keine künstliche Atmosphäre und keine Schwerkraft. Die Lichter sind nach wie vor deaktiviert. Unsere Ankunft scheint keine Reaktion hervorgerufen zu haben.«
Trotz ihrer gespannten Erwartung hatte Chen, wie alle anderen auch, während des Beamvorgangs den Atem angehalten und halb damit gerechnet, dass irgendein automatisiertes Abwehrsystem anspringen würde, noch bevor sie gänzlich Gestalt angenommen hatte. Glücklicherweise war nichts dergleichen geschehen. Zumindest bis jetzt noch nicht.
»Halten Sie uns auf dem Laufenden, Nummer eins« , sagte der Captain durch die Helmlautsprecher. »Picard Ende.«
Die Mitglieder des Außenteams richteten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit wieder auf ihre Umgebung. Elfiki hatte bereits ihren Trikorder gezückt und bewegte sich damit durch den Raum. »Wie unsere Scans vermuten ließen, scheint dies eine Art zentralisierter Arbeitsbereich in Vordersektion Nummer eins zu sein, Commander« , berichtete sie.
Bevor das Außenteam aufgebrochen war, war das Schiff in Bereiche aufgeteilt worden, um es Worf und seinem Team leichter zu machen, sich darin zurechtzufinden. »Vordersektion Nummer eins« oder »VS-1« war die Bezeichnung für den untersten Fortsatz, die beiden anderen, die jeweils im Neunzig-Grad-Winkel zu VS-1 hervorragten (wenn man das Schiff aus der Perspektive eines direkten Gegenübers betrachtete), waren VS-2 und VS-3.
»In den Wänden, im Boden und in der Decke befinden sich Schnittstellen zur Energieverwaltung« , fügte Elfiki hinzu. »Es könnten auch Hardware- oder Maschinenschnittstellen sein.« Sie deutete vor sich in die Finsternis. »Da vorne gibt es einen Ausgang. Unseren Scans zufolge führt er auf einen zentralen Korridor, der VS-1 ganz durchläuft. Von dort aus sollten wir überall hinkommen können.«
»Fällt noch jemandem auf, wie sauber hier alles ist?«, fragte Chen. »Dafür, dass das Schiff seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit Jahrhunderten durchs All treibt, fehlt es entschieden an Staub. Auf keiner Oberfläche liegt welcher, und es schwebt nicht ein Körnchen im Vakuum. Aber wenn jemand an Bord war, wenn die Mannschaft das Schiff verlassen hat, ehe das Lebenserhaltungssystem versagt hat, müsste doch etwas zurückgeblieben sein. Staub, Schmutz, irgendwas …«
»Vielleicht funktionieren die Luftfilter noch« , sagte Elfiki.
Chen warf ihr einen zweifelnden Blick zu, und die Wissenschaftsoffizierin zuckte mit den Schultern. »Wir haben schon Merkwürdigeres gesehen.«
Das konnte Chen nicht leugnen.
Dann sagte Tauriks Stimme aus ihrem Helmlautsprecher: »Commander Worf, das sollten Sie sich vielleicht ansehen.«
Der stellvertretende Chefingenieur stand mit Lieutenant Konya zusammen vor einer der Konsolen an der Wand. Die vielen verschiedenen Anzeigen und, wie Chen glaubte, berührungsempfindlichen Bedienelemente waren ihr auf den ersten Blick natürlich fremd – aber es kam ihr so vor, als könne sie jetzt schon eine gewisse Logik im Aufbau erkennen. Konya hatte neben der Konsole Stellung bezogen und hielt sein Phasergewehr vor der Brust, den Lauf zur Decke gerichtet. Taurik hatte seinen Trikorder aus der Tasche an seinem linken Oberschenkel gezogen und scannte die Konsole.
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