Eugen Drewermann
An der Quelle des Lebens
oder: Von Begegnung und Gespräch
Ausgewählt und herausgegeben von Heribert Körlings
Patmos Verlag
Vorwort
Lebendig? oder: Begegnung und Gespräch
Einbezogen? oder: die Natur und die Liebe
Geduldig? oder: bei mir selbst sein
Verständnisvoll? oder: Niemand ist freiwillig böse
Erfüllend? oder: der notwendige Andere
Verbindend? oder: Jesus, die Brücke zu Gott und zu den Menschen
Umfangen? oder: Vertrauen wagen
Unverzichtbar? oder: ein Leben vor und nach dem Tod
Engagiert? oder: miteinander unterwegs
Quellenverzeichnis
Über den Autor
Über den Herausgeber
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Am Ende eines „schönen Gesprächs“,
wenn ein Mensch dahin kommt,
sich selber zu finden,
gelangt er zu einem Vertrauen,
das niemand zerstören kann,
schon weil es niemand zu erzeugen vermag.
EUGEN DREWERMANN
Mit seinem vielseitigen Werk möchte Eugen Drewermann dem einzelnen Menschen Lebenshilfe geben. Jeder und jede Einzelne kann und soll den eigenen Lebensweg gehen, ohne Schwierigkeiten und Sackgassen zu verleugnen. Drewermann weist auf die vielfältigen positiven Möglichkeiten des Einzelnen hin, sein Leben sinnvoll zu gestalten.
Die Kapitelüberschriften bestehen aus einer Frage und der damit verbundenen Perspektive. Als Wegweiser machen sie jeweils auf den Aspekt aufmerksam, unter dem ich die folgenden Texte ausgewählt habe.
Die Reihenfolge der Kapitel ist bewusst gewählt, die Leserinnen und Leser können aber ihre Lektüre an jeder beliebigen Stelle beginnen, die sie interessiert.
Der Aufbau des Buches:
Was macht mich lebendig? Gespräch und Begegnung dienen der Orientierung und schließen neue Möglichkeiten auf (1. Kapitel).
Wie bin ich in die Natur eingebunden? Inmitten der anderen Lebewesen besteht kein Grund zu selbstbezogener Überheblichkeit.
In der Liebe, der Beziehung zwischen Ich und Du, erfährt das Individuum sich selbst und den anderen als Person. Diese ist kein bloßes Exemplar. Die Person geht im Natur- und Gattungszusammenhang nicht auf (2. Kapitel).
Doch erlebt der oder die Einzelne auch Situationen, in denen er allein ist und allein sein muss. Verweilt er darin geduldig bei sich selbst, kann er sich neu kennenlernen und besser verstehen (3. Kapitel).
Den eigenen Möglichkeiten und Grenzen nicht auszuweichen, ist die Voraussetzung dafür, auch den Hintergrund für das negative Verhalten des anderen verständnisvoll einzubeziehen und zu erkennen: Keiner ist freiwillig böse (4. Kapitel).
In mehrfacher Hinsicht ist der Mitmensch die notwendige Ergänzung in meinem Leben. Dieses beinhaltet nämlich auch erfüllte Augenblicke und Situationen. In ihnen will und erlebe ich, vom anderen Menschen geschätzt und geliebt zu sein. Dieser Wunsch impliziert die Sehnsucht, vollkommen angenommen zu sein. Das aber überfordert den endlichen Mitmenschen. So verweist mein existentieller Durst auf Gott, das „ewige Du“, die Liebe, die den Durst stillt und meine Sehnsucht erfüllt, unbedingt geliebt zu sein. Das macht mir Mut und Zuversicht (5. Kapitel).
Grund der Lebenszuversicht ist für den christlichen Theologen Drewermann die Beziehung zu Jesus. Jesus von Nazareth bildet mit seinem Leben aus Vertrauen die Brücke zu Gott und zu den Mitmenschen. Jesus verkündigt und vergegenwärtigt Gott als den lieben Vater jedes einzelnen Menschen, erschließt so Möglichkeiten eines neuen, gelösten Lebens (6. Kapitel).
In seinem Vertrauen zu Gott, seinem Vater und seiner Mitmenschen Vater, begründet Jesus ein Beziehungsklima. Darin kann jeder einzelne Mensch, umfangen von der Liebe, selbst Vertrauen wagen (7. Kapitel).
In der gegenseitigen Liebe erlebt die einzelne Person sich selbst und den anderen als unverzichtbar. Daher ist die Liebesbeziehung auch ein Indiz für die Unsterblichkeit des geliebten anderen. Denn dieser soll im Tod nicht untergehen. Das erhoffte todüberwindende Leben beginnt aber schon vor dem Tod (8. Kapitel).
Diese Hoffnung vor und nach dem Tod bleibt nicht nur privat oder zwischenmenschlich. Sie motiviert dazu, sich für ein humanes Leben in der Gesellschaft zu engagieren – miteinander unterwegs (9. Kapitel).
In herzlicher Verbundenheit gratuliere ich Ihnen, lieber Herr Dr. Drewermann, zu Ihrem 80. Geburtstag.
Heribert Körlings
Lebendig?
oder:
Begegnung und Gespräch
WIR HABEN DIE CHANCE, einander zu begegnen ohne die Grenzen und Schranken des Reichtums, der Sicherheit, der Abhärtung gegeneinander und der Anpassung. Wir haben die Chance, einander das Glück der Liebe, der Freundschaft, des Verständnisses, der Güte, des Wagemuts zu schenken – lauter Dinge, die man nicht im Laden kaufen kann. Wir haben die Chance, einander zu begleiten mit Mitgefühl, Mitleid, Sensibilität, Poesie, Kreativität, Phantasie und dem Reichtum des Herzens.
Zwischen Staub und Sternen 227
KEIN MENSCH KOMMT AUF DIE WELT ohne die Frage, ohne das fast unstillbare Bedürfnis, in der Liebe eines anderen zu hören und zu wissen, dass es mit seinem Dasein etwas Erwünschtes, geradezu Notwendiges ist. Nur dann wird er sich selbst wagen und mutig in sein Leben treten.
Der offene Himmel 110
EIN MENSCH VERMAG sich zu seiner eigenen Person nur zu formen im Gegenüber zu einer anderen Person, die ihn vorbehaltlos akzeptiert und meint …; ein Mensch kann einen anderen nur akzeptieren in dem Maße, wie er selbst mit sich eins geworden ist.
Glauben in Freiheit II 278
ZUR SELBSTERKENNTNIS GELANGT JEMAND nur, der sich anerkannt und gemocht fühlt; wer Angst hat, ist zu verwirrt, sich richtig zu sehen; wahrhaftig sich selbst gegenüber wird jemand nur durch Vertrauen; und Selbstfindung ist möglich allein in dem Empfinden, geliebt zu werden.
Liebe, Leid und Tod 702
JE WEITER DIE LIEBE zu wachsen vermag, desto mehr an Wahrheit und Schönheit im Wesen des anderen wird sie entdecken und freizusetzen vermögen.
Liebe, Leid und Tod 61
DAS EINZIGE, WAS WIR TUN SOLLTEN, ist, den andern zu begleiten, dahin, wohin er selbst gehen möchte, um nach Hause zu kommen. In den Stunden, wo es dunkel wird und wo er Angst hat, keinen Weg mehr sieht und sich sehr allein fühlt, braucht er uns an seiner Seite. Nicht weil wir es besser wüßten für ihn, aber weil wir gemeinsam mit vier Augen besser sehen als er allein mit angstverwirrten zwei Augen.
Wort des Heils, Wort der Heilung I 165
WENN ZWEI MENSCHEN EINANDER BEGEGNEN und sie erleben sich ganz stark als Person, ist die Energie, die zwischen ihnen strömt, Liebe. Die Liebe selber ist nicht Person, aber sie ist dasjenige, was Menschen zu Personen macht und was sie als Personen miteinander verbindet … Nur im Vis-à-vis der Liebe gestaltet sich ein Mensch als Individuum. Das ist Geist: eine Kraft, die es vermag, das Schönste, Riskanteste, Ungeheuerlichste auf dieser Welt hervorzubringen, das wir kennen: einen freien, individuellen Menschen in seiner Schönheit, Größe, Ausgesetztheit und Behütetheit.
Daß alle eins seien 108
ICH BETONE GERADE auf dem Hintergrund der Freud’schen Psychoanalyse, wie notwendig es ist, Menschen zu begegnen, die uns erlauben, die eigene Person zu entfalten, und daß ein solches Miteinander des personalen Austauschs nur möglich ist durch eine gemeinsame Geborgenheit in einer absoluten Person.
Wort des Heils, Wort der Heilung I 159 f.
WENN WIR EINEN MENSCHEN so anreden, daß wir die Tiefe seines Wesens berühren, wenn wir sein Du so aussprechen, daß es seinen Namen möglichst vollständig verdichtet und bezeichnet, so öffnet sich seine Person und wird für uns zu einem Weg, der ins Unendliche hinüberführt.
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