Das Personal Value System (PVS)analysiert das Wertesystem einer individuellen Person, fokussiert auf einen ausgesuchten Lebensbereich. Denn je nach Rolle und Aufgabe kommen bei uns verschiedene Wertesysteme zum Tragen und verändern so unsere Bewertungen und Verhaltensweisen. Je nachdem, welche Herausforderungen die Lebenswelt mit sich bringt.
Beim Group Value System (GVS)steht ein definiertes Team im Fokus: Wie sieht das Wertesystem der Abteilung oder der Projektgruppe aus? Das Group Value System gibt eine Antwort darauf, welche Werte die befragten Personen subjektiv im Team wahrnehmen. Diese Einschätzungen können einheitlich, aber auch sehr unterschiedlich ausfallen – und ergeben damit spannendes Reflexionsfutter, zum Beispiel für eine Teamentwicklung.
Das Organisation Value System (OVS)erfasst das Wertesystem einer Organisation. Auch hier geht es primär darum, welche Werte die Befragten in ihrer Organisation wahrnehmen. Ob und welche Übereinstimmungen und Diskrepanzen so zum Beispiel zwischen einzelnen Abteilungen, Standorten, Hierarchieebenen oder zu den definierten Unternehmenswerten aufgedeckt werden, kann dann ein Impuls für Change-Projekte, Transformationsvorhaben und Co. sein.
Abgrenzung zu anderen diagnostischen Verfahren
Im deutschsprachigen Weiterbildungs- und Beratermarkt gibt es eine Vielzahl ganz unterschiedlicher diagnostischer Verfahren. Um zu verstehen, wie sich das Personal Value System in deren Gesamtheit einordnen lässt, bietet sich ein einfacher Vergleich an: Stellen Sie sich die menschliche Persönlichkeit wie eine aufgeschnittene Zwiebel mit mehreren Schichten vor. Die äußerste Schicht ist unsere von außen beobachtbare Wirkung. Darunter folgt die Schicht unseres Verhaltens. Noch tiefer in unserer Persönlichkeit verwurzelt sind unsere Werte. Den »Kern« unserer Persönlichkeit machen schließlich unsere Motive aus.
Abb. 1: Zwiebelmodell der menschlichen Persönlichkeit (Quelle: Institut für Persönlichkeit)
Jede dieser Schichten kann durch diagnostische Instrumente näher erfasst werden:
Motivanalysen, wie die auf den Forschungsergebnissen von Professor Steven Reiss basierenden Tools, erfassen die zeitstabilen Motive eines Menschen. Sie geben eine Antwort darauf, warumein Mensch etwas tut.
Werteanalysen wie die 9 Levels of Value Systems® erheben die Werte eines Menschen, die sich im Laufe des Lebens dynamisch weiterentwickeln. Sie verdeutlichen, wofürein Mensch etwas tut.
Verhaltensanalysen nehmen die Verhaltenspräferenzen eines Menschen in den Blick und damit, wieein Mensch etwas tut.
Wirkungsanalysen fokussieren die Wirkung und Wahrnehmung eines Menschen und beantworten damit die Frage, wie das, was ein Mensch tut, auf andere wirkt.
Wie bereits erwähnt, werden auch über das Group Value System und das Organisation Value System jeweils Analysen auf der Werteebene vorgenommen. Da es sich jedoch um eine Erhebung der Werte eines Teams bzw. einer Organisation handelt und damit nicht der einzelne Mensch im Fokus steht, haben sie im Vergleich zu klassischen diagnostischen Verfahren ein Alleinstellungsmerkmal.
Eine Wendeltreppe als Ausdruck von Wertedynamik
Professor Clare W. Graves hat mit seiner Forschung gezeigt, dass Wertesysteme nicht statisch sind, sondern einer dynamischen Entwicklung unterliegen. Weil sich unsere Welt in einem ständigen Wandel befindet, müssen sich auch Menschen, Teams und Organisationen ständig neu orientieren und anpassen. Dabei passieren Veränderungen in den Wertesystemen natürlich nicht von einer Minute auf die andere. Sie sind langsame und schleichende Prozesse, die jedoch oft an einem symbolhaften Punkt »kippen« können. Bei Menschen kann ein solcher Trigger der plötzliche Verlust eines Jobs, ein beruflicher Wechsel, die Geburt eines Kindes, eine Trennung, eine Krankheitserfahrung oder Ähnliches sein. In Teams können zum Beispiel neue Zielsetzungen, Regelungen, Vorgesetzten- oder Mitarbeiterwechsel, neue Vergütungsmodelle oder Misserfolge den finalen Wechsel auf einen anderen Level auslösen. Analog dazu führen auf organisationaler Ebene beispielsweise Wechsel in der Geschäftsführung, Verluste großer Kunden, Umstrukturierungen, neue Wettbewerber im Markt oder technologische Innovationen zu einem Auf- oder Abschwung auf einen anderen Level.
Im 9-Levels-Modell nutzen wir die Darstellung einer Wendeltreppe, um diese Wertedynamik zu verdeutlichen. Auf einer Wendeltreppe ist man immer in Bewegung – es gibt kein Podest, auf dem man verweilen könnte. Auch wenn wir uns scheinbar auf einem Level »ausruhen«, sind wir darin doch ständig in Bewegung und streben weiter in unserer Entwicklung. Jede Ebene hat dabei ihre Berechtigung. Ziel ist nicht , möglichst schnell höher und weiter voranzukommen, sondern eine gute Passung der Wertesysteme zu den Herausforderungen der Lebenswelt zu erreichen.
Abb. 2: Die 9-Levels-Wendeltreppe (Quelle: 9 Levels)
Auf der 9-Levels-Wendeltreppe gibt es – vergleichbar mit dem zentralen Treppenhaus eines Gebäudes – zwei Seiten: Links ist mit den Levels Purpur, Blau, Grün und Türkis die Seite mit Wir-Bezug. Dieser ist geprägt von der Orientierung an einer Gemeinschaft. Wer sich auf einem dieser Levels befindet, erwartet nicht sofort und unmittelbar ein Nutzen oder Mehrwert für sich selbst. Im englischen Sprachgebrauch wird auch von »sacrifice now – reward later« gesprochen: Das Engagement erfolgt jetzt, die Belohnung kann später erfolgen. Es wird eher versucht, sich an die Umwelt anzupassen.
Im Gegensatz dazu sind die Levels Beige, Rot, Orange, Gelb und Koralle auf der rechten Seite von einem Ich-Bezug geprägt. Das eigene Wohl steht im Vordergrund. Auf diesen Levels fokussiert man sich stark auf die eigenen Interessen und versucht daher, die Umwelt an sich anzupassen.
In der Entwicklung wechseln sich Levels mit Wir- und Ich-Bezug ab. Jede neue Ebene entsteht aus der Reaktion auf die bisherige Ebene. Ein Überspringen einer Ebene ist nicht möglich – es gibt keinen Aufzug! Da die Levels nacheinander durchlaufen werden, implizieren die oberen Ebenen die unteren Ebenen, und die Komplexität nimmt immer weiter zu. Auch befinden sich Menschen, Teams oder Organisationen nie nur auf einem Level. Sie sind bezogen auf die Werteebenen eher »wie musikalische Akkorde, nicht wie einzelne Noten« (Beck et al., 2019, S. 27).
Die 9 Levels im Überblick
Im Folgenden stellen wir die einzelnen Levels von Beige bis Koralle in ihren Grundzügen vor (vgl. Krumm, 2017, S. 25 ff.). Dabei sind alle Ebenen des Modells absolut gleichwertig, kein Level ist besser oder schlechter. Es kommt vielmehr auf die Passung mit der Umwelt an.
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