»Was hältst du davon?«, fragte Munuel seinen Onkel. Dieser nahm den Blick nicht von den Gauklern, während er antwortete.
»Schon ein komischer Zufall«, antwortete Gelmard nachdenklich. »Da stirbt ein alter mächtiger Magier und nur eine Stunde später taucht fahrendes Volk auf.«
»Ja, seltsam, nicht wahr?«
»Auf jeden Fall sind das die schlechtesten Gaukler, die ich je gesehen habe«, mischte sich da Limlora in das Gespräch.
Munuel sah sie an. »Ich nehme an, Ihr habt schon viele Gaukler gesehen, Hoheit?«
»Natürlich!«, erwiderte Limlora selbstbewusst. »Im Palast kommen alle Nase lang welche vorbei. Ich habe Hunderte gesehen, mindestens, aber diese Darbietungen sind mehr als nur kümmerlich. Wir würden sie in Savalgor vom Hof jagen.« Sie rümpfte die Nase dabei.
»Interessant, interessant …« murmelte Munuel abwesend. »Onkel! Ich habe kein gutes Gefühl bei denen. Ich werde sie im Auge behalten.«
»Mach das nur«, sagte Gelmard und nahm den Blick nicht von den Gauklern. »Sag mal, hat deine Weigerung, mitzukommen, vielleicht auch ein wenig mit der hübschen Stallmeisterin zu tun?«
Munuel schüttelte verblüfft den Kopf.
»Nein. Wie kommst du darauf?«
Sein Onkel sah ihn ernst an.
»Nun, ganz offensichtlich teilt sie dein Bett. Du hast hoffentlich vor, sie zur ehrbaren Frau zu machen?«
Munuel runzelte die Stirn.
»Nein, ha … hatte ich eigentlich nicht«, stotterte Munuel. »Wir sind nur Freunde. Mit … nun ja … wir sind ja noch jung.«
»Munuel, mein lieber Neffe, das ist kein schöner Zug«, tadelte ihn der Erzmagier. »Mache sie zu deiner Frau und dann könnte sie doch ohne Weiteres mitkommen.«
Munuel blieb stumm.
»Ja, ich verstehe schon«, fuhr sein Oheim unbarmherzig fort. »Du warst zwar nie auf einer der magischen Universitäten, aber du benimmst dich wie ein leichtherziger Student. Sei wenigstens ehrlich zu ihr. Es ist Mittagszeit, ich werde mir jetzt einen Imbiss gönnen. Heute Abend hätte ich dann gern deine endgültige Antwort, Munuel.«
»Ich komme mit«, sagte Munuel und ließ seinen Onkel mit offenem Mund stehen. Er wühlte sich erneut durch die Menge, bis er den Bürgermeister erreicht hatte.
»Sind das die Gleichen, die beim letzten Mal schon da waren?«, fragte er Moribund direkt ins Ohr. Dieser wandte den Kopf, wobei er sich nach hinten lehnen musste, und antwortete: »Ich glaube nicht. Die hier kommen angeblich aus Tulanbaar.«
»Glaube ich nicht«, widersprach Munuel. »Ich kenne den tulanbaarischen Dialekt, dieser hier ist vollkommen anders. Die klingen, als könnten sie überhaupt kein sauberes Akranisch.«
»Woher sollten sie dann stammen?«, fragte der Bürgermeister verdutzt. »Etwa aus Veldoor? Oder dem Inselreich von Chjant?«
»Nein, eher aus dem hohen Norden. Nördlich des Ramakorum.«
Der Bürgermeister sah den Magier skeptisch an. »So ein Unsinn. Da lebt doch niemand. Aber egal, wo sie herkommen mögen, mir passt es nicht, dass die Menschen im Dorf schon wieder von der Arbeit abgehalten werden. Erst der hohe Besuch, dann eine Beerdigung, das Dorf kommt ja gar nicht mehr zur Ruhe.«
»Das sehe ich ganz genauso wie Ihr, werter Bürgermeister«, pflichtete Munuel ihm bei. »Aber wenn wir sie einfach wegschicken, sind die Leute auch verstimmt. Hm.«
»Jaa. Knifflig.« Der Bürgermeister kratzte sich am Kopf. »Ich weise ihnen erstmal Quartier am Siebenplatz zu. Und eine Aufführung für heute Abend wird erlaubt. Aber erstmal nicht mehr.«
»Das ist eine gute Idee. Soll ich der Truppe einstweilen etwas auf den Zahn fühlen?«
»Das würdet ihr tun, Dorfmagier? Wäre mir recht. Ich wollte schon einen meiner Söhne damit beauftragen, aber Ihr seid geeigneter dafür.«
»Dann verlasst Euch auf mich.« Munuel nickte dem Bürgermeister zu. Dieser winkte einen der Gaukler heran. Munuel überzeugte sich davon, dass der Bürgermeister ihm und seinen Kumpanen den Siebenplatz zuwies und ihnen untersagte, bis zum Abend irgendetwas zu unternehmen. Das wurde ohne Murren zur Kenntnis genommen, ein Umstand, der Munuels Misstrauen erhöhte. Er hätte jetzt erwartet, dass die fahrenden ›Künstler‹ mehr Widerstand zeigen würden. Doch diesen schien das mehr oder minder egal zu sein.
Als Munuel zu seinem Haus zurückging, bemerkte er einen der Gaukler, als dieser sich in seiner Gasse herumdrückte. Er ging auf ihn zu und sprach ihn an.
»Hallo, Ihr da. Der Bürgermeister hat angeordnet, dass ihr bis zum Abend auf dem Siebenplatz bleibt. Soll ich euch den Weg weisen?«
Der Mann schlug seine bunte Harlekinkapuze zurück und blickte ihn an. Munuel erkannte mit Erstaunen, dass es sich nicht um einen Mann, sondern um eine Frau handelte. Doch sie war stämmig gebaut, sehr muskulös. Zudem überragte sie ihn fast um Haupteslänge. Die Kleidung saß schlecht an ihr, so als sei sie für einen Mann noch größerer Statur geschneidert worden. Sie war brünett, mit dunklen Augen. Ein schön geschnittenes, aber düsteres Gesicht mit vielen Narben, als hätte sie viele Kämpfe hinter sich. Munuel bemerkte ein kleines Muttermal an ihrem Kinn.
»Sie wollte nicht unhöflich sein. Sie sofort zu Siebenplatz. Sagt – wohnt hier nicht der Dorfmagier?«
Sie sprach ebenfalls mit diesem eigenartigen Akzent. Außerdem redete sie von sich in der dritten Person.
»Was wollt ihr vom Dorfmagier?«
»Ach, nichts. Wollten ihm reden.«
»Soso«. Munuel sah skeptisch drein. Und hatte eine Eingebung. Er sagte: »Den Dorfmagier findet ihr derzeit im Gasthaus zur Ulme. Ihr könnt ihn nicht verfehlen, ein großer schwarzer Veldoorianer mit schneeweißem Bart.«
Die Frau nickte. »Tuenka, ähm Vielen Dank.« Sie ging davon.
Tuenka? Das Wort hatte er noch nie gehört. Aber was wusste er schon über die Sprachen in Akrania?
Munuel sah ihr noch nachdenklich hinterher, bis sie in der nächsten Gasse verschwand. Ihre seltsame Ausdrucksweise und fremdländischer Akzent alarmierten ihn, doch er hasste Vorverurteilungen. Trotzdem: Vorsicht war besser als Nachsicht … Munuel dachte einen Moment nach, dann entschloss er sich dazu, nicht in sein eigenes Haus zu gehen. Stattdessen lenkte er seine Schritte aus dem Dorf hinaus, in Richtung Islins Mullohhof.
ooOoo
Munuel hatte selbst kein Pferd, aber er vermutete, dass sein Oheim die Pferde seiner Entourage bei Islin untergebracht hatte. Sie machte weitaus bessere Preise als der Tavernenwirt, der sich nur um Limloras Marco kümmern durfte. Es war nicht weit, und er traf sie wie erwartet im Haus an.
»Islin, sag, hat mein Oheim seine Pferde hier bei dir untergestellt?«
Islin nickte.
»Ja, hat er, sie stehen draußen auf der Koppel. Warum fragst du?«
»Ich hätte Lust auf einen kleinen Ritt. Soweit ich weiß, hat er ja ein paar zusätzliche Pferde dabei.«
Islin wischte sich mit einem Arm über die Stirn.
»Was? Jetzt? Du hast doch was vor.«
»Ich will mich nur ein wenig umsehen.«
»Kann ich mitkommen?«
»Uh … ich werde ziemlich schnell reiten und ich weiß auch nicht, wann ich zurückkomme.«
Als er ihr enttäuschtes Gesicht sah, beeilte er sich, hinzuzufügen: »Aber vier Augen sehen mehr als zwei, also komm ruhig mit!«
Nun strahlte sie wieder. »Ich sattle mein Pferd«, rief Islin und lief davon.
Munuel nickte. »Und pack vielleicht auch ein paar Stullen ein!«, rief er ihr hinterher.
Kurze Zeit später saß er auf einem kräftigen Braunen, während Islin sich einen feurigen Rappen ausgesucht hatte. Im gemächlichen Schritt zockelten sie über den Feldweg, der um das Dorf herumführte.
»Du hast doch was Bestimmtes vor, hab ich recht?«, fragte Islin, nachdem sie das Dorf hinter sich gelassen hatten. Munuel blickte unablässig auf den Boden, als suchte er etwas.
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