Norman G. Dyhrenfurth - Wozu ein Himmel sonst?

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Der Name Dyhrenfurth ist untrennbar mit dem Himalaya verbunden. Das Reich der Chomolongma – Göttinmutter der Erde, wie die Tibeter den Mount Everest nennen, zieht Norman G. Dyhrenfurth (1918–2017) ein Leben lang in seinen Bann. 1952, ein Jahr vor der Erstbesteigung, besucht er den höchsten Berg dieser Erde ein erstes Mal – eine Erfahrung, die sein Leben verändert. Er hängt seine akademische Karriere an den Nagel und treibt den Plan weiterer Himalaya-Expeditionen voran. 1963 erfüllt sich sein Traum einer ersten amerikanischen Everest-Expedition, deren Erfolg zum Höhepunkt seines Lebens wird.
Das vorliegende Buch versammelt die schönsten unveröffentlichten Texte aus dem Nachlass dieses großen Bergsteigers und Filmemachers, der heuer im Mai 100 Jahre alt geworden wäre. Es erzählt von einzigartigen Momenten, Triumphen und Tragödien, und lässt die tiefe Faszination, die von den höchsten Gipfeln der Welt und der Kultur der an ihrem Fuße lebenden Menschen ausgeht, ganz unmittelbar lebendig werden.
Das Vorwort des bekannten amerikanischen Bergsteigers und Everest-Spezialisten Ed Webster sowie das abschließende Lebensbild, verfasst vom langjährigen Leiter des Salzburger Bergfilmfestivals Dr. Michael Bilic, setzen dazu den biographischen Rahmen.

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NORMAN G. DYHRENFURTH

WOZU EIN

HIMMEL

SONST?

Erinnerungen

an meine Zeit

im Himalaya

Speak as they please what does the mountain care Ah but a mans reach should - фото 1

Speak as they please, what does the mountain care? Ah, but a man’s reach should exceed his grasp Or what’s a heaven for? Robert Browning: Andrea del Sarto

Lass sie nur reden – nimmer rührt’s den Berg. Doch schauen sollt ich weiter als ich greife. Wozu ein Himmel sonst? Übersetzung von Edmund Ruete, 1894

© 2018 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Der Titel und die Texte dieses Buches beruhen auf einem unveröffentlichten Manuskript aus dem Nachlass von Norman G. Dyhrenfurth.

Umschlaggestaltung, Layout und digitale Gestaltung:

Tyrolia-Verlag, Innsbruck

Bildnachweis: Das Titelbild (Ama Dablam vom Kloster Tengboche aus gesehen) sowie alle Abbildungen in diesem Buch sind im Zuge der von Norman G. Dyhrenfurth geführten Internationalen Himalaya-Expedition 1955 sowie der ersten Amerikanischen Mount-Everest-Expedition 1963 entstanden und stammen aus dem Archiv des Autors. Die Original-Dias sind unbezeichnet, deswegen wurde auf Bildlegenden verzichtet. Das Porträtbild Seite 141 stammt aus dem Archiv des DAV, München, Foto: Toni Hiebeler (1982).

Lithografie: Artilitho, Trento (I)

Druck und Bindung: FINIDR, Tschechien

ISBN 978-3-7022-3689-2 (gedrucktes Buch)

ISBN 978-3-7022-3690-8 (E-Buch)

www.tyrolia-verlag.at

buchverlag@tyrolia.at

Vorwort

Die bedeutendsten Unternehmungen eines Bergsteigers finden in der Regel während der kraftvollen jugendlichen „Sturmjahre“ statt. Norman Dyhrenfurth lebte ein so langes und aktives Leben – er wurde fast 100 Jahre alt –, dass er die Bergsteigerwelt über mehrere Generationen inspirierte und beeinflusste. Damit führte er auch die Spuren seiner Eltern, der Himalaya-Pioniere Günter Oskar und Hettie Dyhrenfurth, in deren Geist fort. Der Höhepunkt seiner Karriere war zweifellos die Organisation und Leitung der ersten amerikanischen Mount-Everest-Expedition 1963, bei der die ersten Amerikaner den Gipfel erreichten.

Persönlich traf ich Norman zum ersten Mal 1999 im Hauptquartier des American Alpine Club in Colorado. Ähnlich wie bei ihm hatte sich auch mein Leben als Bergsteiger um den Mount Everest gedreht. 1985 unternahm ich einen Versuch am direkten Everest-Westgrat. Ein Jahr später gelang mir im Alleingang eine neue Route zum Everest-Nordgipfel (Changtse). 1988 schließlich war ich Teil jenes internationalen Vier-Mann-Teams, dem die Eröffnung einer neuen und bedeutenden Route durch die schwierige und extrem gefährliche 3350 Meter hohe Kangshung-Wand auf der tibetischen Ostseite des Everests gelang. Wir kletterten im lupenreinen Alpinstil – ohne Flaschensauerstoff, ohne Hochträger, ja selbst ohne Funkgeräte. Mein britischer Seilpartner Stephen Venables erreichte den Gipfel, ich selbst den Südgipfel.

Aber was war es gewesen, das mich als kleiner Junge inspiriert hatte, ein Bergsteiger zu werden? – Es waren die Berichte der ersten amerikanischen Everest-Expedition von 1963! Präsident John F. Kennedy ehrte im Rosengarten des Weißen Hauses die Expeditionsmannschaft und überreichte jedem einzelnen Mann, auch den anwesenden Sherpas, die Hubbard-Medaille der National Geographic Society. Es war ein großer Moment und ein symbolischer Akt von bleibender Bedeutung. Norman Dyhrenfurths Everest-Team verkörperte fortan das Bergsteigen in den Vereinigten Staaten und machte es populär.

Norman war ein kräftiger, energischer Mann mit 95 Jahren, als ich ihn 2013 im Rahmen des Bergfilmfestivals in Salzburg traf. Ich hatte damals eine Ausgabe des Klassikers „Zum Dritten Pol“ mit im Gepäck, jenes umfassenden Werks über den Himalaya, das sein Vater verfasst hatte. Norman schrieb mir auf die Titelseite des Buches folgende Worte: „Mein Vater war wahrhaft mein Ideal – nicht mein Idol – er war meine Inspiration!“ Und ich glaube, er würde exakt das Gleiche über seine unerschrockene Mutter sagen. Abgesehen von einigen Sherpafamilien gibt es in der Geschichte des Höhenbergsteigens wohl niemanden, der auf eine derart bedeutende, generationenübergreifende Tradition verweisen kann. Die Geschichte der Familie Dyhrenfurth ist absolut außergewöhnlich und einzigartig.

Als ich Norman damals zu meinem Vortrag „Storm Years on Everest“ begrüßte und ihm den Abend widmete, wurde er vom Publikum mit einem rauschenden Applaus bedacht. Es dankte ihm damit – wie ich – für die vielen Jahre der Inspiration, die er uns gegeben hat und noch vielen Bergsteigern der kommenden Generationen geben wird.

Norman, wir danken Dir für Deine Würde, Deinen Humor, Deine Freundschaft und für Dein bergsteigerisches Vermächtnis.

Sincerely , Ed Webster

Inhalt

SCHWEIZER EVEREST-EXPEDITION, FRÜHJAHR 1952

Göttin-Mutter des Landes Göttin-Mutter des Landes Die Sonne sinkt. Im Schatten der Berge liegt das Kloster Tengpoche, die „heilige Wiese“. Dumpf dröhnen die Bässe der Hörner, dann Paukenschlag und Trompeten. Eine monotone, fast unheimliche Musik, die von Talwand und Eisgrat widerhallt. Gestalten sitzen im Dämmerlicht, braune, wetterharte Männer in rotbraunen Kutten: buddhistische Lamas und Mönche. Die Instrumente verstummen. Kaum hörbar das Surren der Gebetsmühlen, der sanfte Klang silberner Glocken. Lippen bewegen sich in stiller Andacht. Himmelwärts richten sich die Augen, zum allerhöchsten Gipfel, der, von den Strahlen der Abendsonne umflutet, in den stahlblauen Äther ragt. Es ist ein heiliger, überirdischer Berg, den sie verehren, von allen Geheimnissen des Unbekannten und Unzugänglichen umgeben. Symbol der Ewigkeit, Thron der Götter – aber auch Ort des Grauens und der Strafe, umringt von Mysterien und Angstvorstellungen alt wie die Nacht. Wehe dem Sterblichen, der es wagt, in diese menschenfeindliche Welt einzudringen! Wehe dem, der das von Dämonen bewachte Heiligtum der Berggöttin entweiht! „Om mani padme hum“, murmeln die frommen Männer von Tengpoche, den ruhigen Blick zum höchsten Punkt auf Erden gerichtet: Chomolongma – Göttin-Mutter des Landes. Immer höher steigen die Schatten. Einer nach dem anderen versinken die Giganten im grauen Licht der Dämmerung. Dann leuchtet nur noch der allerhöchste Gipfel in den letzten Strahlen der Sonne.

SCHWEIZER EVEREST-EXPEDITION, HERBST 1952

Mingma Dorje aus Namche Bazar

Im Kampf um den Südsattel

Der Weg zurück

Zwischenspiel

INTERNATIONALE HIMALAYA-EXPEDITION 1955

Im Bummelzug durch Indien

Solu Khumbu – Land der Sherpas

Monsun in Khumbu

Der Khumbu-Eisfall

Lhotse: Der erste Angriff

Winterstürme

AMERIKANISCHE EVEREST-EXPEDITION 1963

Mit den Amerikanern zum Everest

John Edgar Breitenbach

Der erste Angriff

Die höchste Traverse

NORMAN G. DYHRENFURTH

Ein Lebensbild von Dr. Michael Bilic

GöttinMutter des Landes Die Sonne sinkt Im Schatten der Berge liegt das - фото 2

Göttin-Mutter des Landes

Die Sonne sinkt. Im Schatten der Berge liegt das Kloster Tengpoche, die „heilige Wiese“. Dumpf dröhnen die Bässe der Hörner, dann Paukenschlag und Trompeten. Eine monotone, fast unheimliche Musik, die von Talwand und Eisgrat widerhallt. Gestalten sitzen im Dämmerlicht, braune, wetterharte Männer in rotbraunen Kutten: buddhistische Lamas und Mönche. Die Instrumente verstummen. Kaum hörbar das Surren der Gebetsmühlen, der sanfte Klang silberner Glocken. Lippen bewegen sich in stiller Andacht. Himmelwärts richten sich die Augen, zum allerhöchsten Gipfel, der, von den Strahlen der Abendsonne umflutet, in den stahlblauen Äther ragt.

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