Er griff sich an die Stirn und rieb fest, um das heftige Pochen hinter seinen Augen wegzumassieren. Es fühlte sich an, als hätte er einen Schlag mit Thors Hammer abbekommen und dabei außerdem noch Blitzableiter gespielt. Er konnte sich jedoch nicht daran erinnern, sich den Kopf gestoßen zu haben. Donovan setzte sich vorsichtig auf und wurde sofort von Übelkeit übermannt. Der Brechreiz zwang ihn dazu, innezuhalten.
Als ihm die Galle doch hochkam, griff er hastig nach einem Mülleimer und übergab sich. Sobald die Flüssigkeit seinen Magen verlassen hatte, legte sich Donovan wieder hin und atmete mehrmals tief aus und ein. Er hatte sich ganz sicher irgendeine Art von Kopfverletzung zugezogen. Es gab keine andere Erklärung.
Was ist nur mit mir geschehen?
Donovan erinnerte sich plötzlich daran, wie die Deckenlampen im Labor geflackert hatten und dann durch einen Stromstoß explodiert waren. Er erinnerte sich auch daran, wie das Schiff vom Sturm durchgeschüttelt worden war. Er bemerkte es auch jetzt noch, was bedeutete, dass seine Bewusstlosigkeit nicht allzu lange gedauert haben konnte.
Ein Schädeltrauma war schon schlimm genug, aber dazu noch die Kraft eines antarktischen Sturms gegen den Rumpf ihres Schiffes … er erbrach sich wieder in den Eimer und wischte sich den Mund mit der Hand ab. Durch benommene, tränende Augen bemerkte er jetzt etwas Seltsames auf seinem rechten Handrücken. Wo er höchstens Spritzer von Erbrochenem erwartete, sah er noch etwas anderes darin vermischt.
Etwas Blaues.
Seine Hand zitterte. Das Einzige, was er in dieser Farbe jemals gesehen hatte, war das pulsierende Plasma innerhalb des Kraken in seinem Labor gewesen. Es schien so, als würden sowohl sein Blut als auch sein Gift diese Farbe ausstrahlen, nicht nur eines von beidem.
Weil es ein und dasselbe ist! , dachte er plötzlich. Sein Blut IST sein Gift!
Der Gedanke war äußerst faszinierend, aber im Moment war Donovan immer noch starr vor Angst. Es fiel ihm schwer, zu atmen, während er nichts weiter tun konnte, als auf seine befleckte Hand zu starren.
Ein Klopfen an der Tür war die ersehnte Unterbrechung, die er so dringend brauchte. Es war ein Geschenk des Himmels für den Wissenschaftler. Es riss ihn aus seiner Starre und brachte ihn in Bewegung … gewissermaßen zumindest, denn Donovan war zu benommen, um irgendetwas anderes zu tun, als seine Hand unter der Wolldecke des unbequemen Krankenbettes zu verstecken.
»Herein«, krächzte er und erkannte dabei seine eigene Stimme gar nicht mehr wieder. Die Furcht, die er wegen seines Gesundheitszustandes verspürt hatte, war innerlich immer noch präsent, aber er traute sich nicht, sie nach außen preiszugeben. Er durfte niemanden wissen lassen, was möglicherweise mit ihm geschehen würde und dass er sich vielleicht mit einem bislang unentdeckten Erreger infiziert hatte.
Die letzte Person, von der er Besuch haben wollte, öffnete jetzt die Tür und trat ein.
Captain House.
»Sebastian?«, fragte Donovan überrascht. Er und House benutzten ihre Vornamen, wenn sie sich privat sahen oder miteinander telefonierten. Donovan gefiel das nicht besonders, den er wollte eigentlich nicht freundlich mit jemandem umgehen, der so gern den starken Mann markierte.
»Wie geht es dir, Seth? Du warst über eine Stunde weggetreten.«
Ist er tatsächlich um mich besorgt?
Unter den derzeitigen Umständen beschloss Donovan, höflich zu bleiben. Außerdem war er gerade nicht in der geistigen oder körperlichen Verfassung, um sich zu streiten.
»Okay, glaube ich.« Er wusste es ehrlich gesagt nicht. Abgesehen von den Kopfschmerzen und der blauen Flüssigkeit in seinem Körper, fühlte er sich tatsächlich ganz gut. »Eigentlich habe ich keine Ahnung, wie ich mich fühle«, sagte er lachend. Er stöhnte, als sich sein Magen erneut verkrampfte. »Wie läuft es mit dem Sturm?«
Das Schiff wurde genau in dieser Sekunde durchgeschüttelt und beide Männer zuckten zusammen.
»Schlecht«, erwiderte House. »So richtig schlecht. Zum Glück ist das ein stabiles Schiff.«
»Ja, bestimmt«, erwiderte Donovan. Es fiel ihm schwer, sich auf House und das, was gerade mit ihm geschah, zu konzentrieren.
»Ganz schöne Feuerwerksveranstaltung da oben, was?«, fragte House jetzt.
Ausrottung .
Donovan schüttelte verwirrt den Kopf. »Feuerwerk?«
Verwüstung .
House schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Im Labor, meine ich.«
Donovan setzte sich, sehr zum Missfallen seines schmerzenden Körpers, auf. »Was ist mit meinem Labor?«
House schaute ihn verwirrt an. »Das weißt du nicht mehr?«
»Offensichtlich nicht, Sebastian. Hör auf, mir dumme Fragen zu stellen, und sag mir, was mit meinem Labor los ist!«
House setzte sich neben Donovan auf den Bettrand. »Es ist futsch, Seth.«
»Futsch?«
Donovan musste wieder nach dem Mülleimer greifen. Während er sich erbrach, sammelte sich darin mehr und mehr von der blauen Flüssigkeit an. Als er fertig war, schob er den Eimer hastig unter sein Bett und wischte sich den Mund mit der Innenseite seiner Decke ab.
Niemand durfte von seinem Zustand erfahren, vor allem nicht House. Der Kapitän würde ihn dann nämlich garantiert unter Vorgabe von Sicherheitsvorkehrungen für den Rest ihrer Reise unter Quarantäne stellen, und Donovan war sich nicht sicher, ob er so viel Zeit hatte. Es gab niemanden an Bord, dem er mehr zutraute, die Antworten zu finden, als sich selbst. Genetik war immerhin sein Spezialgebiet. Er musste seine jahrelange Ausbildung jetzt auf die Probe stellen.
Sobald du weg bist , dachte er und sah House wieder an.
»Was meinst du damit?« Er versuchte es sich vorzustellen, konnte es aber nicht, nicht einmal ein bisschen. Er begann zu hyperventilieren. »Da waren … Millionen von Dollar … an Ausstattung drin … und zehnmal so viel an wertvoller Forschungsarbeit. Das kann nicht einfach futsch sein!«
Der Stress war eindeutig zu viel für ihn, denn vor seinen Augen tanzten jetzt Sternchen. Er ließ sich zurück ins Bett fallen und verdeckte seine mit Tränen gefüllten Augen mit seinem linken Arm. Wieder erschauderte er. Dieses Mal allerdings, weil seine Tränen ganz und gar nicht normal waren. Sie waren eiskalt. Irgendetwas Schreckliches ging gerade in ihm vor.
»Futsch«, wiederholte er und verstummte.
»Bist du …«
»Geh, Sebastian. Lass mich allein.« Donovan war zwar wirklich bestürzt, musste House aber auch ganz dringend loswerden.
Der Kapitän grummelte leise, stand aber auf und ging in Richtung Tür. »Nur, damit du es weißt, es war keiner von deinen Lakaien, der dich aus dem brennenden Raum gezogen hat … das war ich.«
Was? , dachte Donovan. Ihm war klar, dass er House dafür danken sollte, dass er ihm das Leben gerettet hatte, aber er wollte gerade nur noch allein sein. House musste weg.
Vernichtung .
»Ich wäre lieber mit meiner Arbeit zusammen gestorben, als mit leeren Händen nach Hause gehen zu müssen.«
Ohne etwas darauf zu antworten, verließ House den Raum und warf die Tür hinter sich zu. Die Wucht, mit der diese in den Rahmen knallte, ließ Donovans bereits geplagten Verstand noch mehr durcheinanderwirbeln. Er biss sich auf die Lippe, mühte sich auf die Beine und stolperte dann etwas herum, bis er schließlich ein Mindestmaß an Gleichgewicht fand. Er begann sofort, sämtliche Beweise seiner Infektion einzusammeln, während er verzweifelt die Worte in seinem Geist zu ignorieren versuchte.
Nach der Türklinke greifend, ging er in die Knie, als das letzte Wort sein Gehirn wie ein gedanklicher Eispickel traf. Der Schmerz war jetzt so stark, dass er beinahe wieder das Bewusstsein verloren hätte.
Ausrottung .
Читать дальше