Ich trat so nah wie möglich an die Energiebarriere und erstarrte. Ich lauschte. Das Energiefeld würde einem Atlanen im vollen Bestienmodus standhalten. Das wusste ich; ich hatte zugesehen, wie sich mehrere davon blutig geschlagen hatten, als sie versucht hatten, auszubrechen. Ich konnte die Barriere zwar nicht durchbrechen, aber ich konnte mich vorbereiten. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas fühlte sich … anders an und dabei handelte es sich nicht um das Gesumme in meinem Schädel. Alles, was die Hive aufmischte, war aus meiner Sicht gut.
Ich wartete auf die Antwort der unbekannten Frau, genau wie die drei Hive-Drohnen, die nebeneinander aufgereiht im Transportraum standen.
Statt eine Antwort zu bekommen wurden alle drei in rascher Folge mit Ionenschüssen ausgelöscht. Hatte sie sie getötet? War sie eine Kundschafterin vom Schlachtschiff Karter? Der erste Schlag eines ReCon-Teams? Hoffnung stieg mir zu Kopf und mir wurde schwindelig.
Sekunden später rannte eine Frau in einer seltsamen Panzerung hinter die Transportsteuerung, ihre Hände huschten so schnell über das Panel, dass ich mich anstrengen musste, um ihren Bewegungen zu folgen. Ich musste blinzeln. Sie war umwerfend. Langes, brünettes Haar, das zu einer einfachen Frisur zurückgezogen war, die ich noch nie gesehen hatte. Ihre Panzerung bedeckte jeden Zentimeter von ihr und saß wie eine zweite Haut, aber es war das Abzeichen an ihrer Brust, das mich schockte.
Ein Vizeadmiral? Allein?
Sollte das eine Art Witz sein?
Wer war diese Frau? Und warum war sie hier?
“Hallo! Hier drüben!” Ich rief ihr zu und seufzte erleichtert, als sie aufblickte. Sie drehte sich zu mir um und mir blieb die Luft weg, jede Zelle meines Körpers reagierte auf diese Frau vor mir. Ihr dunkelbrauner Blick bohrte sich in meinen wie ein Schlag in die Magengrube und alle Qualen, die ich in den letzten Tagen erlitten hatte, verpufften ins Nichts. Die Integrationen, die Folter, nichts davon war von Bedeutung. Das einzige, was mir jetzt noch etwas bedeutete, war sie. Ich musste überleben; nicht, damit ich auch nur einen weiteren Tag lang kämpfen konnte, sondern damit ich sie erobern konnte . Um meinen Schwanz tief in sie hineinzustecken, ihren Körper zu beherrschen, sie meinen Namen kreischen lassen. Ich hatte nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt, oder an Verpartnerungsprotokolle. Nicht einmal an die Markierung in meiner Hand. Ich hatte gesehen, wie andere Everianer ihre markierte Partnerin gefunden hatten und hatte die krasse Verbindung gesehen, die sie miteinander teilten, aber ich hatte es mir nie für mich so vorgestellt.
Meine Markierung fing nicht zu brennen an, sie flackerte nicht auf. Sie war also nicht meine markierte Partnerin. Aber das war kaum überraschend. Einer von hundert, wenn überhaupt, fand seine markierte Partnerin. Die meisten Everianer wählten ihre Gefährten nach denselben Maßstäben wie auf vielen anderen Welten auch; Anziehung, Respekt, Gemeinsamkeiten.
Verlangen. Die wenig greifbare Verbindung zwischen Liebenden. Diese Frau mochte zwar nicht meine markierte Partnerin sein … aber sie würde mir gehören.
Ich hatte mich vor einiger Zeit testen lassen. Und jeder Tag der verstrich, ohne das meine interstellare Braut eingetroffen war, hatte mir bewiesen, dass ich richtig lag. So etwas wie die perfekte Frau gab es nicht. Zumindest nicht für mich.
Jedenfalls nicht bis jetzt, bis ich sie erblickt hatte. Scheiße. Sie.
Ich dachte, sie würde zu meiner Zelle eilen und mich befreien. Stattdessen neigte sie den Kopf zur Seite; wahrscheinlich hörte sie dasselbe wie ich—noch mehr Hive-Soldaten, die durch die Gänge gerannt kamen. War sie eine Everianerin? Ein Mensch? Vike? Definitiv keine Atlanin. Von hier aus konnte ich es einfach nicht erkennen, nicht, ohne sie aus der Nähe zu sehen, sie zu berühren, ihre Haut zu riechen. Und die verfluchte Energiebarriere verhinderte genau das.
Sie machte sich wieder an der Transportsteuerung zu schaffen.
“Stopp. Sie kommen!” warnte ich. Ich schloss meine Augen und zählte die Schritte. “Es sind nochmal drei. Schwer.” Die Schritte wurden immer lauter, als größere, langsamere Kreaturen sich auf uns zu bewegten. Es musste sich entweder um Prillonen oder Atlanen handeln, die zu Kampfmaschinen der Hive integriert worden waren. Ich wusste, dass der Feind seine gefährlichsten Krieger in diesem Bereich unterbrachte, aber die Atlanischen Gefangenen waren auch auf dieser Etage und es brauchte eine Bestie, um gegen eine andere Bestie zu kämpfen. Die leichteren, schnelleren Soldaten wurden eine Etage drüber untergebracht oder bewachten die Landedecks. Mit einem Angriff so tief in der Basis hatten sie nicht gerechnet. Ich ebenfalls nicht.
War das überhaupt ein Angriff? Eine einzelne Frau rechtfertigte kaum einen größeren Gegenschlag. Allerdings hatte sie gerade eben drei ihrer Soldaten ausgeschaltet.
Die Hive hatten sich geirrt, wenn die gedacht hatten, dass sie hier sicher wären. Genau wie wir. Und ich würde ihnen die Hölle heiß machen, sollte ich je aus dieser Zelle rauskommen.
Die Frau ignorierte mich, also brüllte ich erneut: “Hier drüben! Du musst das Energiefeld von meiner Zelle deaktivieren! Ich kann helfen.”
Das ließ sie aufhorchen. Sie beugte sich runter und riss einem der toten Hive die Ionenpistole aus der Hand. Ein integrierter Vike. Dann kam sie herübergerannt und hielt lange genug inne, um das Steuerpanel neben meiner Zelle zu zerballern. Das Energiefeld brach sofort in sich zusammen und ich preschte vorwärts und nahm ihr die Pistole aus der Hand.
“Was ist hier los? Ich dachte, das ist ein Koalitionsstützpunkt.”
“Das war es auch, bis vor einer Woche. Die Hive sind reintransportiert und haben uns überrannt. Ohne Vorwarnung. Wir dachten, hier unten wären wir sicher.”
“Gibt es noch mehr Krieger? Andere Gefangene?” wollte sie wissen. Allerdings schaute sie mich nicht an. Sie blickte auf den Flur, wo in etwa fünf Sekunden drei weitere Hive auftauchen würden. Größer dieses Mal. Stärker.
“Es wurden viele hereintransportiert. Ich habe jeden einzelnen von ihnen gesehen. Keine Ahnung, wie viele davon noch leben.”
Ich lauschte wieder. Ein Atlane und zwei Prillonen, hätte ich raten sollen. Mist. Die würden nicht mit einem einzelnen Schuss niedergehen. Nein, sie wären sehr viel schwieriger totzukriegen.
Irgendetwas in meiner Stimme ließ sie aufhorchen, denn dieser dunkle Blick wanderte zu mir zurück und ich erblickte so etwas wie Trauer oder Mitleid in ihren Augen. Ich konnte nicht ausmachen, was genau von beiden es war und ich wollte weder das eine noch das andere.
“Geh in Deckung. Ich erledige sie.” Ich brauchte keine Mitleidsorgie. Jetzt, als ich befreit war und mit einer Waffe an der Hand, konnte die schwirrende Hilflosigkeit in meinem Kopf sich gefälligst zum Teufel scheren.
“Drei von ihnen werden gleich da sein. Und einer davon ist … war ein Atlane.”
“Ich weiß.”
Sie wusste es? Woher? Konnte sie ihn etwa auch hören?
Sie schaute mich nicht länger an, sondern war hinter der Ecke in Deckung gegangen, genau, wie ich es vorgeschlagen hatte, sodass nur ihre Schulter und ihre Ionenwaffe den Hive als Zielscheibe dienten.
Sie kniff die Augen zusammen und zielte.
Die Götter mochten mir helfen, sie war umwerfend. Wie zum Teufel hatte sie den feinen Unterschied in den schweren Schritten des integrierten Atlanen herausgehört? Mir war es klar gewesen, aber ich hatte Jägersinne. Sie war kein Elitejäger. Ich wusste nicht, was sie war, abgesehen davon, dass sie hübsch war—ich blickte kurz rüber auf die drei toten Viken auf dem Boden hinter ihr—und tödlich. Effizient. Skrupellos.
“Wer bist du?” Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen, auch wenn wir gerade auf den Feind warteten. Sie war ein Rätsel. Ein komplettes, totales Rätsel, das ich sehnlichst lösen wollte. “Und wie bist du hierhergekommen?”
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