Tobias Endler
Warum es den Westen nicht mehr gibt
Orell Füssli Verlag, www.ofv.ch
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Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich, unter Verwendung eines Fotos von © Daniel Pilar/laif
ISBN 978-3-280-05727-8
eISBN 978-3-280-09107-4
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.deabrufbar.
Die Welt, ein Spiel Die Welt, ein Spiel Wie Amerika sich neu sortiert – und warum das für uns wichtig ist »Liberty, justice, democracy, tolerance, equality … All nations whose people and government are set up in the service of this ideal are connected by it. But in reality, each nation achieves quite often a quite different version of that ideal.« – Anne-Marie Slaughter Donald Trump ist ein großartiger Golfspieler. Sagt Donald Trump. Genauer: »Der beste Golfspieler unter allen Reichen auf dieser Welt.« Diese Spielklasse hat der 45. Präsident der USA selbst definiert. Kein Problem für jemanden, der etwa auch alleine absolvierte Spielrunden auf seinen Golfplätzen als Clubmeisterschaften in den Annalen verbuchen lässt. »Wenn ich Golf spiele, gewinne ich.« Auch diese Aussage bekommen Politiker, Journalisten und Geschäftspartner häufiger zu hören, gleich, ob Trump auf dem Grün oder im Rosengarten des Weißen Hauses vor Mikrofonen steht. Was nach Koketterie und Großspurigkeit klingt, ist genau das. Und viel mehr. Im Juli 2014 bestreitet Tiger Woods eine Partie mit Trump. Die tropische Schwüle Floridas um diese Jahreszeit ist berüchtigt. Als beide nach dem Spiel verschwitzt vor die Kameras treten, stellt Trump zunächst klar, dass seine Haare ob der klimatischen Bedingungen zwar in Mitleidenschaft gezogen, jedoch zweifelsfrei echt seien. Woods, ebenso sehr Öffentlichkeits- wie Golfprofi, wahrt die Fassung und bescheinigt seinem Gegenüber ein passables Niveau. Ein knappes Jahr später verkündet Trump, der nicht nur beim Golf nach eigener Einschätzung immer gewinnt, seine Kandidatur um das höchste Amt im Staat. Weitere anderthalb Jahre später erhält er 63 Millionen Stimmen und findet sich entgegen aller Prognosen im Zentrum der Macht wieder. Als der Hausherr an jenem stickig-warmen Sommertag vor versammelter Presse seine Raffinesse und seine Risikobereitschaft lobt, und zwar im Spiel wie im Leben, hält niemand außer ihm selbst einen solchen Sieg für möglich.
Wie Amerika sich neu sortiert – und warum das für uns wichtig ist Die Welt, ein Spiel Wie Amerika sich neu sortiert – und warum das für uns wichtig ist »Liberty, justice, democracy, tolerance, equality … All nations whose people and government are set up in the service of this ideal are connected by it. But in reality, each nation achieves quite often a quite different version of that ideal.« – Anne-Marie Slaughter Donald Trump ist ein großartiger Golfspieler. Sagt Donald Trump. Genauer: »Der beste Golfspieler unter allen Reichen auf dieser Welt.« Diese Spielklasse hat der 45. Präsident der USA selbst definiert. Kein Problem für jemanden, der etwa auch alleine absolvierte Spielrunden auf seinen Golfplätzen als Clubmeisterschaften in den Annalen verbuchen lässt. »Wenn ich Golf spiele, gewinne ich.« Auch diese Aussage bekommen Politiker, Journalisten und Geschäftspartner häufiger zu hören, gleich, ob Trump auf dem Grün oder im Rosengarten des Weißen Hauses vor Mikrofonen steht. Was nach Koketterie und Großspurigkeit klingt, ist genau das. Und viel mehr. Im Juli 2014 bestreitet Tiger Woods eine Partie mit Trump. Die tropische Schwüle Floridas um diese Jahreszeit ist berüchtigt. Als beide nach dem Spiel verschwitzt vor die Kameras treten, stellt Trump zunächst klar, dass seine Haare ob der klimatischen Bedingungen zwar in Mitleidenschaft gezogen, jedoch zweifelsfrei echt seien. Woods, ebenso sehr Öffentlichkeits- wie Golfprofi, wahrt die Fassung und bescheinigt seinem Gegenüber ein passables Niveau. Ein knappes Jahr später verkündet Trump, der nicht nur beim Golf nach eigener Einschätzung immer gewinnt, seine Kandidatur um das höchste Amt im Staat. Weitere anderthalb Jahre später erhält er 63 Millionen Stimmen und findet sich entgegen aller Prognosen im Zentrum der Macht wieder. Als der Hausherr an jenem stickig-warmen Sommertag vor versammelter Presse seine Raffinesse und seine Risikobereitschaft lobt, und zwar im Spiel wie im Leben, hält niemand außer ihm selbst einen solchen Sieg für möglich.
Gewinnen um jeden Preis Gewinnen um jeden Preis Donald Trump hatte schon zu Zeiten als New Yorker Geschäftsmann einen zwielichtigen Ruf. Es ist ein offenes Geheimnis in der Immobilienbranche der größten Stadt Amerikas, dass der günstigste Beton von der Mafia geliefert wird. Trotzdem ist dem »Concrete Club« naturgemäß daran gelegen, möglichst diskret zu agieren. Ganz anders Trump. Der junge Unternehmer rühmt sich schon 1983 bei der Eröffnung des Trump Tower auf der 5th Avenue, ungleich billiger zu bauen als die Konkurrenz. Es bleibt genug Geld über, um den eigenen Namen in Gold am Gebäude anbringen zu lassen – ein Gebäude, das laut Trump 68 Stockwerke hat. Schon bald fliegt der Schwindel auf: Der Besitzer hat 10 Etagen hinzugedichtet. Er sieht darin keinerlei Problem, schließlich wolle in New York, wo Status alles ist, jeder möglichst hoch hinaus. Der Erfolg gibt ihm Recht, schnell übersteigt die Zahl der Mietanfragen die der Wohnungen im Turm. Trump wird diese Skrupellosigkeit beibehalten und über dreißig Jahre später in die Politik mitnehmen. Inzwischen gibt er sich keine Mühe mehr, seine Absichten zu verhehlen, im Gegenteil. An einem kühlen Januartag 2017 hält der neue Präsident der USA seine Antrittsrede. Nach nicht einmal zehn Minuten – Trump ist bereits heiser – fällt der entscheidende Satz: »From this day forward, it’s going to be only America first. America first.« »Ab dem heutigen Tag gilt nur noch eines: Amerika zuerst. Amerika zuerst.« Mit diesem schlichten Satz spricht Trump vielen seiner Landsleute aus der Seele. Mindestens so vielen ist diese Einstellung zutiefst suspekt. Nicht alle würden es wohl so direkt ausdrücken wie einer von Trumps Vorgängern im Amt, der ebenfalls im Publikum sitzt. George W. Bush bezeichnet die Rede des frisch Vereidigten später in texanischer Direktheit als weird shit , merkwürdigen Scheiß. Doch ist die Welt seit Bushs Zeiten eine andere geworden. Bush 43, ein Erzkonservativer mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein, hatte in Zentraleuropa wahrlich keinen guten Ruf: Zuerst der nicht zuletzt durch eine Lüge vor den Vereinten Nationen gerechtfertigte Krieg gegen den Irak. Dann die Arroganz gegenüber »old Europe«, das nicht mitziehen wollte. »Das alte Europa« wird 2003 Deutschlands Wort des Jahres, Zeichen dafür, dass die amerikanische Hybris hierzulande allergische Reaktionen hervorruft. Vielen erscheint allerdings bald zwei Jahrzehnte später eine Allergie im Vergleich zur handfesten Verkühlung, die derzeit die transatlantischen Beziehungen im Griff hat, vergleichsweise erträglich. Man wünscht sich angesichts Nr. 45 die alten Haudegen vom Schlage Bushs, John McCains und Madeleine Albrights zurück. Es wird beim Wunsch bleiben.
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