Emmerich Tálos / Herbert Obinger
Sozialstaat Österreich (1945–2020)
Emmerich Tálos / Herbert Obinger
Sozialstaat Österreich
(1945–2020)
Entwicklung – Maßnahmen – internationale Verortung
Aktualisierte und erweiterte Neuausgabe des 2005 mit der ISBN 978-3-7065-4153-4 im Studienverlag erschienenen „Vom Siegeszug zum Rückzug. Sozialstaat Österreich 1945-2005“.
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ISBN 978-3-7065-6086-3
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Satz und Umschlag: Studienverlag/Karin Berner
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Vorbemerkung
1. Sozialstaat Österreich im „Goldenen Zeitalter“ (1945–1985)
1.1 Von den Anfängen zum „Siegeszug“: Die Entwicklung des Sozialstaates bis 1985
1.2 Zum wirtschaftlichen und politischen Kontext sozialstaatlicher Expansion nach 1945
1.3 Das Profil des österreichischen Sozialstaates
1.4 Ausgestaltung der Sozialpolitikbereiche
1.4.1. Sozialversicherung
1.4.2. Armenfürsorge – Sozialhilfe
1.4.3. Arbeitsrecht
1.4.4. Aktive Arbeitsmarktpolitik
1.4.5. Familienrelevante Leistungen
1.4.6. Versorgungssysteme
1.5 Sozialstaat für alle: Der Versichertenkreis wird größer
1.6 Sozialstaatliche Expansion: nicht zum Nulltarif
1.7 „Goldenes Zeitalter“? Eine gemischte Bilanz
2. Sozialstaat zwischen Kontinuität und Veränderung (1985–2020)
2.1 Zwischen partieller Erweiterung und restriktiver Entwicklung
2.1.1. Die Regierungen von SPÖ und ÖVP (1986–1999, 2007–2017)
2.1.2. Die Regierungen von ÖVP und FPÖ/BZÖ (2000–2006, 2017–2019)
2.2 Verändertes Umfeld
2.2.1. Wirtschaftlicher Wandel
2.2.2. Demografischer Wandel
2.2.3. Änderungen in der Erwerbsarbeit
2.2.4. Individualisierung – Flexibilisierung
2.2.5. Armutsgefährdung
2.2.6. Migration
2.2.7. Änderungen des politischen Kontextes
2.3 Politische Optionen – Ideologische Orientierungen
2.4 Sozialpolitikbereiche
2.4.1. Pensionsversicherung
2.4.2. Arbeitslosenversicherung und aktive Arbeitsmarktpolitik
2.4.3. Gesundheitssystem – Krankenversicherung – Selbstverwaltung in der Sozialversicherung
2.4.4. Unfallversicherung
2.4.5. Pflegesicherung
2.4.6. Bedarfsorientierte Mindestsicherung – Sozialhilfe neu
2.4.7. Arbeitsrecht
2.4.8. Gleichbehandlungspolitik
2.4.9. Familienpolitik
2.4.10. Behindertenpolitik
3. Bestimmungsfaktoren staatlicher Sozialpolitik
4. Sozialstaat Österreich im internationalen Vergleich
4.1 Typologische Verortung
4.2 Österreichs sozialpolitische Entwicklung im internationalen Vergleich
4.3 Sozialstaatsindikatoren im Vergleich
4.3.1. Sozialausgaben
4.3.2. Finanzierung
4.3.3. Generosität der Sozialleistungen: Nettolohnersatzraten
4.3.4. Regulatorische Sozialpolitik: Arbeitsmarktregulierung
4.3.5. Armut und Ungleichheit
5. Ausblick
Verwendete Literatur
Zeittafel: Sozialstaat Österreich 1945–2020
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der Grafiken und Tabellen
Der Sozialstaat ist seit der Corona-Krise 2020 wieder in aller Munde. War in den 1970er Jahren vom „Siegeszug“, so ist heute vielfach von Problemen und Herausforderungen die Rede. Der Szenenwechsel ist unübersehbar: Bis Beginn der 1980er Jahre war der sozialstaatliche Entwicklungsprozess durch eine beachtliche Expansion gekennzeichnet. Ebenso wie in vielen anderen europäischen Ländern gelten die Nachkriegsjahrzehnte in Österreich als „goldenes Zeitalter des Sozialstaates“ (z. B. Flora 1986, XXII). Arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen wurden erweitert, das Leistungsspektrum der Sozialversicherung ausgebaut, deren Niveau erhöht. Immer mehr Menschen kamen in den Genuss sozialstaatlicher Absicherung. In einem mehr als hundertdreißig Jahre andauernden Entwicklungsprozess haben sich fünf große Bereiche des österreichischen Sozialstaates herauskristallisiert: die soziale Sicherung mit den beiden „Netzen“ der Sozialversicherung und Sozialhilfe, die Regelung der Arbeitsbedingungen und Arbeits beziehungen, die aktive Arbeitsmarktpolitik, der Komplex familienrelevanter Leistungen und die Versorgungssysteme.
Die gesellschaftliche Entwicklung im 20. Jahrhundert, insbesondere seit Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde davon wesentlich geprägt. Der eindrückliche „Siegeszug“ des österreichischen Sozialstaates währte bis Mitte der 1980er Jahre. Seit damals zeichnen sich allerdings merkbare Veränderungen ab, die in erster Linie das breit ausgebaute System der Sozialversicherung betreffen.
Der Veränderungsprozess war vorerst noch ein vergleichsweise moderater. Im Kontext eines verlangsamten Wirtschaftswachstums, steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Staatsverschuldung gerieten sozialstaatliche Leistungssysteme unter Druck. Zu diesen ökonomischen Problemen gesellten sich sozialpolitische Herausforderungen durch demografischen Wandel, gesellschaftliche Modernisierung, Migration und wirtschaftlichen Strukturwandel. Darüber hinaus hat sich das internationale Umfeld durch die europäische Integration, den Zusammenbruch der östlichen sozialistischen Staaten 1989 und die fortschreitende wirtschaftliche Globalisierung grundlegend verändert. Alle diese Veränderungen fanden im Wandel des Sozialstaates ihren Niederschlag.
Im Unterschied zur durchgehenden Expansion des Sozialstaates in den Nachkriegsjahrzehnten ist die jüngere Entwicklung durch mehr Ambivalenz geprägt: Partielle Erweiterungen und Modifikationen, beispielsweise bei familienpolitischen Leistungen, der Antidiskriminierungspolitik und in der Langzeitpflege, sind ebenso zu verzeichnen wie Leistungseinschränkungen und strukturelle Veränderungen. Letzteres ist ablesbar am Bruch mit traditionellen Zielvorstellungen wie auch an zum Teil einschneidenden Leistungskürzungen. Der Sozialstaat spielt im Bereich sozialer Sicherung zwar noch immer eine wichtige Rolle für soziale Lebensbedingungen. Allerdings wird seine Bedeutung in Bereichen wie der Alterssicherung eingeschränkt. Zur Sicherung des Lebensstandards im Alter, die eine der zentralen Zielvorstellungen des „Sozialversicherungsgrundgesetzes“ der Zweiten Republik, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) aus 1955, war, wird die staatlich geregelte Pension seit den gesetzlichen Änderungen unter der ersten Schwarz-Blauen Regierung (2003/2004) nicht mehr für alle reichen. Betriebliche und private Vorsorge spielen im Vergleich mit der vorangegangenen Entwicklung eine größere Rolle. Restriktive Trends sind auch für die Arbeitslosenversicherung und im Gesundheitssystem feststellbar.
Eine Herausforderung besonderer und seit der Nachkriegszeit einmaliger Art stellt die Corona-Pandemie des Jahres 2020 mit ihren äußerst negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und mit der damit zusammenhängenden enorm gestiegenen Nachfrage nach sozialstaatlichen Leistungen dar. Deren Auswirkungen auf den Sozialstaat Österreich lassen sich Ende 2020 noch nicht insgesamt abschätzen. Unübersehbar allerdings ist, wie unverzichtbar der breit ausgebaute Sozialstaat mit seinen Leistungen für die österreichische Gesellschaft ist.
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