1 ...6 7 8 10 11 12 ...37 Das Gesicht desselben bewahrte seinen spöttischen Ausdruck und verriet nicht die geringste innere Bewegung; er streckte nur in seiner unerschütterlichen Ruhe den Arm aus, presste die Faust des Chevaliers von Blignac in seiner breiten Hand und schüttelte sie mit solcher Heftigkeit, dass dieser einen Schmerzensruf ausstieß und seinen Degen auf die Dielen fallen ließ.
»Du lügst in deine Kehle hinein,« heulte der Gaskogner; »wenn die Sache so zugegangen wäre, wie du erzählst, ich hätte gewiss Herrn von Beaufort, gleichviel ob er Herzog oder Sohn eines Königs gewesen, gezwungen, mir Rechenschaft zu geben.«
»Sie taten das wirklich, denn der Hochmut fehlt Ihnen ebenso wenig als die Tapferkeit; aber Ihre Berufung hatte keinen anderen Erfolg, als dass Sie in die Bastille kamen, wodurch Sie die Aussicht verloren, die Kompanie zu erhalten, die Ihnen Herr von Montigny in seinem Regiments versprochen hatte. Ist das nicht Ihre Geschichte, und bin ich nicht gut über das, was Sie betrifft, unterrichtet, Herr Chevalier von Blignac?«
»Teufel, Teufel!« sagte Paul Bertaut, »es scheint mir, dass Sie sich weniger amüsieren, als Sie erwartet hatten, Herr von Blignac.«
Dieser machte in der Tat ein jämmerliches Gesicht; er trat dem Fremden näher.
»Wer sind Sie?« fragte er ihn. »Ich kann in meinem Gehirne hin und her suchen, ich finde darin keine Erinnerung, die mir Ihre Züge und Ihre Person zurückruft.«
»Das ist ziemlich natürlich, Herr Chevalier; ein Edelmann wie Sie geht an dem Insekt vorbei, das zu seinen Füßen kriecht, aber er hält es nicht der Mühe wert, seinen Blick zu senken, um es anzusehen.«
»Das alles sagt mir nicht Ihren Namen, und Ihr Name ist es, den ich wissen will.«
»Sie haben mich nicht darnach gefragt, als Sie mir die Ehre antaten, mich an Ihre Tafel zu ziehen; jetzt bin ich im Recht, wenn ich mich weigere, ihn zu nennen.«
»Ich werde ihn doch wissen, Gottes Tod!« rief der Chevalier, hob seinen Degen vom Boden auf, legte aus und schrie, während er mit dem Fuße zweimal gewaltig Appell schlug: »Ziehe dein Rappier, Schurke, und verteidige dich!« Der junge Kamerad Herrn von Blignacs warf sich zwischen ihn und den Fremden, der die Arme gekreuzt und sich nicht von der Stelle gerührt hatte.
»Zu meinem großen Bedauern«, sagte er mit seiner festen und ernsten Stimme, »bin ich genötigt, für den Herrn Partei zu nehmen und gegen Sie, mein lieber von Blignac. Ihre Absichten auf ihn waren gerade nicht christlich, und Ihre jetzige Empfindlichkeit verrät wenig guten Geschmack.«
»Partie zu vieren, Gottes Tod!« schrie der Gaskogner. »Zu mir, zu mir, lieber Herr Bertaut – ein schönes Duell! Das ist wahrhaftig noch mehr wert als das Landsknechtspielen.«
Der Jüngling lachte laut auf.
»Den Degen gegen meinen Cousin ziehen? – Daran dachten Sie nicht, Chevalier. Diese Nacht haben Sie gewiss kein Glück, und es ist gut für Ihre Taler, dass wir auf das Kartenspiel verzichtet haben. Stecken Sie den Degen ein! Zum Teufel! Sie können sich doch nicht mit einem Menschen schlagen, der sich nicht verteidigt.«
»Ich werde dich wiederfinden, Schurke!«
»Gott behüte Sie davor, Herr Chevalier,« sagte der Fremde, »und jetzt erlauben Sie mir, mich zu erklären. Wenn ich Ihnen eine Vergangenheit in das Gedächtnis rief, die Ihnen nicht angenehm zu sein scheint, so geschah dies nicht in der Absicht, Sie zu beleidigen; ich wollte Sie bloß vermögen, meinen Worten einige Aufmerksamkeit zu schenken, als ich von der Zukunft sprach.«
»Von der Zukunft?« wiederholten gleichzeitig die drei Gefährten.
»Ja, meine Herren, von der Zukunft«, antwortete der Unbekannte einfach, aber im Tone sehr fester Überzeugung.
In einer Sekunde war jede Spur von Zorn auf dem Gesicht Herrn von Blignacs geschwunden. »Bei dem Leben Gottes!« rief er. »Seid Ihr der Astrologe dieses nichtswürdigen Concini, der letzte, den man in Frankreich gesehen hat? Ich glaubte, man habe ihn auf dem Grèveplatze gehangen, nachdem man seine Geliebte verbrannt hatte.«
»Ich bin kein Astrologe, Herr Chevalier; ich bin ein Mann, der beobachtet, vergleicht und sich erinnert; nichts mehr.«
»Und was wird mir geschehen, wenn ich Euren Rat vernachlässige?«
»Es wird Ihnen noch Schlimmeres geschehen, als Sie bis jetzt erlebt haben.«
»Das ist wenig gesagt, mein Herr, und Eure Höflichkeit sollte so weit gehen, mir den Stein zu bezeichnen, an dem mein Gaul stolpern wird.«
»Ihre Leidenschaft, die Ihren Ruin herbeigeführt, Ihr Glück als Soldat gefährdet hat, wird Sie das Leben kosten, Herr Chevalier von Blignac.«
»Ich werde vielleicht vor Freude darüber ersticken, dass ich von Herrn von Mazarin hunderttausend Pistolen gewonnen habe, und die Erstarrung wird darnach kommen.«
»Nein, mein Herr, Sie werden eines gewaltsamen Todes sterben.«
»Das ist der Tod eines Soldaten, mein Teurer.«
»Danken Sie mir nicht zu sehr. Herr Chevalier,« erwiderte der Fremde, »denn ich muss noch hinzufügen, dass Sie durch den Strick umkommen werden.«
»Gehangen?«
»Gehangen.«
»Das ist weniger wahrscheinlich, lieber Herr, denn Ihr, der mich so genau kennt, solltet wissen, dass ich Edelmann bin und dass man die Edelleute nicht hängt.« »Ich erkläre nichts, Herr Chevalier – ich sage nur, was geschehen wird – das ist alles.«
»Gottes Tod! mein Herr,« sagte Paul Bertaut, sich dem Fremden nähernd, »vielleicht haben Sie mir auch etwas zu sagen.«
»Nach dem, was ich soeben Ihrem Kameraden gesagt habe,« erwiderte der Fremde, »ist Ihre Neugierde Kühnheit, mein Herr.«
Aber der Chevalier von Blignac trat dazwischen.
»Ich muss Ihnen sagen, mein Herr, dass dieses zweite Experiment für mich nichts beweisen würde. Man enträtselt leicht ein Gesicht, das, wie das meinige, den Namenszug aller Leidenschaften seines Eigentümers trägt; ebenso leicht ist es, ohne Anstoß auf einer Physiognomie von zwanzig Jahren zu lesen. Wollen Sie, dass ich der Perspektive, die Sie mir an meinem Horizont eröffnet haben, vollen Glauben beimesse, dann probieren Sie Ihre Wissenschaft auf dem Marmorgesichte meines Kameraden. Wenn Sie entdecken, was ich seit drei Jahren, in denen er mein Kamerad ist, vergebens suche, so werde ich an Ihre Kabbala glauben, als ob wir noch zur Zeit Katharinas von Medici lebten.«
Charles von Longval hatte seine Hand hingereicht. Der Fremde hatte sie kaum betrachtet, als er in das fieberische Nachsinnen des Weisen über das, was in seinen Augen den Charakter eines Wunders annimmt, versank.
»Sonderbar! Sehr sonderbar!« murmelte er.
»Nun wohl, Gottes Tod!« sagte der Gaskogner. »Ist Eure Zauberei schon in die Brüche gekommen?«
Der Fremde hatte sich seinem Nachsinnen vollständig entschlagen, und eine lebhafte Bewegung gab sich an ihm kund.
»Sie sind unter einem schrecklichen Stern geboren worden, mein Herr,« sagte er halblaut, »und in den Runzeln Ihrer Stirn wie in den tiefen Furchen Ihrer Hand sehe ich Ihre Existenz durch ein Unglück, von dem es wenige Beispiele gibt, beherrscht.«
»Hum, hum!« brummte der Chevalier von Blignac. »Das ist ja eine sich wenig kompromittierende Wahrsagerkunst.«
»Still!« gebot der junge Offizier.
»Sie haben geliebt; der Gegenstand Ihrer Liebe war mit Ihnen durch Bande des Blutes verwandt, und diese bis dahin so reine Liebe wurde ein Verbrechen – Sie haben fliehen wollen; Sie haben die Unermesslichkeit der Meere zwischen sich und die gelegt, die Ihnen nicht mehr angehören konnte; es war vergebens. – Ihr Bild hat Sie ohne Rast und Ruhe verfolgt. Die Probe war zu stark für Ihr Alter, Sie haben ihr nicht widerstanden. – Es kam eine Stunde, in der Sie, um sie wiederzusehen, das Heil Ihrer Seele auf das Spiel gesetzt haben würden. Sie haben sie wiedergesehen. – Auch sie erwartete Sie; auch sie hatte gelitten; sie verlangte Ihre Hilfe und bat Sie, zu ihr zurückzukehren. Sie gehorchten, und von diesem Augenblicke an war Ihre Existenz nur noch ein schrecklicher Kampf zwischen Pflicht und Leidenschaft. Diese Leidenschaft suchen Sie jetzt noch zu ersticken, denn neue Gefühle sind in Ihrem Herzen erwacht –«
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