Hernach hatte man hier dem Cato gar keinen Sohn gegeben: Gleichwohl waren die Stellen im englischen Trauerspiele gar zu schön, wo er den einen Sohn tot vor sich siehet, und den andern zur Feindschaft der Tyrannei ermahnet, als dass ich sie hätte weglassen sollen. Ich habe also den Portius beibehalten, ob ich ihm gleich ganz andre Szenen gegeben, als in beiden Tragödien geschehen; den Marcus aber habe ich nur tot vor ihn bringen lassen, nachdem ihn Pharnaz erleget hatte. Dieses musste ich geschehen lassen, weil ich keinen Sempronius oder Syphax mehr hatte, der in dem englischen Stücke befindlich war. Die letzte Handlung habe ich also fast ganz aus dem Addison beibehalten, außer dass ich die Personen geändert, und die Heiraten des Portius und des Juba weggelassen habe. Den Cato hergegen habe ich ganz was anders aus dem Deschamps davor sagen lassen, ehe er stirbt.
Übrigens wird ein jeder wohl sehen, dass hier sowohl die Person der Arsene, als ihre dem Pharnazes versprochene Ehe nur erdichtet worden. Herr Deschamps hat sich deswegen in seiner Vorrede sattsam gerechtfertiget: Weil dasjenige, was uns die Geschichte vom Tode Catons lehren, viel zu kurz gewesen wäre, eine ganze Tragödie auszufüllen. Es ist aber alles sehr wahrscheinlich eingerichtet, so dass niemand was Widersprechendes darin antreffen wird. Bei dieser Zwischenfabel nun, die sich so genau zur ganzen Hauptgeschichte schicket, hat man Gelegenheit eine sehr lasterhafte Person gegen die [20]Tugend des Cato zu stellen; um dieselbe desto mehr zu erheben: Wie etwa die Maler durch den Schatten das Licht desto mehr zu erhöhen wissen.
Ebenso verhält sichs mit der Person Cäsars. In der Tat ist selbiger nicht nach Utica gekommen; sondern es ist abermals nur erdichtet worden, um diese zween große Römer gegeneinanderzuhalten, und den Unterschied einer wahren und tugendhaften Größe, von einer falschen zu bemerken, die aus einem glücklichen Laster entstehet, so zuweilen den Schein der Tugend annimmt. Die Auftritte, da Cato und Cäsar miteinander sprechen, haben daher nicht wenig beigetragen, dass ich die Einrichtung der französischen Fabel der englischen vorgezogen. Der Verfasser hat auch die Kunst gewusst die Gegenwart Cäsars in Utica so wahrscheinlich zu machen, als es möglich gewesen: Indem er gedichtet, dass dieser Held nicht nur aus Begierde zum Frieden, sondern auch aus Liebe zu der vermeinten parthischen Königin sich in diese Gefahr gewaget. Was waget nämlich ein Verliebter nicht, um seinen Gegenstand zu sprechen! Oder vielmehr, was hatte Cäsar bei einem redlichen Cato vor Gefahr zu befürchten?
Endlich muss niemand denken, als wenn die Absicht dieses Trauerspieles diese wäre, den Cato als ein vollkommenes Tugendmuster anzupreisen, nein, den Selbstmord wollen wir niemals entschuldigen, geschweige denn loben. Aber eben dadurch ist Cato ein regelmäßiger Held zur Tragödie geworden, dass er sehr tugendhaft gewesen, doch so wie es Menschen zu sein pflegen; dass sie nämlich noch allezeit gewisse Fehler an sich haben, die sie unglücklich machen können. So will Aristoteles, dass man die tragischen Hauptpersonen bilden soll. Durch seine Tugend erwirbt sich Cato unter den Zuschauern Freunde. Man bewundert, man liebet und ehret ihn: Man wünscht ihm daher auch einen glücklichen Ausgang seiner Sachen. Allein, er treibet seine Liebe zur Freiheit zu hoch, so dass [21]sie sich in einen Eigensinn verwandelt. Dazu kommt seine stoische Meinung von dem erlaubten Selbstmorde. Und also begeht er einen Fehler, wird unglücklich und stirbt: Wodurch er also das Mitleiden seiner Zuhörer erwecket, ja Schrecken und Erstaunen zuwege bringet. Man hat ihn selbst zuletzt noch einen Seufzer zu den Göttern tun lassen, um dieselben um ihre Barmherzigkeit anzuflehen; im Fall er irgend zu viel getan hätte. Dieses kann allerdings auch ein Weltweiser tun: Wie man denn von dem Aristoteles schreibt, dass er mit dem Seufzer verschieden sei: Ens entium miserere mei!
Wie ich nun in dem allen die Regeln der Alten von Trauerspielen aufs Genaueste beobachtet zu haben glaube: Also habe ich das Vergnügen gehabt, zu sehen, dass dieses Stück auch Gelehrten und Ungelehrten in der Aufführung gefallen, und vielen von beiden Gattungen Tränen ausgepresset hat. Es ist wahr, dass die gute Vorstellung der theatralischen Hauptpersonen viel dazu beigetragen; darunter gewiss Cato, Portia und Cäsar die vornehmsten sind. Deswegen habe ich auch kein Bedenken getragen, nach dem Exempel der Franzosen und Engelländer, die Namen dieser und aller übrigen geschickten Personen hierbei bekanntzumachen. Ich überlasse es also verständigen Lesern, ob sie auch ohne die äußerliche Vorstellung, bei eigener Aufmerksamkeit einige Bewegungen dabei empfinden werden.
Geschieht dieses, so bin ich zufrieden, dass ich zum wenigsten das Gute der französischen und englischen Stücke nicht verderbet habe. Denn überhaupt bekenne ich, dass alles was an diesem meinem Cato zu loben sein wird, von dem Addison und Deschamps herrühret; alles Schlechte aber, mir selber und meiner Unfähigkeit in der tragischen Poesie zuzuschreiben sei. Ich erkenne es also nunmehro selbst, wiewohl zu spät, dass ich lieber einen bloßen Übersetzer abgeben; als mich selbst gewissermaßen zu einem tragischen Poeten hätte aufwerfen sollen.
[22]Personen des Trauerspiels
CATO |
Hr. Kohlhardt |
ARSENE oder PORTIA |
Fr. Neuberin |
PORTIUS, Catons Sohn |
Hr. Suppich |
PHENICE, Arsenens Vertraute |
Jgfr. Buchnerin |
PHOCAS, Catons Bedienter |
Hr. Gottschalck |
PHARNACES, König aus Pontus |
Hr. Neuber |
FELIX, sein Bedienter |
Hr. Türpe |
CÄSAR |
Hr. Koch |
DOMITIUS, sein Bedienter |
Hr. Jacobi |
ARTABANUS, ein Parther |
Hr. Schönemann |
CATONS Gefolge |
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CÄSARS Gefolge |
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Der Schauplatz ist in einem Saale, des festen Schlosses in Utica, einer wichtigen Stadt in Afrika.
Die Geschicht oder Begebenheit des ganzen Trauerspiels hebet sich zu Mittage an, und dauret bis gegen der Sonnen Untergang.
[23]Die erste Handlung
Erster Auftritt
Arsene, Phenice.
ARSENE.
Phenice, komm nur her, hier will ich mich verweilen;
Allhier soll Cato mir den besten Trost erteilen.
Von ihm erwart ich ihn, er ist der große Mann,
Auf den das freie Rom noch einzig bauen kann.
Ich selbst will ihm mein Glück und Leben anvertrauen, 5
Bei ihm will ich mich frei von so viel Wettern schauen,
Die mich bisher bestürmt. Mein Vater, wie man spricht,
Arsaces, hat nunmehr das letzte Lebenslicht
Mit Tod und Gruft vertauscht. Pharnaces aber lebet!
Und weil er sich hieher nach Utica erhebet: 10
So dringt das Unglück itzt ganz häufig auf mich ein;
So muss ich überall geplagt und trostlos sein.
PHENICE.
Prinzessin, soll der Held, vor dem sich Pontus beuget,
Der Euch so zärtlich liebt, Euch so viel Gunst bezeuget,
Sagt, soll Pharnaces nicht den Wunsch erfüllet sehn, 15
Als Euer Bräutigam.
ARSENE.
Er? Das wird nie geschehn!
PHENICE.
Warum entsetzt Ihr Euch? Prinzessin, da die Mienen,
Da selbst die Seufzer Euch schon zu Verrätern dienen.
Umsonst verstellt Ihr Euch. Die Tränen fließen zwar:
Allein aus Liebe bloß. Gestehts nur, ists nicht wahr? 20
[24]ARSENE.
Ich habe freilich mich bisher vor dir verstecket,
Und meine Schwachheit noch kein einzig Mal entdecket.
Mein Vater lebte noch. Wie hätt ichs wohl gewagt,
Da mir sein hartes Wort das Lieben untersagt?
Die Klugheit lehrte mich die Neigung zu verhehlen, 25
Und aus Verstellung den, der ihm gefiel, zu wehlen.
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