»Vielleicht kannst du mir bei mir meinen Sonntagskaffee servieren?«, schlug sie vor und fügte schelmisch hinzu: »Und Klavierspielen?!«
6. Backe, Backe … Weihnachtsüberraschung
(Eine Geschichte aus dem »Männerbacken«-Universum)
Katinka Uhlenbrock
Marios-Super war weihnachtlich geschmückt und sah aus wie eine Märchenwelt. Weißer Kunstschnee bedeckte jede Fläche, die nicht Tisch oder Sitzplatz war, weiß-silbrige Schneeflocken hingen in verschiedenen Größen und in unterschiedlichen Höhen und Abständen von der Decke, die Beleuchtung war in grün-rot gehalten und auf jedem der Tische standen kleine, geschmückte Tannen, die jeweils mit einer beleuchteten Lichterkette versehen waren. Sie waren die kleinen Geschwister der mächtigen Tanne, die im Eingangsbereich stand und unter der verpackte Geschenke schmückend ins Gesamtkonzept passten.
Selbst der Lärmpegel und die vielen Gäste in der Bar kamen nicht gegen die festliche Atmosphäre an, die auch vor den Toiletten nicht haltgemacht hatte. Wochen vor dem ersten Advent war der Chef, Mario, auf die Idee gekommen, Jeannine um Dekorationshilfe zu bitten. Etwas, was seine beste Freundin immer sehr ernst nahm und innerhalb weniger Stunden hatte sie die beiden Räume komplett umgestylt und sogar dem Zigarettenautomaten ein Weihnachtsoutfit verpasst und ihn in Santas Schlitten verwandelt.
Aber auch Geburtstage nahm Jeannine sehr ernst und so hatten die gemeinsamen Freunde ganz harmlos in der Bar Stellung bezogen. An ihrem Stammtisch sitzend, hatten sie eine Weile lang so getan, als wüssten sie von nichts, hatten sich flüsternd mit anderen Gästen unterhalten und als Mario endlich die bestellten Cocktails brachte, sprangen so gut wie alle Besucher der Gaststätte auf und stimmten in Jeannines »Happy Birthday« ein.
Mario guckte überrascht und irritiert, ließ sich hochleben und drücken und ließ sich sogar einen Moment lang auf den leeren Stuhl ziehen. Erst dann schien ihm aufzufallen, dass der ganze Jubel und Trubel ihm galt. Lachend wehrte er das erste Geschenk ab. »Mädels, ich habe heute keine Zeit für einen Geburtstag.«
»Das ändert aber nichts daran, dass du heute Geburtstag hast!«, protestierte Jeannine.
Mario verdrehte die Augen, erkannte aber eine Zwangslage, wenn er eine fand. Seine Freunde würden ihn nicht entkommen lassen, wenn er nicht mitspielte. Und je schneller er mitspielte, desto schneller würde er entkommen. Simple as that.
Mit gespielter Begeisterung, die rasch in echte umschlug, riss Mario das Geschenkpapier auseinander und betrachtete den Inhalt. Einen Karton, auf dem Teig, ein Backförmchen in Frauenform, ein Rezeptbuch und magisches glitzer-rosafarbenes Papier abgebildet war.
»Was ist das?«, erkundigte er sich misstrauisch.
»Eine Traumfrau«, erklärte Jeannine, als seien diese zwei Worte Erklärung genug. Waren sie auch, denn alle am Tisch, einschließlich Mario, hatten mitbekommen, wie Jeannine an ihrem Geburtstag das Glück gefunden hatte. Durch einen selbstgebackenen Traummann, der auch heute neben ihr saß und mit dem sie Händchen hielt, als seien die zwei miteinander verwachsen.
»Hasi«, meinte Mario mitleidig und legte seine Hand auf Jeannines, »ich brauche gar keine Traumfrau, ich brauche eine neue Kellnerin!«
»Wir könnten einspringen«, schlug Jeannine vor, erntete aber einen bösen Blick von ihrem Freund und ein energisches Kopfschütteln.
»Du würdest dem ersten Kerl, der dir auf den Hintern starrt, eine reinhauen und Lucy hier«, Mario zeigte auf Jeannines beste Freundin, aka Schwester des selbstgebackenen Traummannes, »sie würde mit genau demselben Kerl ins Hinterzimmer gehen.«
»Hei!«, machte Lucy, wirkte aber nicht wirklich empört. Seit sie sich von Javier getrennt hatte, war sie chronisch untervögelt und gab zu allem und jedem ihren sexistischen Senf dazu. Sie war wie eine Diva auf Sexentzug.
»Und Anja würde jeden Gast zu einer unserer Veranstaltungen nötigen«, erklärte Mario weiter und zeigte einen weiteren Schwachpunkt in Jeannines Vorschlag auf. Anja grummelte nur leise vor sich hin, widersprach aber nicht.
»Ich könnte einspringen!«, schlug Damon vor.
Mario überlegte einen Augenblick, doch dann schüttelte er den Kopf. »Mir reichen schon die anderen Frauen, da brauche ich nicht noch verliebte Teeniehorden, die wegen dir vor der Theke herumlungern.«
»Du bist einfach zu wählerisch!«, mutmaßte Jeannine und die anderen Freunde am Tisch nickten zustimmend.
»Bei meinen Kellern und Kellnerinnen oder bei einer gebackenen Traumfrau?«, erkundigte sich Mario, während er aufstand, um wieder seinen Platz hinter der Theke einzunehmen.
Fünf Minuten später reichte Jeannine ihrem Freund einen Zettel, den er erst für eine Bestellung hielt, dann erst erkannte er die silbernen Sterne und das rosafarbene Papier.
Er verdrehte die Augen. Trotzdem öffnete er den zusammengefalteten Zettel und las: »Wir haben abgestimmt und sind übereingekommen, dass du bei deinen Kellnerinnen noch wählerischer bist, als bei deiner Traumfrau.«
Widerwillig musste Mario lachen. Klar, seine Traumfrau musste schon Kellnerin sein – oder immerhin gewillt, eine zu werden. Seinetwegen auch Küchenchefin, okay wären auch noch Thekenkraft oder Küchenhilfe, mit allem anderen konnte er nichts anfangen. Er arbeitete hart und das fast rund um die Uhr, und wenn seine Traumfrau ihn zu Gesicht bekommen wollte, musste sie ohnehin in die Bar kommen. Also konnte sie folgerichtig auch gleich mit anpacken.
Grinsend setzte er diese Punkte auf die vorgefertigte Wunschfrau-Liste. Optik war ihm halbwegs egal, er hatte bezüglich von Haar- und Augenfarben keine Präferenzen. Dasselbe galt für die Figur der Frau. Er mochte kleine mollige Frauen genauso gerne wie die großen Modelltypen und Walküren waren bei ihm so willkommen, wie asiatische oder orientalische Frauen. Solange sie nett waren und irgendetwas Besonderes hatten, hatte Mario keine großen Ansprüche. Also setzte er »nett« auf die Liste, »Tier- und Kinderlieb«, »begeisterungsfähig«, »hilfsbereit«, »handelt vorausschauend« und – weil Jeannine gerade von der Toilette zurückkam und ihn in diesem Moment herausfordernd ansah, fügte er »sexy«, »temperamentvoll« und »dynamisch« hinzu.
Er reichte seiner Freundin den Zettel. »Und bevor du auf die Idee kommst, zu fragen: Nein, ich kann heute auf gar keinen Fall und unter gar keinen Umständen noch irgendetwas, irgendwo backen. Nicht einmal ansatzweise!«
»Dann ist ja gut, dass wir die Vorarbeit übernommen haben!«, lachte Jeannine und gab Damon ein Zeichen. Ihr Freund stand auf, nahm etwas mit und stellte es vor Mario auf den Tresen. Ein Teller mit einer weiblich anmutenden Teigfigur.
»Ausreden ziehen nicht, mein Freund!«, lachte Damon und amüsierte sich über Marios skeptischen Blick.
»Genau!« Anja und Lucy waren hinter Damon aufgetaucht und während Lucy das Schnapsgläschen hielt, schüttete Anja aus einer etikettenfreien Flasche eine grüne Flüssigkeit ein. Jeannine zündete das obskure Getränk an.
»Und jetzt den Zettel in die Flamme halten!«, befahl sie.
Unter den aufmerksamen Blicken der Freunde tat Mario wie ihm geheißen.
»Und jetzt ausmachen und trinken!«, erklärte Lucy und reichte Mario einen Bierdeckel.
Der Barbesitzer reichte einer der Kellnerinnen ein Tablett mit frisch gezapften Pils über den Tresen, bevor er den Brand löschte und die grüne Flüssigkeit mit einem Schluck trank.
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