Dann hob sie die Maschinenpistole und eröffnete das Feuer.
Hayden, die halb im Schlamm und Matsch vergraben und klatschnass war, feuerte aus der Hüfte und mähte mit jeder einzelnen Kugel einen Gegner nieder. Kinimaka hielt währenddessen den Alligator in Schach, der sich zu ihren Füßen wand und brüllte dabei vor Anstrengung; die Augen weit aufgerissen, während er nach einer Möglichkeit suchte, das Tier auf relativ sichere Weise loszulassen.
Boudreaus Männer hingegen rückten eher zaghaft vor. Boudreau, der die Nachhut bildete, brüllte sie an, um sie zur Eile anzuhalten. Als keiner von ihnen ihm Beachtung schenkte, schoss er einem seiner Soldaten in den Hinterkopf, um für die nötige Motivation zu sorgen.
In diesem Moment hörte sie ein Geräusch hinter sich. Bevor sie sich umdrehen konnte, packte jemand sie mit eisernem Griff am Hals und sie wurde hochgerissen.
Der Griff des Mannes bedeutete den Tod. Kinimaka war ebenfalls in Bedrängnis. Er sah, was passierte, konnte den Alligator aber nicht loslassen. Hayden entspannte den Körper und ließ den Arm mit der Waffe sinken. Dann zog sie den Abzug und verwandelte den Fuß des Mannes in einen blutigen Klumpen. Er ließ augenblicklich los und fiel nach hinten. Sie drehte sich um und feuerte ihm eine Salve in die Brust.
Unter Feuer stehend und am Ende ihrer Kräfte zerrte sie den Toten hinab ins flache Wasser.
»Tu es!«, schrie sie Kinimaka an. Der gewaltige Hawaiianer ließ daraufhin los und der Alligator raste davon. Sein Schwanz schlug wild um sich und blutiges Wasser spritzte in die Luft. Die suchenden Kiefer packten den Toten und dann schmeckte er Blut. Mit einem weiteren Schlag des gewaltigen Schwanzes verschwand er mit seiner Beute.
Kinimaka saß jetzt sichtlich erschöpft im Wasser. Hayden legte ihm einen Arm um die Schultern. Gemeinsam ignorierten sie den Feind einige Sekunden.
Dann hob Hayden erneut die Maschinenpistole. Die Gangster waren gerade dabei, aus dem Boot zu klettern, und hatten deshalb keine Deckung. Sie zielte und riss am Abzug, aber die Waffe verfügte über keine Munition mehr.
Sie senkte den Kopf. Eine Sekunde lang empfand sie pure Verzweiflung und Wut darüber, dass sie nicht in der Lage war, den Träumen ihres Vaters gerecht zu werden … dass sie seinem tadellosen Vermächtnis nicht genug Ehre machte.
Doch niemand konnte behaupten, sie hätten nicht alles gegeben.
Boudreau gestikulierte wild. Das Messer, das er benutzt hatte, um ihr Team zu töten, erschien wieder in seinen Händen und er fuchtelte damit durch die testosterongeschwängerte Luft.
Auf einmal vernahm sie ein Geräusch der Hoffnung und der potenziellen Rettung. Das Wupp, Wupp, Wupp schwerer Maschinen. Helikopter, die sich ihnen rasch näherten.
Diese waren zweifellos vom Militär und kamen jetzt wie Motorradfahrer, die in einem Rennen rasant eine Kurve nahmen, um die Biegung im Kanal.
Boudreau brüllte und plötzlich ging seine Stimme in ein angsterfülltes Kreischen über: »Schneller! Schneller! Jetzt sofort, ihr Arschlöcher! Wir müssen uns verstecken!«
Tja , dachte Hayden. Du hast versagt, du Bastard. Versuch mal, deinem verdammten Blutkönig unsere Flucht zu erklären.
Als Matt Drake Hayden Jaye erblickte, dachte er zuerst, sie sei bereits tot. Sein Herz setzte vor Angst einen Schlag aus, seine Kehle schnürte sich zusammen und er stellte sich vor, wie wohl Bens Reaktion ausfallen würde, doch dann bewegte sie sich. Der Hüne neben ihr rührte sich ebenfalls. Drake konnte kaum glauben, dass das wirklich ein Mensch war. Hayden wirkte im Vergleich dazu absolut winzig, aber sie schien vergnügt neben ihm zu sitzen.
»Was zur Hölle ist das?«, fragte einer der Jungs vom SEAL-Team. »Ein Nilpferd? In den Everglades?«
»Das ist dann wohl Mano.« Die ersten Worte, die Ben sprach. Seine Augen leuchteten und sein Herz pochte. »Sie hat erwähnt, dass er ganz schön riesig ist.«
»Riesig, ja«, sagte Drake. »Schön? Eher nicht.«
Der Helikopter ging nun in den Schwebeflug, während Drake und die anderen heraussprangen. Ihre Mission war es, Hayden Jaye zu retten, nicht den Feind zu verfolgen, also zeigten sie kein Interesse an der flüchtenden Mörderbande. Ben sprang ebenfalls aus dem Helikopter, klatschte prompt mit dem Gesicht voran ins flache Wasser, prustete und ruderte mit den Armen.
Aber das schien ihn dennoch kaum zu bremsen. Als er Boden unter den Füßen spürte, bahnte er sich so schnell wie nur möglich einen Weg zu Hayden. Drake war dicht hinter ihm und hörte, wie sie miteinander redeten.
»Ich habe gedacht, ich hätte dich verloren, Hay. Es tut mir so leid.«
»Ist doch nicht deine Schuld, Ben. Ich bin so froh, euch alle zu sehen.«
Mano Kinimaka ging es offensichtlich genauso.
Drake und der überlebensgroße Hawaiianer begrüßten sich kurz und dann war Hayden wieder ganz bei der Sache.
»Wir müssen schnellstens zurück zu deren Hauptquartier. Sie sind da so überstürzt verschwunden, dass sie bestimmt irgendetwas zurückgelassen haben.«
Drake warf einen Blick auf ihre zerrissene und mit Matsch beschmierte Kleidung, auf das Blut, das immer noch in ihren Haaren klebte und auf die Wunden in ihrem Gesicht. »Versteh das bitte nicht falsch, Hayden. Ich weiß, du hast gerade einen blutigen Kampf hinter dir. Aber bist du dir wirklich sicher? Du siehst ehrlich gesagt so aus, als würdest du gleich zusammenklappen.«
»Werde ich vermutlich tatsächlich, Drake. Aber diese Sadisten haben vier CIA-Agenten getötet und glaub mir, die sind hinter was viel Größerem her. Außerdem arbeiten sie für einen Mann, der vermutlich einer der übelsten Menschen der Geschichte ist … und das ist nur der Ruf, der ihm vorauseilt. Also, ja, ich bin mir verdammt sicher.«
Sie halfen Hayden und Kinimaka daraufhin zu den dröhnenden Hubschraubern. Das SEAL-Team stand Wache, aber nicht einmal der wilde Alligator ließ sich blicken. Fünf Minuten später waren sie wieder in der Luft.
Ben war so dicht an Hayden herangerückt, wie es nur ging. Seine eigene Kleidung war mittlerweile ebenfalls nass und dreckig. »Ich habe das Gefühl, ich habe nicht mal mehr geatmet, seit ich das letzte Mal mit dir geredet habe«, flüsterte er und alle taten so, als hätten sie nichts gehört.
Hayden rührte sich nicht. »Auf gewisse Weise ging es mir ebenso. Ben, ich kann das im Moment nicht. Noch nicht. Sie haben meine Männer getötet, sie direkt vor mir ermordet. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich alles getan habe, um ihren Tod zu rächen.«
Der Helikopter landete jetzt bei Boudreaus Hauptquartier. Drake gab Hayden ein Zeichen, zuerst auszusteigen und so vorzugehen, wie sie es für richtig hielt. Er winkte Ben und Kennedy zu sich. »Lasst sie einfach«, sagte er zu ihnen. »Mischt euch nicht ein. Selbst, wenn sie sich kaum auf den Beinen halten kann. Sie muss das selbst zu Ende bringen.«
Kennedy nickte. »Eindeutig.« Ben sah weniger überzeugt aus, stimmte aber zu, als Drake ihn ansah. »Es ist das Beste, Kumpel«, versicherte ihm Drake. »Gib ihr etwas Raum.«
Dann marschierten sie in das improvisierte Hauptquartier.
Schreie hallten aus Richtung der Gefängniszelle, die sich Hayden, Kinimaka und Godwin geteilt hatten, und erinnerten sie schmerzhaft daran, was mit dem toten Agenten passiert war.
»Was …«
Ein Mann des SEAL-Teams kam zu ihr gelaufen. »Miss Jaye, wir haben einen der Computerexperten geschnappt. Er ist da hinten.« Der Mann neigte den Kopf in die entsprechende Richtung. »Wir reden gerade mit ihm.«
»Lassen Sie mich …«
»Er ist ein Niemand. Die haben ihn zurückgeschickt, um Beweise und Informationen auf den Servern zu vernichten, aber er hat nur Befehle befolgt«, erklärte der SEAL-Typ. »Das heißt, da ist auf jeden Fall etwas zu finden. Es würde uns allerdings sehr helfen, Miss Jaye, wenn wir wüssten, wonach wir genau suchen.«
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