Billie Holiday - Lady sings the Blues

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Die Autobiografie der legendären Jazzsängerin Billie Holiday!
"Man hat mir gesagt, dass niemand das Wort ›Hunger‹ so singt wie ich. Genauso das Wort ›Liebe‹. Vielleicht liegt das daran, dass ich weiß, was diese Worte bedeuten. Vielleicht liegt das daran, dass ich stolz genug bin, mich an all das erinnern zu wollen, an Baltimore und Welfare Island, das katholische Heim und das Jefferson-Gericht, an den Sheriff vor unserm Haus in Harlem und die Städte in ganz Amerika, wo ich meine Beulen und Narben abbekommen habe, Philadelphia und Alderson, Hollywood und San Francisco, an jede Kleinigkeit. Alle Cadillacs und Nerze der Welt – und ich hatte von beiden schon einige – können das nicht aufwiegen oder vergessen machen. Alles was ich je von den Menschen gelernt habe, liegt in diesen beiden Worten. Zuerst braucht man etwas zu essen und ein bisschen Liebe, bevor man sich die Predigt von irgendjemandem über richtiges Verhalten anhören kann.
Alles, was ich bin und was ich vom Leben will, sagen diese beiden Wörter."

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Billie Holiday

LADY SINGS THE BLUES

Autobiografie

Aufgezeichnet von

William Dufty

Aus dem amerikanischen Englisch

und mit einem Nachwort versehen

von Frank Witzel

Billie Holiday 7 April 1915 17 Juli 1959 amerikanische Jazzsängerin - фото 1 Billie Holiday 7 April 1915 17 Juli 1959 amerikanische Jazzsängerin - фото 2

Billie Holiday (7. April 1915 – 17. Juli 1959), amerikanische Jazzsängerin, schreibt über ihr Leben und ihre Musik. Konfrontiert mit Rassismus, Gefängnis, Prostitution, Drogen und dem großen Musikbusiness, lebt sie ganz für ihre Hingabe an die Musik des schwarzen Amerika.

»Sie hatte wahnsinnig viel zu vergessen, und sie hinterließ eine Menge, was der Erinnerung wert ist.« (Mal Waldron)

Die Originalausgabe des vorliegenden Buches

erschien unter dem Titel Lady Sings the Blues ,

by Billie Holiday with William Dufty,

© Doubleday & Co., New York 1956

Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg

Schützenstraße 49 a · D-22761 Hamburg

www.edition-nautilus.de

Alle Rechte vorbehalten

© Edition Nautilus 1983

Deutsche Erstausgabe 1983

Umschlaggestaltung:

Maja Bechert, Hamburg

www.majabechert.de

unter Verwendung eines Fotos von

William P. Gottlieb

6., vom Übersetzer neu durchgesehene

und überarbeitete Auflage

ISBN 978-3-89401-781-1

Inhalt

1. Some Other Spring

2. Ghost of Yesterday

3. Painting the Town Red

4. If My Heart Could Only Talk

5. Getting Some Fun Out of Life

6. Things Are Looking Up

7. Good Morning, Heartache

8. Travellin’ Light

9. Sunny Side of the Street

10. The Moon Looks Down and Laughs

11. I Can’t Get Started

12. Mother’s Son-in-Law

13. One Never Knows

14. I’m Pulling Through

15. The Same Old Story

16. Too Hot For Words

17. Don’t Know If I’m Coming or Going

18. Travellin’ All Alone

19. I’ll Get By

20. No-Good Man

21. Where Is the Sun?

22. I Must Have That Man

23. Dream of Life

24. God Bless the Child

1. Some Other Spring

Meine Mutter und mein Vater waren noch Kinder, als sie heirateten. Er war achtzehn, sie war sechzehn, und ich war drei. Meine Mutter arbeitete als Mädchen bei einer weißen Familie, die sie sofort rausschmiss, als sie mitbekam, dass sie schwanger war. Auch die Familie von meinem Vater kriegte sich fast nicht mehr ein, als sie davon erfuhr. Es waren eben richtige Bürger, die nie davon gehört hatten, dass solche Dinge in ihrem Viertel von East Baltimore passierten.

Doch waren beide Kinder arm, und wenn man arm ist, wird man schnell erwachsen.

Es ist wirklich ein Wunder, dass meine Mutter nicht in einer Besserungsanstalt und ich in einem Waisenhaus landete. Aber Sadie Fagan liebte mich schon von dem Zeitpunkt an, als ich nichts weiter war als ein kurzer Rippenstoß, während sie den Fußboden putzte. Sie war zum Krankenhaus gegangen und hatte mit der Oberschwester ein Geschäft vereinbart. Sie hatte vorgeschlagen, den Fußboden zu putzen und die anderen Frauen, die dort lagen, um ihre Kinder zu bekommen, zu bedienen, sodass sie mich und sich durchbringen konnte. Und sie brachte uns durch. Sie war dreizehn an diesem Mittwoch, dem 7. April 1915, als ich zur Welt kam.

Mit der Zeit arbeitete sie ihre Schulden im Krankenhaus ab und nahm mich mit nach Hause zu ihrer Familie. Ich war damals schon so groß und aufgeweckt, dass ich aufrecht im Kinderwagen sitzen konnte. Mein Vater tat damals das, was alle Jungs taten: Zeitungen austragen, Botengänge erledigen und zur Schule gehen. Eines Tages kam er an meinem Kinderwagen vorbei, hob mich raus und fing an mit mir zu spielen. Aber schon kam seine Mutter angeschimpft. Sie zerrte ihn weg und rief: »Clarence, hör sofort auf, mit diesem Kind zu spielen. Die Leute werden noch denken, es wäre deins.«

»Aber es ist doch meins, Mutter«, sagte er. Als seine Mutter das hörte, fiel sie fast in Ohnmacht. Er war immerhin erst fünfzehn und trug noch kurze Hosen. Er nahm zwar schon Trompetenunterricht und hatte vor, Musiker zu werden, doch es sollte noch drei Jahre dauern, bis er für die Hochzeit lange Hosen bekam.

Nachdem sie eine Zeit lang verheiratet waren, zogen meine Eltern nach Baltimore in ein kleines altes Haus in der Durham Street. Meine Mutter hatte oben im Norden von New York und in Philadelphia als Dienstmädchen gearbeitet und all die reichen Leute mit Gasanschluss und elektrischem Licht gesehen. Also beschloss sie, sich auch so etwas anzuschaffen, und legte immer etwas von ihrem Lohn zur Seite. Als wir dann in Baltimore einzogen, waren wir die erste Familie der Umgebung, die Gas und Strom hatte.

Die Nachbarn wurden grün vor Neid: Meine Mutter ließ Gas installieren. Sie behaupteten, wenn man die Rohre legen würde, kämen die ganzen Ratten raus, und damit hatten sie auch recht, denn Baltimore ist berühmt für seine Ratten.

Mein Vater wollte immer Trompete spielen, kam aber nie dazu. Bevor er eine in die Hand bekam, schnappte ihn die Armee und verschiffte ihn nach Übersee. Es war typisch für ihn, dass er einer der wenigen war, die sich dort mit Giftgas die Lungen ruinierten. Hätte er Klavier gespielt, hätte man ihm wahrscheinlich in die Hand geschossen.

Die Gasvergiftung war das Ende seiner Hoffnungen als Trompeter und der Anfang einer erfolgreichen Karriere als Gitarrist. Er lernte in Paris Gitarre spielen, und das war auch sein Glück, denn es bewahrte ihn vor einem totalen Zusammenbruch, als er nach Baltimore zurückkam. Jetzt musste er eben Musiker sein. Er arbeitete bis zum Umfallen nach seiner Rückkehr und bekam schließlich einen Job bei den McKinney’s Cotton Pickers. Als er jedoch anfing, mit der Band auf Tournee zu gehen, war das der Anfang vom Ende unseres Familienlebens. Baltimore war für ihn jetzt nichts weiter als eine andere Tagesstation.

Als mein Vater in Europa im Krieg war, hatte meine Mutter in einer Fabrik gearbeitet, die Overalls und Uniformen für die Armee herstellte. Als er anfing zu reisen, gab es bei der Armee keine Arbeit mehr und meine Mutter dachte sich, dass es wohl besser wäre, wieder als Dienstmädchen in den Norden zu gehen. Sie ließ mich bei meinen Großeltern, die mit meiner Cousine Ida, ihren zwei kleinen Kindern, Henry und Elsie, und meiner Urgroßmutter in einem armseligen kleinen Haus wohnten.

Wir lebten in diesem winzigen Haus zusammengedrängt wie Ölsardinen. Ich schlief mit Henry und Elsie in einem Bett, und es machte mich verrückt, dass Henry es jede Nacht nass machte. Manchmal stand ich auf und saß bis zum Morgengrauen in einem Sessel. Am Morgen kam dann meine Cousine Ida rein, sah das Bett, hielt mich für die Schuldige und schlug auf mich ein. Wenn sie außer sich war, konnte sie ganz schön zuhauen, und das war dann nicht einfach ein Klaps auf den Po oder ein paar mit dem Lederriemen, nein, sie schlug mit ihren Fäusten oder einer Peitsche.

Sie verstand mich einfach nicht. Wenn andere Kinder etwas angestellt hatten, dann schwindelten sie sich einfach raus. Hatte ich hingegen etwas ausgefressen, dann erzählte ich es und gab alles zu. Sie bekam dann regelmäßig einen Anfall, nannte mich eine Sünderin und prophezeite, dass ich es nie zu etwas Ordentlichem bringen würde. Ohne Unterlass erzählte sie meiner Mutter, dass ich eines Tages wie sie mit einem Kind heimkäme und die verdammte Familie in Schmutz und Schande ziehen würde. Sie hielt den Ausdruck »Verdammt noch mal« für so verworfen, dass sie einmal einen Topf mit heißer Stärke nach mir warf, als ich es sagte. Zum Glück konnte ich mich noch ducken, sodass sie mich verfehlte.

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