Sie wartete ab. Ich trank meinen Kaffee und drehte mir noch eine Fluppe.
»Und das ist alles?«
»Das ist alles.«
»Das sind die schmutzigen Hintergründe?«
»Wer hat denn was von schmutzig gesagt? Sie haben einfach vorausgesetzt, dass Korruption im Spiel war. Aber das Ganze beweist nur, dass Tony ein Heuchler ist.«
»Er ist ein Heuchler. Was für eine Story.«
»Früher war’s das mal.«
»Steigen Sie vom Kreuz runter, Harry, sonst wird Ihnen noch schwindelig. Sagen Sie mir einfach, ob Sie noch was anderes gegen Sheridan in der Hand haben. Ist er korrupt? Vögelt er herum? Gibt’s etwas, das seine Frau dazu gebracht haben könnte, sich die Kehle durchzuschneiden? Wenn nicht, verschwenden wir hier meine Zeit.«
Ich dachte darüber nach.
»Nee, ich verschwende nur Ihre Zeit.«
Sie legte das Notizbuch weg.
»Ich werde Ihnen keinen abkauen, Harry, egal, wie sehr Sie mit dem Schwanz wedeln. Finden Sie sich damit ab und zwar schnell. Ich hab ein paar Anrufe gemacht. Es ist noch nicht durchgesickert, aber wenn es erst mal so weit ist, liegen wir am Boden und es rollt über uns hinweg.« Sie schaute auf die Uhr. »Herrje, es ist ja schon spät.«
»Verabredet?«
Sie zupfte an ihrem Pony und warf mir einen Kussmund zu, so ätzend wie Salzsäure.
»Spliss ist eine echte Plage, Harry. Eine Frau sollte auf ihr Äußeres achten.«
»Für den Fall, dass Kameras auftauchen?«
»Genau.« Sie packte alles in ihre Tasche und stand auf. »Vielen Dank für den Kaffee.«
»Hurra.«
Ich sah ihr nach, nippte an meinem Kaffee, grübelte über den Zeitungsartikel nach und fragte mich, warum sie ihn liegen gelassen hatte. Dann stieg ich die drei Treppen hinauf ins Büro in der Hoffnung, dass jemand seinen Hund vermisste.
Das Geräusch von thailändischem Take-away, das in den Mülleimer geknallt wird, verkündete mir, dass die Bürotür bereits offen war. Das bedeutete, das jemand eingebrochen war. Allerdings musste man kein Genie sein, um das zu bewerkstelligen, die größte Herausforderung dabei wäre, die Tür nicht versehentlich aus den Angeln zu heben. Ein dicker Junge hätte bei mir einbrechen können, bloß indem er sich gegen die Milchglasscheibe lehnte.
Es hätte ein ziemlich gelangweilter dicker Junge sein müssen, denn in meinem Büro gab es nur einen Schreibtisch, zwei Stühle und einen Aktenschrank mit immerhin drei Ordnern, zwei davon mit bezahlten und unbezahlten Rechnungen. Welcher davon der dünnere war, kann man sich denken. Der dritte Ordner war für die Aufträge bestimmt und eindeutig magersüchtig.
Der dicke Junge ging auf die vierzig zu, er sah aus wie ein türkischer Ringer, der in einem rostroten Armani-Anzug feststeckte. Er hatte wulstige Lippen und eine breite Nase. Seine Schweinsaugen waren klein, schwarz und leblos, sein Haar mit viel Gel straff nach hinten gekämmt.
Er nickte mir freundlich zu, als ich eintrat.
»Nett hier«, sagte er mit einer Reibeisenstimme. Er stieß die einzelnen Worte kurz und hastig aus, aus dem Mundwinkel, als wären sie auf diese Weise billiger. Ich nickte zurück, freundlich wie ein ganzer Kirchenchor.
»Hallo. Wer zum Teufel sind Sie?«
»Herrje, entspannen Sie sich.«
»Entspannter geht’s leider nicht. Ich hab zu viel Kaffee intus, ein Magengeschwür und die Folgen des Drogenmissbrauchs in meiner frühen Jugend machen sich allmählich bemerkbar. Ich würde zum Arzt gehen, aber der ist schon zum zweiten Mal in diesem Jahr auf Entzug, und das Heroin hilft uns auch nicht weiter, zumal im Moment ziemlich viel davon in Umlauf ist. Also, wer zum Teufel sind Sie?«
Ich wusste, wer er war. Frank Conway, ein Immobilienhändler, der nebenher mit Gebrauchtwagen handelte. Viele Leute kannten Frank Conway. Er war erst seit achtzehn Monaten in der Stadt, fuhr aber ein silbergraues Cabrio, einen Mercedes SL, Baujahr ‘84, der wie neu aussah und mit einem Motor ausgestattet war, den man nicht überhören konnte. Bislang waren wir einander noch nicht offiziell vorgestellt worden, aber da ich bereits einen .38er im Gürtel stecken hatte und Gonzo zurückkommen würde, brauchte ich wirklich nicht noch mehr Ärger. Und Frank Conway bedeutete Ärger. Gerüchten zufolge kamen Franks Autos vollgestopft wie Apothekerschränke und für jede Party einsatzbereit über die Grenze.
»Ich frage nur, weil montags hier der Müll abgeholt wird, und ich möchte nicht, dass jemand Sie mit dem Abfall verwechselt.«
Er schenkte mir ein dünnes Lächeln und deutete mit dem Kopf zur Milchglasscheibe mit dem Schriftzug »Harry J. Rigby, Unabhängiges Ermittlungsbüro«.
»Wofür steht denn das J?«
»Das bedeutet raus aus meinem Sessel, verdammt noch mal.«
Er stand auf, streckte sich und zeigte mir, dass er wirklich so groß war, wie er glaubte. Er ging um den Schreibtisch herum, um sich in den anderen Sessel zu pflanzen. Ich setzte mich auf meinen Platz, stellte den Kaffeebecher ab und drehte mir eine Fluppe.
Er sagte: »Haben Sie sich hier drin schon mal verlaufen?«
»Tut mir leid, kein Sarkasmus vor dem Frühstück. Also, sind Sie nur gekommen, um die Inneneinrichtung ein bisschen zu verändern, oder kann ich wirklich was für Sie tun?«
Normalerweise verzichte ich auf das Sprücheklopfen, aber ich mochte Conway nicht. Er war mir zu glatt, zu clever, wirkte abgeleckt wie ein zufriedener Kater, und ich hasse Katzen, besonders zufriedene. Er lehnte sich zurück und legte ein Bein übers andere.
»Kriegen Sie viele Aufträge mit dieser Einstellung, Kumpel?«
»Dienstags kriege ich Depressionen wegen meiner Einstellung. Aber montags komme ich mir immer noch schlau vor. Fangen Sie also ruhig noch mal von vorn an. Wenn Sie sich gut benehmen, höre ich vielleicht bis zum Schluss zu, aber nur, weil ich mich schon seit Tagen nicht mehr amüsiert habe.«
Eigentlich hoffte ich, Conway würde den Wink verstehen und sich davonmachen, aber er beugte sich bloß vor und schnippte die Asche seiner Zigarette nachlässig in den Aschenbecher. Er stemmte die Ellbogen auf den Tisch, räusperte sich und sagte: »Sie sind doch Harry Rigby?«
»Wenn Sie nicht vom Finanzamt kommen, dann ja.«
»Und Sie sind Privatermittler?«
»Ich bin Berater für Recherchen.«
»Ist das eine seltene Tierart oder tun Sie wirklich was?«
Ich holte tief Luft und ließ meinen üblichen Sermon ab. »Ich recherchiere Informationen, die Privatpersonen normalerweise nicht zugänglich sind. Überprüfe die Kreditwürdigkeit von potenziellen Geschäftspartnern, mache ehemalige Geliebte ausfindig, solche Sachen. Ich führe verdeckte Observationen für Versicherungsgesellschaften durch, wenn ein begründeter Verdacht auf Betrug besteht. Ich dokumentiere Untreue oder ich beweise, dass die Verdächtigungen eines Ehemanns nicht mehr sind als Verdächtigungen. Ich assistiere Firmen bei der Sicherheitsüberwachung, und manchmal laufe ich geplatzten Schecks hinterher. Verschwundene Hunde und Familienstammbäume gehören zum Standardgeschäft. Als Bonus biete ich kreative Steuerrückerstattung, Fast Food, Nachtschichten und protestantische Verschwiegenheit an. Das Magengeschwür hatte ich schon, bevor ich diesen Beruf ergriffen habe. Der Kaffee wird kalt.«
Er nickte und lehnte sich zurück. Holte tief Luft und drückte die Brust durch. Verdacht auf Untreue, schätzte ich.
»Ich heiße Conway, Frank Conway. Und das hier ist streng vertraulich.«
»Stellen Sie sich vor, ich wäre der Pfarrer, das machen alle Frauen so.«
Er lachte, bellend und nasal.
»Sie sollten mal meine Frau kennenlernen.«
»Mag sie Männer mit Humor?«
»Sie findet alle Männer saukomisch.«
»Hat sie auch einen Namen oder wäre das womöglich wichtig?«
»Helen.«
Ich holte einen Notizblock aus der Schublade und schrieb ein paar Stichworte auf.
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