Declan Burke, geboren 1969 in Sligo, lebt bei Dublin und ist einer der innovativsten Krimiautoren Irlands. Zudem ist er Buch- und Filmkritiker für u. a. die Irish Times und betreibt die Website Crime Always Pays . Burke hat zahlreiche Krimis veröffentlicht; auf Deutsch sind bisher erschienen Absolute Zero Cool und The Big O .
Declan Burke
Kriminalroman
Aus dem Englischen übersetzt von Robert Brack
Die Originalausgabe des vorliegenden Buches erschien unter dem Titel Eight Ball Boogie bei Sitric Books, 2003.
Edition Nautilus GmbH
Schützenstraße 49 a · D - 22761 Hamburg
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Alle Rechte vorbehalten · © Edition Nautilus GmbH 2018
Deutsche Erstausgabe März 2018
Umschlaggestaltung: Maja Bechert, Hamburg
www.majabechert.de
Titelfoto: Steve81 / photocase.de
Autorenporträt Seite 2 Declan Burke, geboren 1969 in Sligo, lebt bei Dublin und ist einer der innovativsten Krimiautoren Irlands. Zudem ist er Buch- und Filmkritiker für u. a. die Irish Times und betreibt die Website Crime Always Pays . Burke hat zahlreiche Krimis veröffentlicht; auf Deutsch sind bisher erschienen Absolute Zero Cool und The Big O .
: Kathy Burke
ePub ISBN 978-3-96054-069-4
Dieses Buch ist mit großer Hochachtung meinen Eltern Kathleen und Harry Burke gewidmet
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Wenn es um fünf Uhr morgens an der Tür klingelt, bedeutet das schlechte Nachrichten: Jemand ist tot oder stirbt gerade. Deshalb lief Imelda so eilig die Treppe hinunter, im Nachthemd, und tapste mit nackten Füßen über die kalten Fliesen. Verstört, weil sie glaubte, jemand liege im Sterben.
Deshalb konnte der Mann mit dem Messer ganz dicht an sie herankommen, es unter ihren Armen hindurchführen und die Klinge mit voller Kraft direkt unterhalb des Kinns in ihren Hals stoßen. Er zerfetzte die Halsschlagader, und alles spritzte über die Veranda, Blut, Glas und Chrom – man hätte das Ergebnis in einer Galerie ausstellen können.
So etwas passiert schon mal, wenn auch nicht unbedingt in Neubausiedlungen an der Atlantikküste, und eher selten einer Frau mittleren Alters, die mit einem parteilosen Politiker verheiratet ist, der die Regierung blühen und gedeihen lässt. Aber es passiert. Es ist natürlich eine Schande, zum Heulen, also heult und schämt euch ein bisschen und dann lasst es gut sein. Die restliche Woche wird anstrengend, und nichts wird den irren Lauf der Dinge aufhalten.
Mein Job war, herauszufinden, wer es getan hatte und warum, für zwölf Cent pro Wort, alles korrekt und in der richtigen Reihenfolge. Genug Fakten, ein solider Aufhänger, damit es vielleicht sogar für einen Artikel auf der Titelseite taugte, den ich ausschneiden und in dem verstaubten Ordner unter meinem Bett abheften könnte. Imelda Sheridan war tot, Pech für sie, aber auch ein Silberstreif am Horizont kann schnell hinter einer Wolke verschwinden.
Wie auch immer, so hat alles angefangen.
Es war ein Montagmorgen, drei Tage vor Weihnachten, so ein Montag, der gut in der Lage war, für sich selbst zu sorgen. Ich schob mir ein Kissen hinter den Rücken, drehte mir eine Fluppe mit einer Prise Dope und verzwirbeltem Ende, um ihr die Schärfe zu nehmen. Meine Augen waren verklebt, mein Magen verkorkst, mein Schädel vibrierte wie ein straff gespanntes Seil. Im Zimmer stank es nach Mundgeruch, gelangweiltem Sex und kaltem Zigarettenrauch.
Ich zündete den Joint an und schaute zu, wie Denise schlief. Das hatte ich schon länger nicht mehr getan, hatte keine Gelegenheit gehabt. Ich hatte mich über sie hergemacht und fragte mich nun, ob ich überhaupt noch Geschmack an ihr fand. Schlafend und entspannt sah man ihr das Alter an, so langsam rutschte sie auf die solide Seite der Dreißiger. Dunkle Härchen an ihren Mundwinkeln, ihre Nase hätte etwas zu groß gewirkt, wenn ihre Ohren kleiner gewesen wären. Volle lachsfarbene Lippen, schulterlanges kastanienbraunes Haar mit rötlichem Schimmer. Wenn sie die Augen aufschlug, würden sie groß und braun sein. Sie meinte, sie hätte ein paar Kilo zu viel auf den Hüften, aber ich mochte ihre Kurven und hatte lieber ein bisschen mehr als ein bisschen weniger von ihr.
Sie roch das Dope, und ihre Lider flatterten. Sie schaute mich träge an, rieb sich ein Auge und gähnte. Dann murmelte sie emotionslos: »Raus.«
»Ene, mene, muh und raus bist du.«
Ich zog an meinem Joint und kicherte.
»Raus, Harry. Geh nach Hause.«
»Weißt du überhaupt, wie spät es ist?«
»Nein, aber ich würde sagen, es ist so kurz nach Hauendlich-ab.« Sie lächelte müde, in ihrem Blick lagen Bedauern und etwas, das ich noch nie vorher gesehen hatte. »Komm schon, Harry. Du weißt, dass du gehen musst.«
»Na schön, wenn’s sein muss.«
Ich drückte die Kippe aus und griff fröstelnd nach meinem T-Shirt. Schneeregen klatschte gegen das Fenster.
»Willst du mir unter der Dusche Gesellschaft leisten?«
»Keine Dusche, Harry. Es gibt kein warmes Wasser.«
»Verfluchte Scheiße, Dee.«
Offiziell waren wir auseinander. Offiziell schlief ich im Hinterzimmer meines Büros im Old Quarter. Bei unseren ständigen Streitereien war viel von Bens Spielzeug zu Bruch gegangen, und mein Geld war dafür draufgegangen, es zu ersetzen. Miete zu zahlen war nicht drin.
Nebenbei bemerkt, Denise probierte gerade aus, ob sie wohl auch mit einem Kind an den Hacken noch einen abkriegen würde. Ich tat so, als würde ich es nicht bemerken, die Wahrheit ist wie eine kaum verheilte Wunde, an der man besser nicht zu viel rumfummelt. Gestern Abend waren wir zur selben Zeit am selben Ort gewesen und hatten die gleiche Menge Alkohol konsumiert. Das war alles, und das reichte einfach nicht.
Sie setzte sich auf, warf sich einen dünnen weißen Baumwollbademantel über und sagte müde: »Zieh dich einfach an und geh, Harry. Bitte.«
Sie zeigte mir, wie man das macht, indem sie das Zimmer verließ.
Ich zog mich an und ging nach unten. Sie stand im Flur und schaute das Telefon an, als wäre es eine tickende Zeitbombe. Ben lag im Wohnzimmer auf dem Boden und schaute sich einen Zeichentrickfilm an, den Ton irre laut gestellt. Er trug Dinosaurier-Hausschuhe und hatte eine »Action Man«-Fliegerbrille um den Hals. Ich schwafelte irgendwas, wir könnten ja einen Schneemann bauen, wenn der Schnee liegen bleibt, und ihm Mums Mantel überziehen, aber Ben hörte gar nicht zu, und dann rief sie mich in die Küche.
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