»Mir reicht's für heute, euch Jungs noch viel Spaß«, rief er. Die anderen paddelten schon wieder hinaus, während Drake sich gegen den Sog des zurückströmenden Wassers in Richtung des goldglänzenden Strandes aufmachte. Dort angekommen öffnete er den Reißverschluss seines Anzugs und lockerte das Oberteil, dann schnappte er sich sein Board und trottete auf seinen Bungalow zu. Schon nach diesen wenigen Monaten war er sich eigentlich sicher, dass er hierbleiben wollte, also überlegte er, ein Haus zu kaufen. Doch jedes Mal, wenn er sich online die Angebote anschaute, kam er sich vor wie der letzte Snob. Auch wenn er das Geld locker hatte, schienen ihm die Preise absolut astronomisch für eine reine Ansammlung verschiedener Zimmer. Es war doch einfach Wahnsinn, sieben bis zehn Millionen für nicht einmal zwanzig Meter Strandbreite zu zahlen, mit Nachbarhäusern, die links und rechts angeklatscht waren.
Als er sein holzverkleidetes Domizil erreichte, das gegen die umliegenden Gebäude nur briefmarkengroß wirkte, sah er einen blonden Haarschopf über den Zaun des Nachbargrundstücks lugen. Es folgte eine winkende Hand, die zu einer atemberaubend schönen, jungen Frau gehörte: Kyra, der Tochter eines Filmproduzenten, die im Hause ihres Vaters wohnte, um sich einen Namen in der Filmbranche aufzubauen. Mit ihren zwanzig Jahren war sie ein Produkt absoluter genetischer Perfektion und ihr bloßes Erscheinen würde wohl in allen Ländern der Welt ausreichen, um einen Verkehrsstillstand herbeizuführen. Drake fiel auf, dass ihr Bikini nicht viel mehr zu sein schien als eine Kordel. Offensichtlich hatte sie sich oben ohne gebräunt und kämpfte nun damit, ihr Oberteil wieder in die richtige Position zu bringen, was ihr jedoch nur teilweise gelang. Ob das Absicht oder ein Versehen war, konnte Drake nicht sagen.
»Hey Drake, du alter Surfer, machst ja eine gute Figur da draußen!«, rief sie mit ihrer melodiösen Stimme.
»Danke, Kyra. Wie läuft's bei dir?«
»Mein Agent hat mir noch ein paar Vorsprechen organisiert. Ich habe wirklich das Gefühl, meine große Stunde kommt bald!«
Drake strich sich verlegen die Haare nach hinten und versuchte, nicht auf ihre makellos gebräunte Haut zu starren oder sich in ihren strahlend blauen Augen zu verlieren. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich hoffe es! Für mich lief das Jahr bisher auch ganz gut.«
Sie schaute ihn an, wie eine Katze ein frisch geschlüpftes Küken mustern würde, wobei ihr Blick an seiner wohlgeformten Brust und den trainierten Oberarmen hängenblieb. »Das ist wohl die Untertreibung des Jahres!«
»Ich bin sicher, du wirst auch etwas leisten, das dich berühmt macht, Kyra. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
Damit hatte er recht. Sie las Dialogzeilen mit der Überzeugungskraft eines Steines, auf den ein Gesicht gemalt war, aber die Verbindungen ihres Vaters würden sie früher oder später zum Star machen, da war er sicher.
»Für dich ist das leicht zu sagen. Du hast ja schon den Jackpot abgeräumt! Vielleicht solltest du ein Buch darüber schreiben … oder noch besser, eine Reality-Show, gleich hier am Strand!«
»Ich fürchte, so spannend ist mein Leben nicht, Kyra.«
»Ach, mach dir da mal keine Sorgen. Das ist doch alles inszeniert. Die denken sich irgendwelche Sachen aus und du spielst einfach mit. Hey, ich könnte doch auch mitmachen! Ich könnte die Schauspielerin sein, die Karriereprobleme hat! Das wäre der Wahnsinn! Lass mich ein paar Anrufe machen …«
»Danke, Kyra, aber ich bin hierher gezogen, um genau diesem Rummel zu entkommen!«
Sie schaute ihn bewundernd an. »Siehst du, du bist ein ganz besonderer Mensch! Jeder andere würde sich einschleimen ohne Ende, um eine eigene Sendung zu bekommen. Dir ist das alles ganz egal!«
»Wahrscheinlich sollte ich mal zum Arzt gehen«, scherzte Drake und grinste sie an. Sie reagierte mit einem Schmollmund und lächelte dann zurück.
»Komm doch nachher auf einen Margherita oder so etwas bei mir vorbei«, sagte sie mit unschuldigen Worten, wobei ihre Körpersprache keinen Zweifel daran ließ, was sie mit »so etwas« meinte.
»Super, danke … ich komme vielleicht darauf zurück«, sagte Drake, als er sich wieder seiner Haustür zuwandte, die er nie verschloss. Schließlich hortete er keine Reichtümer und er wusste, dass seine Nachbarn es ebenso machten – ein weiterer Beweis, dass Malibu sich stark von der echten Welt auf der anderen Seite des Hügels unterschied. Doch jetzt entdeckte er zwei Männer in Anzügen, die auf der anderen Seite der offenen Glastür seiner Terrasse standen und ihn mit überkreuzten Armen streng anschauten.
»Was zur Hölle…«
Der Größere von beiden trat nach vorn. »Mister Ramsey, entschuldigen Sie unser Eindringen, aber wir haben geklopft und die Tür war offen. Es wäre sicher besser, Sie würden abschließen«, sagte er, wobei seine Stimme so angenehm klang wie Fingernägel auf einer Schultafel. »Bitte, kommen Sie herein. Wir benötigen einen Augenblick Ihrer Zeit.«
»Und Sie sind …?«
»Jemand, mit dem Sie sich dringend unterhalten sollten«, sagte der andere Mann, der nach einem Seitenblick auf Kyra seine Stimme senkte. »Wir kommen aus Washington.«
»Drake? Ist alles in Ordnung?«, fragte Kyra und näherte sich seinem Haus, indem sie die Treppen von ihrer Veranda herunterkam.
Drake beobachtete die beiden Männer, die sich weiter in den Halbschatten seines Wohnzimmers zurückzogen, um nicht gesehen zu werden. Dann nickte er. »Ja. Aber wenn ich in zehn Minuten nicht wieder auftauche, ruf die Polizei!«
»Ich kann Ihnen versichern, das wird nicht nötig sein«, sagte der erste Mann, als Drake sein Surfbrett gegen das klapperige Holzgeländer lehnte. »Mein Name ist Collins, das ist Ross.«
Drake atmete tief durch und wandte sich den beiden Männern zu. »Was wollen Sie? Und wer gibt Ihnen das Recht, in mein Haus einzudringen?«
»Sie und mein Boss hatten vor ein paar Monaten ein Gespräch. Vielleicht erinnern Sie sich daran?«, sagte Collins und ignorierte damit Drakes Frage.
Drake nickte, wobei sich seine Stimmung deutlich verschlechterte. Er konnte sich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. »Klar. So etwas Unangenehmes vergisst man nicht so schnell.«
»Ich komme zur Sache. Wir haben ein Problem, bei dem wir Ihre Hilfe brauchen. Kommen Sie doch herein, damit wir darüber reden können.«
»Mir gefällt es hier draußen besser, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, antwortete Drake.
»Ramsey, tun Sie uns einen Gefallen und regen Sie sich ab, okay?«, knurrte Ross. »Kommen Sie rein, nehmen Sie sich eine Limo oder was auch immer und hören Sie uns an. Dann gehen wir. Sie sind zu nichts verpflichtet.«
Drakes rechte Augenbraue hob sich. »Ich bin zu nichts verpflichtet?«
»Das haben Sie richtig gehört«, bestätigte Collins.
Drake seufzte, zog sich sein Neopren-Oberteil ab und drapierte es auf dem Geländer der Terrasse. »Dann fassen Sie sich kurz. Ich muss meine Sachen sauber machen.«
Drake betrat das Wohnzimmer nur in seinen Surfershorts bekleidet. Er warf kurz einen abwägenden Blick auf das Sofa, zuckte dann mit den Schultern und setzte sich, obwohl er die weißen Polster damit ordentlich durchnässte. Collins nahm in einem Sessel Platz, während Ross neben dem Esstisch stehen blieb.
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