Als sich seine Sänfte näherte, wartete vor seinem Büro eine Schlange Bittsteller. Während er eintrat, gewährte er keinem von ihnen die Ehre seiner Aufmerksamkeit.
Die heutige Schlange war die längste, die er seit langer Zeit gesehen hatte. Sie würden mit ihren elenden Bitten um Hilfe, um Forschungsgelder, um Almosen aus dem Reichtum, den Bessere als sie angesammelt hatten, zu viel seiner Zeit verschlingen. Er verabscheute sie. Dennoch mochten einige nachvollziehbar darlegen, wie seine Unterstützung ihrer Bemühungen dem Königreich nutzen, zu seinem Vorteil gereichen, seinen Ruf verbessern und seine Macht vergrößern würde. Jenen gewährte er königliche Darlehen. Dem Rest stellte er Gebühren in Rechnung, weil sie seine kostbare Zeit verschwendet hatten.
Es versprach ein höchst einträglicher Tag zu werden.
Am Eingang seines Büros prallte er gegen eine unsichtbare Wand aus Schmerz.
Ein entsetzliches Brennen erfasste Te-Mazows ganzen Körper. Es entsprang tief in seinem kugelrunden Kopf, ein Feuer, entfacht im Kern seines Wesens, das Speerspitzen der Qual bis in seine Hülle schickte. Seine Herzen rasten. Etwas war ganz und gar nicht in Ordnung.
»Helft mir!«, versuchte er zu sagen, doch seine Worte waren undeutlich.
Um ihn herum brachen seine Wachen zusammen und schlugen mit ihren Tentakeln wild um sich. Entlang des langen goldenen Korridors lagen all seine Bittsteller zuckend am Boden, aus ihren aufgerissenen Mündern tropfte Schaum und dunkelblaues Blut. Was für ein Grauen ging hier vor sich? Waren sie verraten worden? Hatte sich nach einem Millennium stabiler Herrschaft ein anderer Clan gegen die Vo-Kesur erhoben?
Der Schmerz wurde immer schlimmer. Jeder Gedanke in Te-Mazows Kopf verschrumpelte wie Haut in Lava. Gepeinigte Laute drangen aus seinem schnabelförmigen Mund, doch sie verloren sich in der Kakofonie aus Schreien, die durch den königlichen Palast hallten. Es war so beschämend, hier zusammen mit dem Pöbel zu liegen, als würden sie es verdienen, wie Gleichgestellte an seiner Seite zu sterben.
Sein Schmerz und Grauen verdoppelten sich – dann ging sein Körper in Flammen auf, genau wie jene aller anderen Husnock, die er sehen konnte.
Te-Mazows Welt stand in Flammen.
Es gab vor dem Feuer kein Entkommen.
In jeder Stadt der Husnock-Heimatwelt und auf jedem Planeten, den die Husnock jemals besiedelt hatten, in jedem von Husnock bemannten Raumschiff und jeder ihrer Raumstationen ging jedes einzelne Mitglied ihrer Spezies spontan in Flammen auf und verbrannte durch ein Feuer unbekannter Ursache.
Dann kam die Stimme, älter als der Tod oder die Zeit selbst. Ihre Worte waren die letzten, die jeder Husnock hörte, während er von seinem persönlichen Inferno verzehrt wurde:
»Für Rishon.«
Ein mentales Bild folgte jedem Husnock ins Grab: eine Welt namens Delta Rana IV, zerstört durch eines ihrer Raumschiffe … ein Weibchen einer fremden Spezies, das im Feuer von Husnock-Waffen verging … dann das Gesicht eines Douwd, eines Wesens aus purer Energie, einer eigentlich friedlichen Kreatur, durch Wut und Trauer zu einem Rachefeldzug nie zuvor da gewesenen Ausmaßes gegen die Husnock getrieben.
In einem einzigen Augenblick verwandelten die Flammen fünfzig Milliarden Lebensformen in Asche. Der Himmel von zwei Dutzend Husnock-Welten füllte sich mit schmierigem schwarzen Rauch … doch es war niemand mehr da, um es zu bezeugen oder sich zu freuen. Die Opfer der Husnock waren lange vor ihnen ausgelöscht worden. Nun hüllte sie alle das große Schweigen ein. Die Mächtigen waren gefallen …
Und der Kosmos bemerkte es nicht oder es war ihm egal.
SEPTEMBER 2386
Es war ein Geisterplanet. Zumindest fühlte es sich für Doktor Maxwell Theron so an. Allem Anschein nach war es vor der Katastrophe ein Kolonieplanet gewesen. Es gab nur eine große Stadt auf der Oberfläche. Vereinzelte Trabantensiedlungen verteilten sich in der Umgebung, wobei die nächstgelegene am besten ausgebaut und die entfernteste am primitivsten war.
Ein Detail, das alle Husnock-Bereiche gemeinsam hatten, war der Eindruck, plötzlich und ohne Vorwarnung entvölkert worden zu sein. Persönliche Transportmittel aller Art waren abgestürzt und hatten Trümmer über die Straßen, die Landschaft und an den Küsten entlang verteilt. Elegant geschwungene Gebäude ragten ausgebrannt in den Himmel. In den Randgebieten lagen Reaktoren und Raumhäfen kalt und verlassen da. In Wohnstätten und öffentlichen Räumen waren zurückgelassene Besitztümer den Elementen überlassen worden.
Die Natur hatte damit begonnen, sich den Raum von den ausgelöschten Husnock zurückzuerobern. Ranken, Moos und Gräser schmückten die Fassaden leerer Gebäude und hüllten die verbogenen Hüllen zerstörter Fahrzeuge ein. Risse durchzogen einst makellose Boulevards. Aus ihnen reckten sich Blumen und Pilze der Sonne entgegen. Die Widerstandsfähigkeit der einheimischen Flora erfüllte Theron mit Hoffnung. Aus Tod und Zerstörung entstanden Erneuerung und Wiedergeburt. Es ließ ihn über die Vergänglichkeit des Lebens nachdenken, über die Schönheit des Chaos und die Torheit zu erwarten, dass die Ordnung etwas anderes wäre als eine vorübergehende Unterbrechung der Entropie.
Ganz schön tiefsinnige Gedanken für einen so schönen Morgen , rügte er sich selbst und trank einen Schluck heißen Tee aus seinem überschwappsicheren Becher, während er das Lager der Expedition durchquerte. Sein xenoarchäologisches Team hatte auf beiden Uferseiten des zentralen Stadtaquädukts sein Basislager aufgeschlagen. Obwohl anfangs recht klein, war es schnell gewachsen. Es waren ein paar Hundert Leute hier, alle unterstanden Therons Leitung. Nur ein paar waren xenokulturelle Experten wie er selbst. Die Gruppe umfasste Xenolinguisten, Ingenieure und Biologen verschiedener Fachgebiete, Architekten und Computerexperten, ganz zu schweigen vom medizinischen Personal und von den Köchen, Piloten, Fahrern und Mechanikern, die sie unterstützten.
Sie hatten sich hier vor ein paar Jahren eingerichtet, nur wenige Monate nachdem ein Langstreckenaufklärungsschiff diese Welt entdeckt hatte. Zwanzig Jahre zuvor hatte die Sternenflotte ihre geheime Suche nach den Überresten der Husnock-Zivilisation begonnen, kurz nach Captain Jean-Luc Picards Bericht über die Mission des Raumschiffs Enterprise NCC-1701-D nach Delta Rana IV. Die Crew der Enterprise hatte die Planetenoberfläche nach einem Notruf zerstört vorgefunden, mit der Ausnahme eines kleinen Stück Lands um ein makellos aussehendes Haus, das von einem älteren Paar bewohnt wurde. Es hatte sich herausgestellt, dass die Frau eine vom Mann erschaffene Illusion war. Dieser wiederum hatte sich als ein Douwd entpuppt – ein Energiewesen, das zugegeben hatte, die Husnock in einem Moment der Rache ausgelöscht zu haben.
So hatte die geheime Suche der Sternenflotte nach Spuren der Husnock begonnen, die der Douwd als eine Spezies von abscheulicher Intelligenz beschrieben hatte.
Die Suche hatte sich als länger und schwieriger erwiesen, als irgendjemand erwartet hatte. Die Föderation hatte vor dem Angriff der Husnock auf Delta Rana IV keine Aufzeichnungen über sie gehabt und nach ihrer Auslöschung war ihre Zivilisation verstummt und erstarrt, was sie für die meisten Langstreckensuchmethoden praktisch unsichtbar gemacht hatte. Hinzu kam, dass der Dominion-Krieg und die Borg-Invasion die Erforschung der angrenzenden Sektoren des Alpha-Quadranten unterbrochen hatten.
Es hatte siebzehn Jahre gedauert, bis die Sternenflotte diese isolierte Husnock-Koloniewelt am Rand des Perseusarms entdeckt hatte. Ihr eingetragener Name lautete FGC-779852c und Theron würde nicht zulassen, dass seine Kollegen vom Daystrom-Institut oder der vulkanischen Akademie der Wissenschaften ihr einen neuen Namen gaben. Er war entschlossen, die Bezeichnung der Husnock für den Planeten herauszufinden, denn er wurde von der Vorstellung verfolgt, dass diese namenlose Welt ein anonymes Grab für jene darstellte, die hier gestorben waren.
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