Dem Baron war dieser Handel unbequem.
»Ich habe dem Herrn Pfarrer gesagt, dass ihr den Pachthof Barville zeitlebens haben sollt und dass er dann auf das Kind übergeht. Er ist zwanzigtausend Francs wert. Ich habe nur ein Wort. Genügt euch das oder nicht?«
Der Mann lächelte stumpfsinnig und befriedigt; jetzt wurde er auf einmal gesprächig: »Ach, wegen damals hätte ich ja nicht nein gesagt. Das war es nicht, was mich genierte. Als der Herr Pfarrer mit mir sprach, war ich, meiner Seel! auf der Stelle einverstanden, und es war mir ein Vergnügen, dem Herrn Baron gefällig zu sein, der mir das schon vergelten würde, wie ich mir sagte. Das bleibt wahr wenn man sich gegenseitig gefällig ist, so lohnt sich das für jeden. Aber Herr Julius suchte mich auf, und sprach nur von fünfzehntausend. »Da musst du selbst einmal schauen,« dachte ich bei mir und so kam ich her. Ich wusste ja schon Bescheid, ich hatte Vertrauen; aber ich wollte wissen, woran ich war. Gute Ordnung erhält gute Freundschaft; ist das nicht wahr Herr Baron?«
»Wann soll die Hochzeit sein?« fragte ihn der Baron, als er einen Augenblick Atem schöpfte. Da wurde der Mann plötzlich wieder ängstlich, voll Verlegenheit. »Wollen wir nicht erst ein kleines Papier darüber aufsetzen?« fragte er schliesslich zögernd. Diesmal wurde der Baron ärgerlich.
»Aber zum Kuckuck! Ihr habt doch an dem Heirats-Kontrakt genug. Das ist doch das sicherste Papier.«
»Wir könnten indessen immer noch etwas schriftlich darüber ausmachen,« wandte jener ein. »Das kann nichts schaden.«
Der Baron stand auf, um ein Ende zu machen. »Antwortet, ja oder nein. Wenn Ihr keine Lust habt, so sagt’s nur. Ich habe noch einen andren zur Hand.«
Da machte die Furcht vor einem Nebenbuhler den schlauen Normannen stutzig. Er entschied sich schnell, er ergriff die Hand des Barons, wie beim Kuhhandel und sagte: »Topp! Herr Baron! Abgemacht. Ein Narr, der noch zögerte!«
Der Baron schlug ein und rief dann ›Ludivine!‹ Der Kopf der Köchin erschien am Fenster. »Bringen Sie eine Flasche Wein.« Man begoss die Sache mit der notwendigen Feuchtigkeit. Später entfernte sich der Bursche mit etwas beflügelterem Schritte, als wie er gekommen war.
Julius sagte man nichts von diesem Besuche. In tiefster Stille wurde der Kontrakt fertig gemacht, und dann fand eines montags morgens die Hochzeit statt, nachdem das Aufgebot erfolgt war.
Eine Nachbarin trug das Kleine hinter dem neuen Paare her zur Kirche, wie ein sicheres Vermögenspfand. Niemand in der Gemeinde wunderte sich; man beneidete höchstens Desiré Lecoq. Es sei ein heller Kopf, sagten die Leute mit etwas boshaftem Lächeln, aber ohne jede Spur von Entrüstung.
Julius machte nachträglich eine furchtbare Szene, welche die Abreise seiner Schwiegereltern von Peuples beschleunigte. Johanna sah sie ohne allzu tiefen Kummer scheiden, da Paul für sie eine unerschöpfliche Quelle des Glücks geworden war.
*
Als Johanna sich von ihrer Niederkunft ganz erholt hatte, entschloss man sich, den Besuch der Fourvilles zu erwidern und auch dem Marquis de Coutelier einen Besuch zu machen.
Julius hatte auf einer Auktion einen neuen Wagen gekauft, ein Phaeton, zu dem man nur ein Pferd bedurfte; so konnten sie ein oder zweimal im Monat bequem ausfahren.
An einem schönen klaren Dezembertage wurde angespannt. Nachdem sie zwei Stunden durch Feld und Wiesen gefahren waren, begann der Weg in ein kleines Tal abzusteigen, dessen Ränder bewaldet waren und dessen Grund deutliche Spuren einer sorgfältigen Kultur zeigte.
Auf die besäeten Felder folgten Wiesen und auf die Wiesen ein großer Sumpf. Das Schilfrohr desselben war zu dieser Jahreszeit schon dürr und seine Blätter flatterten wie lange gelbe Bänder im Winde.
Plötzlich nach einer scharfen Biegung des Tales lag das Schloss la Vrilette vor ihnen. Es lehnte sich mit der einen Front an den bewaldeten Talhang an, während die Mauer der andren sich in einem Teich verlor, den auf der gegenüberliegenden Seite ein hohes Tannengehölz abschloss, das diesen Teil des Tales bedeckte.
Man musste über eine alte Zugbrücke, um dann durch ein hohes Portal im Stile Ludwig XIII. in den Schlosshof zu gelangen. Das Schloss war im gleichen Stile aus Backstein erbaut und von Türmchen mit Schieferdächern flankiert.
Julius erklärte Johanna alle Einzelnheiten des Baues, den er genau zu kennen schien. Er pries seine vollendete Schönheit, die er nicht genug bewundern konnte. »Sieh nur dies Portal an! Ist das nicht eine herrliche Wohnung, wie? Die ganze andere Façade liegt im Teiche, mit einer wundervollen Rampe, die bis zum Wasser herunter führt. Vier Kähne liegen an deren Stufen befestigt, zwei für den Grafen und zwei für die Gräfin. Dort unten rechts, wo Du die Pappelreihe siehst, ist das Ende des Teiches. Dort liegt der Fluss, der nach Fecamp führt. Die Gegend ist von Wasservögeln belebt. Der Graf schwärmt leidenschaftlich für die Jagd. Es ist ein richtiger Herrensitz, das.«
Die Eingangstür öffnete sich und die bleiche Gräfin erschien, den Besuchern mit einem Lächeln auf den Lippen entgegenkommend. Sie trug ein Schleppkleid wie eine Schlossherrin aus alter Zeit. Die schöne Dame vom See schien wie geboren für dieses Grafenschloss.
Der achtfenstrige Salon gewährte einen prachtvollen Ausblick auf das Wasser und das dunkle Fichtenholz, welches an seinem jenseitigen Rande emporstieg.
Das dunkle Laub im Hintergrunde ließ den Teich tief, finster und traurig erscheinen; und wenn der Wind blies, so klang das Flüstern der Bäume wie seufzende Stimmen aus dem Sumpfe.
Die Gräfin nahm beide Hände Johanna’s, als hätte sie eine Jugendfreundin vor sich, bat sie Platz zu nehmen und setzte sich neben sie auf einen niedrigen Stuhl, während Julius, der seit fünf Monaten ganz wieder der vornehme Weltmann von früher geworden war, in der gewandtesten Weise unter vertraulichem stillen Lächeln die Unterhaltung führte.
Die Gräfin und er sprachen von ihren Spazierritten. Sie lachte ein wenig über seine Reitkunst und nannte ihn den »Stolper-Ritter«, während er sie lachend »Die Amazonen-Königin« taufte. Der Knall eines Gewehres unter dem Fenster entlockte Johanna einen kleinen Schrei. Es war der Graf, der eine Krickente geschossen hatte.
Seine Frau rief ihn sofort herbei. Man hörte das Geräusch von Rudern, das Anstossen eines Kahns an der Steintreppe und alsbald erschien der Graf in hohen Wasserstiefeln, gefolgt von zwei triefenden Hunden, rötlich wie ihr Herr, die sich’s auf dem Teppich an der Tür bequem machten.
Der Graf schien zu Hause besserer Laune und über den nachbarlichen Besuch sehr erfreut zu sein. Er ließ frisches Holz in den Kamin legen, bestellte Madeira und Biskuits. »Aber Sie werden mit uns essen, nicht wahr; abgemacht?« rief er plötzlich, Johanna, deren Gedanken stets bei ihrem Kinde weilten, wollte Einwendungen machen; aber er ließ sie nicht gelten. Als sie noch immer zögerte, machte Julius eine heftige Bewegung der Ungeduld. Da befürchtete sie seine schlechte Laune wieder zu erwecken und willigte ein, obschon ihr der Gedanke furchtbar war, Paul vor dem nächsten Tage nicht wiederzusehen.
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