Franziska Steinhauer
Spreewaldkohle
Nachtigalls 14. Fall
Narbengeflecht Ein glühender Befürworter des schnellen Kohleausstiegs verschwindet auf seiner Laufstrecke. Die Polizei sucht mit großem Aufgebot, kann aber Patrick Stein nicht finden. Morddrohungen sollten ihn mundtot machen, die hat er aber weder angezeigt noch ernst genommen. Hat einer der Bedroher seine Ankündigung in die Tat umgesetzt? Schon am nächsten Morgen wird die Leiche des Mannes in der Schaufel eines Kohlebaggers gefunden. Während das Team um Peter Nachtigall die Ermittlungen aufnimmt, meldet Christian Blum seine Frau als vermisst. Die entschlossene Wolfsaktivistin war nach einer Diskussionsrunde nicht heimgekehrt. Ihre Leiche entdecken Jäger in einem Ansitz. Politische Morde in Cottbus und Umgebung? Oder gibt es ein privates Motiv? Die Ermittler stellen Nachforschungen in alle Richtungen an, entdecken eine private Spende-Organisation, unerfüllte Wünsche und Bedürfnisse, ins Stocken geratene Lebensentwürfe. Wird es weitere Opfer geben?
Franziska Steinhauer lebt seit mehr als 25 Jahren in Cottbus. Bei ihrem Pädagogikstudium legte sie den Schwerpunkt auf Psychologie sowie Philosophie. Ihr breites Wissen im Bereich der Kriminaltechnik erwarb sie im Rahmen eines Master-Studiums in Forensic Sciences and Engineering. Diese Kenntnisse ermöglichen es der Autorin den Lesern tiefe Einblicke in pathologisches Denken und Agieren zu gewähren. Mit besonderem Geschick werden mörderisches Handeln, Lokalkolorit und Kritik an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen verknüpft. Franziska Steinhauers Romane zeichnen sich vor allem durch gut recherchierte Details und eine besonders lebendige Darstellung der jeweiligen Figuren aus. Ihre Begeisterung am Schreiben gibt sie als Dozentin an der BTU Cottbus-Senftenberg weiter.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Immer informiert
Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie
regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.
Gefällt mir!
Facebook: @Gmeiner.Verlag
Instagram: @gmeinerverlag
Twitter: @GmeinerVerlag
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2021 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
info@gmeiner-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © MPower. / photocase.de
ISBN 978-3-8392-6800-1
Den Kopf frei bekommen.
Durch gleichmäßige, rhythmische Erschütterung die Gedanken neu sortieren.
Alles an seinen richtigen Platz ruckeln.
Das war jedenfalls der Plan.
Patrick Stein band die Schnürsenkel der Laufschuhe zu rutschsicheren Schleifen.
Ein schneller Blick in den bodentiefen Spiegel im Flur zeigte ihm einen nicht mehr ganz jungen Mann mit deutlicher Neigung zu Übergewicht. Die moderne Frisur mit Undercut über den Ohren und gescheiteltem, schwer zur Seite fallendem Haar ließ ihn zwar nicht schlanker, aber doch jünger wirken.
Auf jeden Fall im Spiegel!
Und von Weitem sowieso.
Er schob die Tolle zurück und lächelte sein Selbst zufrieden an.
Die wulstigen Lippen, wusste er, wirkten auf viele Frauen sinnlich, die dunklen Augen zum nicht ganz natürlich blonden Haar gaben ihm einen Touch von Besonderheit, Sinnlichkeit und geheimnisvollen Abgründen.
Entschlossen nickte er sich zu.
Trabte los.
Schon nach wenigen Schritten spürte er, wie sich der verspannte Schultergürtel lockerte, die Beine elastisch federten.
Gute Stimmung sich ausbreitete.
Es war eine kluge Entscheidung gewesen, dieses Haus am Rand der Stadt zu kaufen.
Branitz.
Direkt am Park des Fürsten Pückler.
Direkt am Wald.
Lauftrainingsstrecke unmittelbar vor der Haustür.
Perfekt.
Gerade jetzt, wo sein Leben ein wenig aus den Fugen zu geraten drohte.
Patrick Stein tauchte ein in die Kühle und Stille des Waldes.
Die Musik taktete seinen Schritt.
Überlagerte das Laufgeräusch.
Leider auch die schnellen Tritte eines anderen.
Doreen Stein brachte lachend Kinder und Einkäufe ins Haus.
Sah es sofort: Die Laufschuhe Patricks fehlten.
Sie schmunzelte mit dem Unverständnis derer, denen Essen nicht so wichtig war, deren Gedanken nicht ständig um irgendeine leckere Verführung kreisten, die nicht permanent von Appetit geplagt wurden.
Ihr Patrick stürzte sich immer wieder in Phasen sportlichen Aktionismus, die weder zu einer besseren Kondition noch zu einer Reduktion des Körpergewichts führten. Schon nach kurzer Zeit wurde ihm das Ganze lästig, die Sportschuhe wanderten in den Keller, die Funktionskleidung im Schrank immer weiter nach unten, bis sie dort im Dunkel getrost vergessen werden konnte.
Na ja, dachte sie, einen Versuch war es wert. Vielleicht blieb er diesmal tatsächlich dabei.
Schon wegen Eric.
Aus dem Nachbarhaus.
Dem ewigen Konkurrenten auf der Suche nach dem richtigen Lebensentwurf.
Doreen trug die beiden vollgepackten Körbe in die Küche, griff nach der Fernbedienung für den CD-Player. Sofort war das Haus mit der angenehmen, sphärischen Musik Ólafur Arnalds erfüllt.
Zuerst scheuchte sie die Kinder ins Bad.
»So, ihr beiden! Erst die Hände waschen, dann umziehen – und danach sind die Hausaufgaben dran. Luise? Für Freitag ist noch ein Referat vorzubereiten. Hast du das Material schon durchgelesen? Und üben musst du den Text auch noch!«
Das Trappeln der Kinderfüße auf der Treppe ließ vermuten, dass zumindest der erste Arbeitsauftrag in Angriff genommen wurde.
Die Mutter lauschte zufrieden dem Giggeln der Mädchen nach.
Manche Tage, dachte sie, laufen eben besser – andere deutlich schlechter. Heute klang nach einem entspannten Nachmittag, sollten die beiden sich jetzt nicht noch wegen irgendeiner Nichtigkeit in die Haare bekommen.
Fröhlich verstaute sie die Einkäufe im Kühlschrank, fütterte den ungeduldigen schwarzen Kater, der empört maunzend behauptete, während der Abwesenheit der Familie dem Hungertod nahe gewesen zu sein und stellte zwei Gläser Orangensaft für die Mädchen auf den Tisch.
Wartete.
Zuerst auf Luise und Paula.
Etwa anderthalb Stunden später, zunehmend besorgt, auf Patrick.
Noch später begann sie zu telefonieren.
Mit Martin.
Mit gemeinsamen Freunden.
Sogar mit Eric, was richtig Überwindung kostete.
Viel später mit der Polizei.
Der erste Stoß traf ihn völlig unerwartet.
Er strauchelte, fing sich wieder. War irritiert, warf einen vorwurfsvollen Blick auf den Weg, als habe eine Wurzel unfair nach ihm gepackt.
Ein zweiter Stoß folgte, hart, unerbittlich. Der Schmerz flutete langsam an. Breitete sich über die gesamte linke Seite aus. Die Rückenmuskulatur verkrampfte sich.
Читать дальше