Ich baute uns ein soziales Umfeld mit Familien auf, die einen ähnlichen Weg wie wir eingeschlagen hatten. Einige dieser Familien sind bis heute Teil unseres Alltages, und wir fühlen uns wohl mit ihnen. Wir treffen uns regelmäßig auf Spielplätzen, Wiesen und Feldern, im Wald oder machen gemeinsame Spaziergänge. Bei unseren wöchentlichen Treffen spielen die Kinder in vertrauter Umgebung, und die Erwachsenen unterhalten sich, teilen sich die Beaufsichtigung und sind als Ansprechpartner für alle Kinder da. Auch gemeinsame Aktionen mit den Eltern und Kindern, wie das Basteln von Laternen für St. Martin oder Backen von Weihnachtsplätzchen, gehören dazu. Somit treffen sich unsere beiden Kinder sehr regelmäßig mit einer größeren Gruppe von Kindern unterschiedlichen Alters. Auch der Kleine genießt diese Großfamiliensituation sehr. Sie haben beide viele Freunde und spielen sehr ausgelassen in einem freien Rahmen.
Ich sehe, dass meine Kinder sehr glücklich sind. Sie entwickeln sich altersgemäß, sie haben feste Freunde, sie sind (wie der Volksmund sagt) sozial, gesund, neugierig und haben einen guten Appetit und eine unglaublich große Lebensfreude. Ich selbst liebe den Alltag mit den beiden. Sie machen mich stolz und glücklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich diese wunderschöne Zeit einer fremden Person schenken sollte. Wir wachsen aneinander und miteinander, wir streiten uns, aber vor allem ist hier viel Raum und Zeit für das Familiengeschehen und die Individualität der Kinder.
Die zwei Jungs wirken sehr viel im Haushalt mit, besonders gerne räumen sie die Spülmaschine ein und aus, putzen die Fenster mit, wischen die Böden, tragen den Müll raus. Sie helfen täglich sehr gerne beim Kochen und Backen. Ich sehe, wie emsig beide am alltäglichen Geschehen teilnehmen. Sie erledigen Aufgaben mit Freude und einer unglaublichen Ausdauer, sie strahlen über das ganze Gesicht vor Stolz, wenn zum Beispiel ein Fenster alleine fertig geputzt wurde. Sie wickeln der Oma mit sichtlichem Stolz die selbstgebackenen Plätzchen als Geschenk ein und wollen sofort wieder neue Plätzchen backen. In den verlaufenden Pfannkuchen werden Tiere und Motive gesucht, das Fenster wird gleich dreimal hintereinander geputzt, weil es so schön war. Und ich beobachte und staune, wie meine Kinder uns mit so viel Freude den Alltag gestalten. Sie lachen und singen sehr viel und es entwickeln sich wunderschöne Gespräche während des gemeinsamen Tuns.
Besonders genieße ich die alltäglichen Situationen in der Natur. Zum Beispiel haben wir uns in unserer Nähe einen Acker gemietet, um dort eigenes Gemüse anzubauen. Die Kinder waren von Anfang an dabei und haben fleißig mit gesät, gegossen und gejätet. Als das erste Gemüse reif war, wurde mit Begeisterung geerntet und das frische Gemüse zu Hause zubereitet. Vieles ist aber auch sofort im Mund verschwunden. Mais, Möhren, Zuckererbsen und Tomaten… die Kinder konnten nicht genug davon bekommen. Sie saßen auf dem Acker und labten sich an dem frischen Gemüse und der Sonne. Zwei völlig vertiefte Maiskolbenesser, die sich gegenseitig angrinsten! Diesen Anblick werde ich nie vergessen.
So erlebe ich wirkliches Glück! Völlig dreckig kommen wir häufig nach Hause, und das nicht nur vom Feld. Wir gehen eigentlich immer gerne hinaus, in den Wald, an den Fluss, auf Spielplätze oder in den Garten – ich am liebsten bei Sonnenschein, die Kinder mit Vorliebe bei Regen. Pfützen und Matsche sind ihre liebsten Spielbegleiter. Wir sind oft mit dem Fahrrad unterwegs, und die Kinder nehmen jede Pfütze mit. Sie lieben es, wenn es spritzt, je höher desto besser. Sie sind dann völlig vertieft in ihr Tun und ganz bei sich. Wenn wir dann nach Hause kommen, können sie mit unglaublichem Appetit eine ordentliche Mahlzeit verdrücken und vertiefen sich dann in ganz besonderer Weise in das nächste Spiel. Ich spüre, dass ihnen dieser Wechsel von draußen sein und viel Bewegung und drinnen sein sehr gut tut. Sie sind dann sehr ausgeglichen und entspannt. Können sie sich nicht an der frischen Luft bewegen, geht es zu Hause oft turbulenter zu.
Wenn ich so auf unseren Alltag schaue, zum Beispiel auf die viele Zeit, die wir in der Natur verbringen können, frage ich mich, wie unser Leben wohl mit Kindergarten aussehen würde. Immer wieder berühren mich meine freien und unbeschwerten Kinder, die sich so völlig in ihr Spiel vertiefen können. Wie hätten sie wohl im Kindergarten gespielt? In einem begrenzten Raum, mit erhöhter Lautstärke und vielen Regeln und Grenzen? Dort wären Baustellen mit echtem Werkzeug, lautes Musikhören und in Ruhe Autos spielen, wilde Turnübungen oder selbstausgedachte Kletterparcours nicht möglich. Was würde das mit ihrer Spielfähigkeit, mit ihrer Phantasie und Kreativität machen?
Klar, manche Tage sind wirklich unglaublich kräftezehrend, besonders wenn eines der beiden Kinder sich unwohl fühlt oder die Nacht sehr kurz war. Oder jetzt gerade ist es wirklich anstrengend, weil ich mit dem dritten Kind schwanger bin. Ich würde mir gerne manchmal mehr Zeit für mich alleine wünschen oder gemeinsame Zeit mit meinem Mann – ein Gespräch ohne Unterbrechungen, eine spontane Unternehmung oder etwas anderes in Zweisamkeit. Aber ich weiß, dass es nur für kurze Zeit so ist, dass die Kinder uns so intensiv brauchen. Sie werden unglaublich schnell groß und entdecken die Welt immer unabhängiger von uns Eltern in ihrem ganz eigenen Tempo. Deshalb weiß ich ganz tief innen drin, ich würde mich immer wieder für diesen Weg entscheiden, auch wenn er oft nicht einfach ist. Dieser Weg ist für uns der Weg, der unserem Wunsch nach Liebe und Leben am nächsten ist. Auch meine flexible Berufssituation lässt sich gut mit unserem Lebensmodell vereinbaren. Denn vier Jahre nach der Geburt von Jannes habe ich mich als Logopädin wieder in einem Heim für Wachkomapatienten engagiert und bin in einem geringen Stundenumfang am Nachmittag oder auch am Wochenende außer Haus, während die Kinder trotzdem von der Familie betreut sind. Diese Stunden kann ich mir sehr flexibel einteilen, und dafür bin ich absolut dankbar.
Mein Mann und ich hatten als Kinder das große Glück gehabt, dass unsere Mütter immer zu Hause waren. Wir sind beide ab vier Jahren vormittags im Kindergarten gewesen und haben daran schöne Erinnerungen. Wir mussten für uns aber feststellen, dass der Kindergarten nicht mehr so ist wie früher. Er ist kaum noch ein Spielort, sondern hat sich offensichtlich zu einer Fördereinrichtung mit Aufbewahrungscharakter entwickelt, die den Alltag der Kinder gestaltet, weil viele Eltern erwerbstätig sein wollen oder auch müssen. Ich kann von mir sagen, dass ich das für meine Kinder nicht möchte. Ich möchte den Alltag meiner Kinder gerne selbst gestalten und ihnen Werte vorleben, hinter denen ich stehe.
Ich habe in meiner Kindheit erfahren dürfen, wie wichtig Liebe, Familie und Freiheit ist, und genau das möchte ich an meine Kinder weitergeben. Ich möchte ihnen zeigen, wie großartig diese Welt ist und dass man sein Leben selbst in der Hand hat, mit allen Freiheiten, die einem gegeben sind. Deswegen haben wir uns letztendlich ganz gegen den Kindergarten entschieden, weil wir der Meinung sind, dass die Kinder sich zu Hause in einem konstant sicheren Hafen am besten zu gefestigten Persönlichkeiten entwickeln können. Diese Zeit ist es mir wert, ihnen für die kommenden Schritte im Leben den Boden unter den Füßen zu ermöglichen, damit ganz sicher auch Flügel wachsen können.
Es geht darum, sich selbst zu geben, Körper und Geist, um einer schöpferischen Erfahrung willen, in der wortwörtlich die Liebe Fleisch geworden ist .
Sheila Kitzinger
Alles fängt mit diesem Liebes- und Bindungshormon Oxytocin an, das so wichtig ist für das Wunder des Gebärens. Mutter und Vater schütten es beim Flirten, Berühren, Liebkosen und letztendlich beim Orgasmus aus. Jetzt kann der Körper einladen, neues Leben zu empfangen. Oxytocin löst die rhythmischen Bewegungen der Gebärmutter aus, die den Samen über den Muttermund einsaugen. Und es löst während der Geburt die Kontraktionen aus, die die Mutter zur Unterstützung der Wellen (engl. labours, Wehen) braucht. Es lässt die Mutter ihre Angst vergessen und wirkt zudem noch schmerzlindernd.
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