Athen befand sich aber in den Händen der Türken. Seine Zitadelle hatte sich am 5. Juni ergeben, womit das nördliche Griechenland in die Zwangslage versetzt wurde, sich wieder vollständig zu unterwerfen, doch unterzeichneten England, Russland, Österreich und Frankreich am 6. Juli eine Übereinkunft, nach der sie, unter Anerkennung der Suzeränität der Pforte, doch auch eine griechische Nation anerkannten. In einem geheimen Artikel verpflichteten sich die Signatarmächte überdies, vereint gegen den Sultan vorzugehen, wenn derselbe sich einem friedlichen Vergleich widersetzen sollte.
Das sind die hauptsächlichsten Vorkommnisse dieses blutigen Krieges, welche der freundliche Leser seinem Gedächtnis einprägen möge, da sie mit dem Folgenden in genauestem Zusammenhang stehen.
Die einzelnen Tatsachen, welche noch inniger die schon bekannten Personen und diejenigen, welche in dieser dramatischen Schilderung ferner auftreten, angingen, waren aber folgende:
Unter den ersten Personen ist zunächst Andronika anzuführen, die Witwe des Patrioten Starkos.
Jener Kampf für die Unabhängigkeit des Landes hatte nicht nur Männer, sondern auch Frauen zu Helden gemacht, deren Namen glorreich mit den Ereignissen jener Zeit verflochten sind.
Hier erscheint auch der Name einer Bobolina, geboren auf einer kleinen Insel am Eingang des Golfs von Nauplia. Im Jahre 1812 wurde deren Gatte gefangengenommen, nach Konstantinopel geschleppt und auf Befehl des Sultans gepfählt. Da ertönte der erste Weckruf zum Aufstand. Auf eigene Kosten rüstete Bobolina 1821 drei Schiffe aus und, wie es H. Belle nach dem Bericht eines alten Klephten wiedererzählt, nachdem sie ihre Flagge aufgezogen, auf welcher sich die von spartanischen Frauen herrührenden Worte »Entweder darüber oder darunter« befanden, segelte sie bis zur Küste Kleinasiens und kaperte und verbrannte die türkischen Schiffe mit der Unerschrockenheit eines Tsamados oder eines Canaris. Nachdem sie darauf das Eigentum an ihren Schiffen freigebig an die neue Regierung abgetreten, wohnte sie der Belagerung von Tripolitza bei, richtete um Nauplia eine Blockade von vierzehnmonatiger Dauer ein und zwang endlich die Zitadelle zur Übergabe. Und diese Frau, deren Leben mehr einer Legende ähnelt, musste um einer Familienangelegenheit willen unter dem Dolch des eigenen Bruders verbluten.
Noch eine andere hervorragende Gestalt verdient mit dieser kühnen Hydriotin in gleichen Rang gestellt zu werden. Immer brachten dieselben Ursachen dieselben Wirkungen hervor.
Auf einen Befehl des Sultans wird in Konstantinopel der Vater der Modena Mavroeinis erdrosselt, einer Frau, deren Schönheit ihrer vornehmen Geburt gleichkam. Modena stürzt sich daraufhin sofort mit in die Empörung, ruft den Aufstand der Bewohner von Mykone hervor, rüstet Fahrzeuge aus, auf welche sie sich selbst begibt, organisiert Guerillabanden, welche sie anführt, hält die Armee Selim Paschas in den engen Schluchten des Pelion auf und zeichnet sich vorteilhaft aus bis zum Ende des Krieges, indem sie die Türken in den Engpässen der Berge von Phthiotis fortwährend beunruhigt.
Noch ist Kaïdos zu nennen, welche die Mauern von Vilia durch Sprengung vernichtete und sich beim Kloster der heiligen Jungfrau mit unüberwindlichem Mute schlug. Moskos, ihre Mutter, die an ihres Gatten Seite kämpfte und die Türken mit herabgeschleuderten Felsstücken zermalmte; Despo, welche, um nicht den Muselmanen in die Hände zu fallen, sich mit ihren Töchtern, Schwiegertöchtern und Enkeln in die Luft sprengte. Ferner die Suliotenfrauen, nebst denen, welche die in Salamis neu errichtete Regierung beschirmten, indem sie dieser die von ihnen befehligte Flottille zuführten; Constanze Zacharias, die, nachdem sie in den Ebenen von Lakonien das Zeichen zum Aufstand gegeben, sich an der Spitze von fünfhundert Bauern auf Leondari warf; ferner viele andere, deren edles Blut in diesem Krieg nicht geschont wurde, in dessen Verlauf man erkennen konnte, wessen die Nachkommen der alten Hellenen fähig waren.
Ebenso hatte auch Starkos’ Witwe gehandelt. Unter dem Namen Andronika – den, welchen ihr entarteter Sohn hatte, wollte sie nicht führen – ließ sie sich in der Bewegung ebenso durch unwiderstehlichen Drang nach Rache, wie aus Liebe zur Unabhängigkeit hinreißen. Wie Bobolina, die Witwe eines Mannes, der hingerichtet worden war, weil er sein Land zu verteidigen suchte; wie Modena, wie Zacharias, trat sie, wenn es ihr auch nicht gleich jenen gestattet war, Schiffe auszurüsten und Truppen zu unterhalten, doch unverzagt mit ihrer Person in die erschütternden Ereignisse dieser Revolution ein.
Im Jahre 1821 schloss Andronika sich den Maniaten an, welche der zum Tode verurteilte und nach den Ionischen Inseln entflohene Colocotroni zu sich rief, als er am 18. Januar des genannten Jahres in Scardamula landete. Sie nahm an der ersten geordneten Schlacht in Thessalien teil, als Colocotroni die Bewohner von Phameri und die von Caritene angriff, welche sich an den Ufern der Rhuphia mit den Türken verbündet hatten. Ebenso wohnte sie am 17. Mai der Schlacht von Valtetsio bei, welche die Flucht der Armee Mustafa Begs herbeiführte. Ganz besonders zeichnete sie sich aber aus bei der Belagerung von Tripolitza, wo die Spartaner die Türken als »feige Perser«, und die Türken die Griechen als die »schwachen Hasen Laconiens« bekämpften. Dieses Mal aber behielten die Hasen die Oberhand.
Am 5. Oktober musste die Hauptstadt des Peloponnes, welche die türkische Flotte nicht zu entsetzen vermochte, kapitulieren und wurde trotz Vertrags drei Tage lang mit Feuer und Schwert verwüstet, was innerhalb und außerhalb derselben zehntausend Ottomanen jeden Alters und Geschlechts das Leben kostete.
Andronika hatte ihren Sohn erkannt.
Im folgenden Jahre, am 24. März, sah Andronika während eines Seegefechts, dem sie unter dem Befehl des Admirals Miaulis beiwohnte, die türkischen Schiffe nach fünfstündigem Kampf entfliehen und eine Zuflucht im Hafen von Zante suchen. Auf einem dieser Schiffe aber hatte sie ihren Sohn erkannt, der das türkische Geschwader durch den Golf von Patras lotste. Niedergeschmettert von dieser Schmach, stürzte sie sich an diesem Tage in das heiße Getümmel, um den Tod zu suchen … Der Tod wollte ihr Opfer nicht.
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