Desdemona.
Ists möglich?
Othello.
Es ist würklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe davon. Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen und enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Würmer waren geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit Mumien von einbalsamierten Jungfern-Herzen gefärbt.
Desdemona.
In der That! Ist das wahr?
Othello.
Sehr wahr; ihr könnt also nur Sorge dazu tragen.
Desdemona.
Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich hätt' es nie gesehen!
Othello.
Ha! Warum?
Desdemona.
Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend?
Othello.
Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort?
Desdemona.
Gott sey bey uns!
Othello.
Was sagt ihr?
Desdemona.
Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es wäre verlohren?
Othello.
Ha!
Desdemona.
Ich sag, es ist nicht verlohren.
Othello.
Holt es, ich will es sehen.
Desdemona.
Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist ein kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen wollt. Ich bitte euch, laßt euer Haus dem Cassio wieder offen seyn.
Othello.
Holt mir das Schnupftuch ich will nicht hoffen
Desdemona.
Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz bekommen.
Othello.
Das Schnupftuch
Desdemona.
Ein Mann, der bisher sein ganzes Glük auf eure Freundschaft gebaut hat; der Gefahren mit euch getheilt hat
Othello.
Das Schnupftuch.
Desdemona.
Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln
Othello.
Hinweg!
(Er geht ab.)
Englisch
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Aemilia.
Wie? Ich glaube der Mann ist eifersüchtig?
Desdemona.
So hab' ich ihn noch nie gesehen. O ganz gewiß ist etwas ausserordentliches in diesem Schnupftuch. Ich bin höchst unglüklich es verlohren zu haben.
Aemilia.
Man lernt weder in einem noch in zweyen Jahren was ein Mann ist; sie sind alle lauter Magen, und wir Arme sind ihr Futter; sie schlingen uns gierig hinein; und wenn sie sich überfüllt haben, so rülpsen sie uns wieder aus. Dieses Gleichniß ist freylich unanständig genug; allein darum bekümmert unser Autor sich nicht; genug für ihn, daß es wahr ist. Seht, da kommt Cassio und mein Mann.
Jago und Cassio treten auf.
Jago.
Es ist kein andres Mittel übrig; das muß sie thun Wie glüklich! hier ist sie schon; geht und bittet sie so sehr ihr könnt.
Desdemona.
Wie steht's, guter Cassio? wie gehn eure Sachen?
Cassio.
Gnädige Frau, ich habe noch immer meine vorige Bitte. Auf eurer Großmuth beruht alle meine Hofnung zu meiner Wiederherstellung in die Freundschaft euers Gemahls, den ich mit so gänzlicher Ergebenheit des Herzens ehre und liebe. Ich möchte nicht noch länger aufgezogen werden. Ist mein Vergehen so groß, daß weder meine Reue noch meine ehmaligen Dienste, noch diejenigen die ich künftig zu leisten wünsche, mich loskauffen und wieder in seine Gunst einsezen können, so ist wenigstens das eine Wohlthat, wenn ich weiß daß es so ist; damit ich in diesem Fall, in eine erzwungene Zufriedenheit eingehüllt, einen andern Weg suchen kan, um vom Allmosen des Glüks zu leben.
Desdemona.
Ach, mein lieber guter Cassio, meine Fürsprache ist dermalen sehr unvermögend; mein Gemahl ist nicht mein Gemahl; ich würde ihn nicht mehr kennen, wenn er sich an Gestalt so sehr wie am Humor, verändert hätte. So stehe jeder gute Engel mir bey, wie ich nach meinem äussersten Vermögen für euch gesprochen habe. Aber alles was ich durch meine Freymüthigkeit erhielt, war, daß ich mir seinen Unwillen zuzog. Ihr müßt euch noch ein wenig gedulden; was ich thun kan, das will ich: Und ich will mehr als ich Herz hätte für mich selbst zu thun. Laßt euch das genug seyn.
Jago.
Ist der General zornig?
Aemilia.
Er gieng nur erst von hier fort, und, versichert, er ist in einer seltsamen Gemüths-Unruhe.
Jago.
Kan er zornig seyn? Ich war dabey, wie die Canone seine Linien in die Luft zerstiebte, und so schnell und gewaltsam wie der Teufel, seinen Bruder unmittelbar an seiner Seite wegrafte; und kan er zornig seyn? So muß etwas wichtiges daran Ursache seyn; ich will gehn und ihn aufsuchen; in der That, das bedeutet was, wenn er zornig ist.
(Er geht ab.)
Englisch
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Desdemona, Aemilia und Cassio bleiben.
Desdemona.
Ich bitte dich, thu das Ganz gewiß muß etwas das den Staat betrift, entweder von Venedig, oder irgend ein unausgebrütetes Complot hier in Cypern, wovon er die Entdekung gemacht hat, seinen sonst immer heitern Geist verfinstert haben; und in solchen Fällen ist es die Art der Menschen, daß sie ihren Unmuth an geringern Dingen auslassen, wenn gleich grosse ihr Gegenstand sind. Es ist nicht anders. Es darf uns nur ein Finger weh thun, so verbreitet sich auch über unsre übrigen gesunden Gliedmassen ein Gefühl von Schmerz. Nein, wir müssen denken, daß unsre Männer keine Götter sind; wir können nicht von ihnen fordern, daß sie immer so zärtlich mit uns umgehen, als sie vor der Hochzeit thun. Schilt mich nur recht sehr aus, Aemilia; ich unartiges Ding, ich war schon im Begriff seiner Unfreundlichkeit in meinem Herzen den Proceß zu machen; aber nun find' ich, daß meine Eigenliebe den Zeugen bestochen hat, und daß er ungerechter Weise angeklagt worden ist.
Aemilia.
Gebe der Himmel, daß es Staats-Sachen seyen, wie ihr glaubt, und keine eifersüchtige Grillen, die euch angehen.
Desdemona.
Das wäre gar zu unglüklich! Ich gab ihm niemals Ursache dazu.
Aemilia.
Eifersüchtige Gemüther lassen sich damit nicht beruhigen; sie sind nicht allezeit eifersüchtig, weil sie eine Ursache dazu haben, sondern oft nur, weil sie eifersüchtig sind. Die Eifersucht ist ein Ungeheuer, daß keinen andern Vater und keine andre Mutter hat als sich selbst.
Desdemona.
Der Himmel bewahre Othello's Herz vor diesem Ungeheuer!
Aemilia.
Dazu sag ich Amen, Gnädige Frau.
Desdemona.
Ich will sehen, wo er ist. Cassio, entfernt euch nicht zu weit; wenn ich ihn in einer bessern Laune finde, so will ich euer Anligen wieder in Bewegung bringen, und das äusserste versuchen, um glüklich damit zu seyn.
Cassio.
Ich danke Eu. Gnaden demüthig.
(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.)
Englisch
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Eine Strasse vor dem Pallast.
Cassio, tritt wieder auf, und begegnet der Bianca.
Bianca.
Guten Tag, Freund Cassio.
Cassio.
Was führt euch hieher? Wie steht's mit euch, meine schönste Bianca? In der That, mein Herzchen, ich war im Begriff bey euch anzusprechen.
Bianca.
Und ich war im Begriff euch einen Besuch in euerm Quartier abzustatten, Cassio. Wie? eine ganze Woche wegbleiben? Sieben Tag' und Nächte? Hundert und acht und sechszig Stunden? Und eines Liebhabers Abwesenheits-Stunden, die hundert und sechszig mal langweiliger sind als der Stunden-Zeiger. O! eine verdrießliche Rechnung!
Cassio.
Vergieb mir, Bianca; ich war diese Zeit über von bleyernen Gedanken zu Boden gedrükt; aber ich werde in einer glüklichern Zeit diese lange Rechnung von Abwesenheit zu tilgen wissen. Liebste Bianca, zeichne mir diesen Riß ab (Er giebt ihr Desdemonens Schnupftuch.)
Bianca.
O Cassio, woher habt ihr das? Das hat mir die Mine von einem Liebes-Pfand irgend einer neuern Freundin: Nun merk' ich die Ursache deiner Abwesenheit die mir so schmerzlich war: Ist es dazu gekommen? Wohl, wohl!
Cassio.
Geh, Mädchen, und wirf deine häßlichen Muthmassungen dem Teufel in die Zähne, von dem du sie hast. Du bildest dir also ein, das sey ein Andenken von einer Liebste? Nein, Bianca, in ganzem Ernst.
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