Ich küsse die Urkunde ihrer Befehle.
Desdemona.
Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico?
Jago.
Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern.
Lodovico.
Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio?
Jago.
Er lebt, mein Herr.
Desdemona.
Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut machen.
Othello
(vor sich.)
Seyd ihr dessen so gewiß?
Desdemona.
Mein Gemahl?
Othello
(ließt.)
»Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch«
Lodovico
zu Desdemona.
Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein Mißverständnis zwischen dem General und Cassio?
Desdemona.
Ein sehr unglükliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu vereinigen, so lieb ist mir Cassio.
Othello.
Feuer und Schwefel! (vor sich.)
Desdemona.
Mein Gemahl!
Othello.
Seyd ihr bey Verstand?
Desdemona
zu Lodovico.
Wie, ist er zornig?
Lodovico.
Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn, wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm, sein Gouvernement dem Cassio zu überlassen.
Desdemona.
Glaubt mir, es erfreut mich.
Othello.
In der That! (vor sich.)
Desdemona.
Mein Gemahl!
Othello.
Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.)
Desdemona.
Wie, mein liebster Othello?
Othello
(nach ihr schlagend.)
Teufel!
Desdemona.
Das hab' ich nicht verdient.
Lodovico.
Mein Herr, in Venedig würde das niemand glauben, wenn ich gleich schwüre, daß ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab; sie weint.
Othello.
O Teufel! Teufel! Könnte die Erde von Weiberthränen geschwängert werden, jeder Tropfe, den sie weint, würde ein Crocodil werden: Aus meinem Gesicht
Desdemona
(indem sie gehen will.)
Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist.
Lodovico.
Wahrhaftig, eine gehorsame Frau ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie zurük.
Othello.
Madam
Desdemona.
Mein Gemahl
Othello.
Was wollt ihr mit ihr, mein Herr?
Lodovico.
Wer, ich, mein Herr?
Othello.
Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, daß sie sich wieder umdrehe. Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie ist eine Meisterin darinn. Und sie kan auch weinen, Herr, weinen; und sie ist gehorsam; wie ihr sagtet, gehorsam; sehr gehorsam weint ihr nur fort Was das anbetrift, mein Herr Odie Leidenschaften spielt sie vortreflich! Ich bin zurükberuffen (zu Desdemona.) Pakt ihr euch fort, ich will gleich wieder nach euch schiken Mein Herr, ich gehorche dem Oberherrlichen Befehl, und will nach Venedig zurük kehren Weg, pake dich! (Desdemona geht ab.) Cassio soll meinen Plaz haben. Und ihr, mein Herr, werdet mir die Ehre erweisen, heute mit mir zu Nacht zu essen. Ihr seyd willkommen in Cypern (vor sich.) Geissen, und Affen! [Sind diese Venetianer,] denkt er hinzu.
(Er geht ab.)
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Lodovico und Jago bleiben zurük.
Lodovico.
Ist diß der edle Mohr, den unser ganzer Senat sein Alles und Alles nennt? Ist diß das Gemüth, dessen standhafte Tugend keine Leidenschaft, kein Glük, kein Zufall erschüttern kan?
Jago.
Er hat sich sehr verändert.
Lodovico.
Ist er recht bey Sinnen? Leidet er etwann am Gehirn?
Jago.
Er ist was er ist; ich mag nicht sagen, was ich denke. Ich wollte zu Gott, er wäre, was er seyn könnte, wenn er nicht ist, was er sollte.
Lodovico.
Wie, seine Gemahlin schlagen!
Jago.
In der That, es war nicht fein; und doch wünscht' ich, ich wißte, daß dieser Streich das ärgste wäre.
Lodovico.
Ist er gemeiniglich so? oder würkte das Schreiben so stark auf sein Blut, daß er zum ersten mal sich selbst so ungleich war?
Jago.
Es ist eine schlimme Sache, leider! Es wäre nicht anständig, wenn ich sagen wollte, was ich gesehen und gehört habe. Ihr werdet ihn durch euch selbst kennen lernen, und sein eignes Betragen wird ihn so charakterisieren, daß ich meine Worte sparen kan. Geht ihm nur nach, und seht, wie er fortfahren wird.
(Sie gehen ab.)
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Verwandelt sich in einen Saal im Pallast.
Othello und Aemilia treten auf.
Othello.
Ihr habt also nichts gesehen?
Aemilia.
Noch jemals was solches gehört, oder nur gemuthmasset.
Othello.
Ihr habt doch den Cassio und sie beysammen gesehen?
Aemilia.
Aber da sah ich nichts böses, und ich hörte eine jede Sylbe, die sie mit einander redeten.
Othello.
Wie, flüsterten sie niemals zusammen?
Aemilia.
Niemals, Gnädiger Herr.
Othello.
Und schikten sie euch niemals fort?
Aemilia.
Niemals.
Othello.
Etwann ihren Fächer, ihre Handschuhe, ihre Maske, oder so was zu holen?
Aemilia.
Niemals, Gnädiger Herr.
Othello.
Das ist seltsam!
Aemilia.
Ich dürfte meine Seele an einem Pfahl wetten, Gnädiger Herr, daß sie ehrlich ist: Wenn ihr anders denkt, so verbannet diesen Gedanken, er betrügt euer Herz. Der Himmel vergelt' es dem Elenden, der es euch in den Kopf gesezt haben mag, mit dem Fluch der Schlange! Wahrhaftig, wenn sie nicht tugendhaft, keusch und getreu ist, so giebt's keinen glüklichen Mann auf Erden; so ist die reinste ihrer Weiber so häßlich als Lästerung.
Othello.
Geh, ruffe sie hieher. (Aemilia geht ab.) Sie sagt genug; allein sie ist eine einfältige Kupplerin, die nicht mehr sagen kan Das ist eine verschmizte Hure, die ihre garstigen Geheimnisse behutsam zu verriegeln weiß und doch kniet sie euch in ihrem Zimmer hin, und betet: Das hab' ich selbst gesehen.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Desdemona und Aemilia treten auf.
Desdemona.
Was ist euer Wille, mein Gemahl?
Othello.
Kommt näher, Hühnchen, wenn ich bitten darf.
Desdemona.
Was beliebt euch?
Othello.
Laßt mich eure Augen sehen; seht mir in's Gesicht.
Desdemona.
Was für eine entsezliche Einbildung kommt euch an?
Othello
(Zu Aemilia.)
Ein Stük von euerm Amt, Madam; laßt die handelnden Personen allein, und schließt die Thüre zu; hustet, oder ruft wenn jemand kommt. Euer Geheimniß, euer Geheimniß nein, macht euch fort.
(Aemilia geht ab.)
Desdemona.
Auf meinen Knien, was wollen diese Reden sagen? Ich sehe wol, daß etwas Entsezliches in euern Worten ist, aber ich verstehe sie dennoch nicht.
Othello.
Wie? Was bist du?
Desdemona.
Euer Weib, mein Herr; euer getreues, redliches Weib.
Othello.
Komm, schwör mir das; sprich dir dein Urtheil selbst; sonst möchten, da du einem himmlischen Wesen so ähnlich bist, die Teufel sich scheuen Hand an dich zu legen. Zieh dir also eine zweyfache Verdammniß zu; schwöre, du seyest ehrlich.
Desdemona.
Der Himmel weiß es.
Othello.
Der Himmel weiß, daß du falsch wie die Hölle bist.
Desdemona.
An wem, mein Gemahl? Mit wem? Wie bin ich falsch?
Othello
(Er weint.)
Ach, Desdemona! Weg, weg, weg!
Desdemona.
O des unglükseligen Tags! Warum weint ihr? Bin ich die Beweg-Ursach dieser Thränen, mein liebster Mann? Wenn ihr vielleicht meinen Vater in Verdacht habt, daß er an eurer Zurükberuffung Schuld habe, so laßt es doch mich nicht entgelten; wenn ihr ihn verlohren habt, so hab' ich ihn ja auch verlohren.
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