Papa, warum sind wir eigentlich traurig? Es war abends, Anfang Mai, ich brachte meine Zehnjährige ins Bett. Unvermittelt fragte Melissa mich: „Papa, warum sind wir eigentlich traurig? Jetzt geht es Frank doch viel besser. Jetzt hat er nicht mehr so viele Schmerzen und zittert nicht mehr so.“ Tränen schossen mir in die Augen. Es war erst ein paar Tage her, dass mein kleiner Bruder, ihr Onkel, der lange krank gewesen war, dann doch sehr plötzlich und dramatisch ums Leben gekommen war. Der Schock war noch nicht verdaut. Warum waren wir traurig? Warum war ich traurig? Ich versuchte zu antworten: Weil ich ihn vermisse. Weil ich noch so viel Hoffnung für sein Leben hatte. Weil meine Kinder ihn liebten. Weil meine Eltern es sowieso schon schwer genug hatten im Leben und nun noch diesen Verlust verkraften müssen. Weil es einfach weh tut. Jetzt – ich schreibe diese Zeilen im trüben November – brechen die Gefühle wieder auf ... Die Fragen sind wieder da. Warum bin ich traurig? Weil es – so merkwürdig das klingt – auch gut tut, traurig zu sein. Es tut gut, zu weinen und den Schmerz „heraus zu spülen“. Es tut gut, uns gegenseitig zu drücken, einander zuzuhören und zu trösten. Es tut gut, zu erinnern und zu sortieren. Ich brauche die Trauer und meine Tochter verstand, was ich meinte – ihr geht es ja genauso. Wir brauchen die Trauer. Und das Gedenken. Das Erinnern und Wertschätzen. Auch als Volk brauchen wir es, darum begehen wir jedes Jahr im Herbst den Volkstrauertag. Der Bundespräsident hält eine Rede und findet wertschätzende Worte für die Verstorbenen. Und doch brauchen wir noch mehr als den Rückblick. Menschen leben von der Hoffnung. Und da steckt mich Melissas Hoffnung an. Was ist, wenn das wahr ist, die Sache mit dem ewigen Leben? Was ist, wenn es stimmt, dass – um es mit Luthers Bibeldeutsch zu sagen – „dieser Zeit Leiden nichts sind verglichen mit der himmlischen Herrlichkeit“? Was ist, wenn das Beste tatsächlich noch kommt? Wenn Krankheit und Leid und Elend, Kriegsgeschrei und Tod nicht das letzte Wort haben in dieser Welt? Was, wenn es stimmt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt? Wenn es stimmt, dann sollte ich mich nicht auf Spekulationen verlassen, sondern wissen, wo es einen Grund für diese Hoffnung gibt. Wo ist die Quelle des ewigen Lebens? Jesus Christus sagt: „Ich bin die Auf -Und ein Tag, den man täglich wiederholen kann. Erbse für Erbse. Viel Spaß beim Erbsen zählen!
3. Ich bin dafür Ich bin dafür Neulich, beim Aufräumen, fiel er mir mal wieder in die Hände. Ein kleiner runder Button mit der Aufschrift: „Ich bin dafür!“ Was man so alles in Schachteln und Schächtelchen aufbewahrt ... Vor gut 20 Jahren habe ich mir den Sticker gekauft. Damals war das so eine Art Selbsttherapie. Eine ziemlich schwierige Lebensphase lag hinter mir. Nun hatte ich den Entschluss gefasst, mein Leben neu zu sortieren und zu gestalten. Der Spruch half mir, meine Gedanken auf ein neues Ziel zu lenken. Früher war mein Motto gewesen: „Ich bin dagegen!“, nun sollte es lauten: „Ich bin dafür!“ Lebhaft erinnere ich mich an die vielen Leute, die mich damals gefragt haben: „Lustiger Sticker, aber wofür bist du eigentlich?“ Gute Frage, nicht wahr? Wofür bin ich eigentlich? Wenn wir das Gegenteil gefragt werden, geht die Antwort meist schnell von der Hand. Wogegen bin ich? Da fallen mir viele konkrete Beispiele ein. Aber wofür? Da gerät die Antwort ins Stocken. Also Butter bei die Fische: Wofür bin ich? Ich bin dafür, dass wir munter – jeder an seinem Platz – unseren Teil zum Gemeinwohl beitragen, statt immer auf „die da oben“ zu schimpfen. Ich bin dafür, dass wir zufrieden sind mit dem, was wir haben, und deshalb dem anderen sein Glück von Herzen gönnen. Ich bin dafür, dass wir endlich wahrnehmen, in welchem Teil der Welt wir leben, nämlich in dem sehr, sehr wohlhabenden Teil, und dass wir wieder lernen, danke zu sagen. Ich bin dafür, dass Menschen auch heute noch verantwortlich Ja zueinander sagen. Dass sie eine Ehe schließen und sich auch um deren Zukunft kümmern. Dass Partner lernen, sich zu lieben, und auch lernen, zu streiten und zu vergeben, und – manchmal „trotz allem“ – treu zu sein. Ich bin dafür, dass wir Kinder bekommen aus Liebe und Begeisterung. Und nicht zuerst aus wirtschaftlichen und demografischen Gründen. Ich bin dafür, dass alte Menschen respektiert, geschätzt und würdevoll behandelt werden, bevor es vor lauter Kürzungen womöglich noch zum „Aufstand der Alten“ (so der Titel einer Fernsehdokumentation) kommt. Ich bin dafür, dass wir entdecken, warum wir einen Grund haben, grundsätzlich dafür zu sein: Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein? (Römer 8,31). erstehung, und ich bin das Leben. Wer mir vertraut, der wird leben, selbst wenn er stirbt“ (Johannes 11,25). Auf den Volkstrauertag folgt im Kalender der sogenannte Totensonntag. Christen haben einen anderen Namen für diesen Tag: Ewigkeitssonntag. Trauer und Hoffnung, so sagt dieser Name, gehören bei Gott zusammen.
4. Endlich Ferien Endlich Ferien Endlich Ferien. Winterferien. Zwar war eben erst Weihnachten. Aber auch wenn die Schule gerade mal vier Wochen läuft, ist doch der Jubelruf der Kinder nicht zu überhören: „Endlich Ferien!“ Und mir geht es genauso. Ich bin dankbar, dass ich Arbeit habe. Ich arbeite gerne. Wie die meisten Menschen, die ich kenne. Gerade weil es nicht selbstverständlich ist, einen Arbeitsplatz zu haben. Doch dafür sind wir dann meistens auch voll eingespannt: Die einen tragen viel Verantwortung, die anderen haben weite Wege zurückzulegen und die nächsten müssen quälende Schichten hinnehmen. Das schlaucht. Und so erwarten wir den freien Tag: Endlich Wochenende, endlich Urlaub, endlich Zeit. Wir mühen uns in Schule und Arbeit – und dann freuen wir uns auf die wohlverdiente Pause. Aufs Nichtstun, aufs Hobby, auf Zeit für uns selbst, für die Familie und für Freunde. Damit Menschen auch ausruhen können, setzen die Kirchen sich für den Erhalt des Sonntags als Ruhetag ein. So ist also unser Rhythmus: Zeiten der Arbeit, Zeiten der Ruhe, dann wieder Arbeit, Ruhe, Arbeit, Ruhe. So kennen wir es. Und so tut es uns gut. Aber wissen Sie was? Es gibt einen noch besseren Rhythmus. In der Bibel finden wir diese Reihenfolge für den Menschen: Ruhe, Arbeit, Ruhe, Arbeit, Ruhe. In den ersten Kapiteln der Bibel lesen wir, dass Gott die Welt erschuf, die Pflanzen, die Tiere und schließlich den Menschen. Und dass er dann ruhte. Gott arbeitet also, und dann ruht er. So, wie unser Rhythmus ist. Aber eigentlich ist es Gottes Rhythmus. Für den Menschen steht die Ruhe nämlich am Anfang. Adam erlebt an seinem ersten Morgen einen Ruhetag, den Sabbat. Bevor er ans Werk geht, die Tiere zu benennen und den Acker zu bestellen, hat er einen Tag frei. Diesen Tag verbringt er in der Gemeinschaft mit seinem Gott und bald darauf auch mit seiner Frau und mit seiner Familie. Ich mag diesen Gedanken. Aus der Ruhe, aus der Gemeinschaft mit Gott und Menschen heraus an die Arbeit zu gehen. Ausruhen, weil wir erschöpft sind, ist gut. Aus der Ruhe heraus zu leben, um gar nicht erst bis zur Erschöpfung zu arbeiten, ist noch besser. Das ist mehr als ein Wortspiel. Bis heute ist ja der Sonntag offiziell der erste Tag der Woche, nicht der letzte. Nun sind Ferien. Die Kinder bringen Zeugnisse nach Hause. Hoffentlich gute. Aber vielleicht auch nicht ganz so gute. Was tut man in letzterem Fall? Pauken, Nachsitzen, eine Woche Gas geben? Oder vielleicht erst recht erholen, spielen, toben, frische Luft tanken? Erholte Kinder lernen besser. Erholte Erwachsene auch. Nehmen wir uns Zeit, wo dies möglich ist. Zeit für Gemeinschaft. Miteinander – und mit Gott. Endlich Ferien.
5. Sommerloch Sommerloch 2007. Dieses Jahr hat es uns wieder, das Sommerloch. Ich meine nicht die Temperatur, die klimagewandelt unseren Biorhythmus verwirrt. Nicht die eher unbekannten Politiker im Schatten der Großen, die sich bald wieder sinnlos ins Rampenlicht stellen werden. Nicht die allgemeine Stadtflucht zu Garten und Grill. Nein, ich meine das richtige, wirkliche, einzige, definitiv brutale Sommerloch: Es ist fußballfreie Zeit! Die letzten Bälle sind gekickt, der letzte Schiri-Pfiff ertönt, die Saison ist vorbei. Und wehe, es ist eins von diesen bösen, grausamen Überbrückungsjahren ohne eine Welt- oder Europameisterschaft zwischen den Spielzeiten. Fußballfan, wie hältste das aus? Kaum. Und wenn schon, dann höchstens mit dem guten Gefühl, eine erfolgreiche Saison gespielt zu haben. Wenn die Bayern Meister geworden sind (ja ja, ich bekenne mich zu dieser Leidenschaft ...), die Rostocker den Abstieg vermieden haben, und wenn Michael Ballack mit Chelsea einen Titel geholt hat, dann trägt die Euphorie mich über den Sommer. Übrigens gilt das nicht nur für die ganz Großen. Wenn der 1. FC Gera 03 souveräner Meister der Thüringenliga wird, wenn Jena ins Pokalhalbfinale einzieht, wenn die D-Jugend meines Sohnes aufsteigt, dann gibt mir das einen Schub. Aber nicht immer geht’s mit einem Erfolg in den Sommer. Das macht es schwerer. Nun vergehen Wochen, bis das gebeutelte Team zeigen kann, dass es doch etwas drauf hat. So oder so, jetzt ist erstmal Pause. Pause, hm. Was macht man da? Was macht man einen ganzen Sommer lang ohne Fußball? Mein Vorschlag: Tun wir genau das, was Fußballer in der Halbzeit tun: Neben Ausruhen und Energie auftanken hat diese Pause vor allem ein Ziel – der Trainer gibt seinem Team neue Taktikanweisungen. Wann, wenn nicht jetzt – im Sommer – ist die Zeit für ein gutes Buch? Die Gelegenheit für ein klärendes Gespräch? Der Spielraum für einen überfälligen Kurzbesuch? Die Bibel sagt, wir sollen die Pausen nutzen, um uns zu besinnen. Auf uns selbst, auf unseren Nächsten und auf Gott. Sie nennt das „den Feiertag heiligen“. Wann haben Sie das letzte Mal Zeit dafür gefunden, buchstäblich über „Gott und die Welt“ nachzudenken? Wir brauchen Zeiten, um die Prioritäten zu klären. Wer das lernt, den schmeißt ein Abstieg nicht aus der Bahn, für den ist ein Aufstieg nicht alles. Champions League – ich freue mich auf die Spiele. DFB-Pokal – ich bin gespannt auf den Gegner. Fußball ist „die schönste Nebensache der Welt“. Besonders, wenn sie Zeit für die Hauptsachen lässt. Und dafür braucht es ab und an ein Sommerloch: um die Hauptsache zur Hauptsache zu machen. Nutzen wir’s.
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