Anny von Panhuys
Wir mußten einander finden
Frauen-Roman
Wir mussten einander finden
© 1935 Anny von Panhuys
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711592328
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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Die Geigenkünstlerin Ulli Gregorius machte eine ärgerliche Bewegung mit der Rechten. Abwehrend und abweisend.
Abwehrend und abweisend war auch ihr charaktervolles, gradliniges Gesicht, als sie stark betont sagte: „Herr van Xanten, jetzt bin ich wirklich am Ende meiner Geduld angelangt. Ich habe Ihnen nun schon schriftlich und mündlich versichert, ich verkaufe Ihnen meine Frohnstainer Geige nicht. Obwohl ich noch eine sehr schöne und wertvolle Geige besitze, ist die Frohnstainer doch mein Liebling. Sie ist mir über alles wertvoll als mein köstlichster Besitz. Nur wenn ich auf ihr spiele, vermag ich restlos mein bestes Können herzugeben. Und wenn Sie mir Ihr ganzes Millionenvermögen dafür bieten, würde ich genau so nein sagen wie jetzt, da Sie mir eine Viertelmillion geben wollen. Zum allerletzten Male: Nein, nein und nochmals nein! Außerdem erkläre ich Ihnen, ich werde fortan keinen Brief von Ihnen mehr beantworten und Ihren Besuch nicht mehr annehmen.“
Der stattliche Mynheer van Xanten, der reiche Handelsherr, dessen Frachtschiffe auf allen Meeren fuhren, verzog den Mund zu einem Lächeln.
„Gnädiges Fräulein, gestatten Sie mir trotzdem noch ein paar Sätze. Ich bedaure ja unendlich, daß Sie sich meinem sicher sehr günstigen Vorschlag gegenüber so ablehnend verhalten, aber ich muß die Geige haben. Ich bin ja nur ein Dilettant im Spiel Ihnen gegenüber, und ich will ja auch nicht mehr sein, doch bin ich ein leidenschaftlicher Musikfreund und ein Geiger, der glücklich ist, wenn er sich in seinen Mußestunden durch eigenes Spiel Freude bereiten kann. Vor allem aber bin ich Geigensammler, und es ist so herrlich, einmal nach dem, ein anderes Mal nach jenem Instrument zu langen. Ich besitze eine Amati, schlank und mattbraun mit einem Köpfchen von vollendeter Form. Ich besitze Geigen von Amatis Schülern, von Guarneri und Stradivari, ich besitze ein herrliches Exemplar des berühmtesten aller Mittenwalder Meister, eine Geige von Klotz, voll von glocklichem Wohlklang, voll von zärtlicher, herzwarmer Tiefe, eine Kiendl habe ich, eine von Georg Tiefenbrunner, eine von —“
Ulli Gregorius strich leicht über das helle Gelock, das ihre klare, gerade Stirn wie ein moderner Glorienschein umgab, und fiel ihm etwas erregt ins Wort: „Bitte, zählen Sie nicht weiter auf, es ist ja sinnlos. Wenn Sie alle diese Wertstücke, diese seltenen und teuren Geigen besitzen, ist es dopplt dreist, jawohl, dreist von Ihnen, mir meine Frohnstainer Geige noch abjagen zu wollen.“ Sie erhob sich brüsk. „Herr van Xanten, das alles haben Sie mir schon mehrmals schriftlich und mündlich erklärt, und jede Wiederholung erübrigt sich. Verzeihen Sie, aber ich muß Sie bitten, jetzt zu gehen, es ist Zeit, daß ich meine täglichen Uebungen beginne.“
Er war aufgestanden. „Sie reisen doch morgen ab, geben hier kein Konzert mehr, also wozu noch üben?“
Sie gab zurück: „Wenn ich auch heute kein Konzert mehr in Amsterdam gebe, so übe ich doch jeden Tag, ganz gleich, ob ich auftrete oder nicht.“
Er sah sie an, holte tief Atem und verneigte sich.
„Mein gnädiges Fräulein, Sie wissen, über welche Reichtümer Willem van Xanten verfügt, Sie wissen, welchen Weltruf seine Firma hat. Ich bin Witwer seit zehn Jahren, fünfundfünfzig Jahre alt und habe einen Sohn von dreißig, der Mitinhaber meiner Firma ist. Damit wissen Sie das Wichtigste über mich. Und jetzt, mein gnädiges Fräulein, bitte ich Sie um Ihre Hand. Erweisen Sie mir. die Ehre, meine Gattin zu werden, Sie würden dann eine der reichsten Frauen Europas.“
Ulli Gregorius vermochte nicht gleich zu antworten, aber ihre klugen grauen Augen, diese leuchtenden großen Künstleraugen, sahen den stattlichen Mynheer unablässig an, hingen fest an seinem scharfgeschnittenen Gesicht mit der vorspringenden Nase, den etwas verfälteten schweren Lidern über den hellbraunen kühlen Augen.
Endlich, als das Schweigen gerade anfing peinlich und drückend zu werden, lachte sie leise auf.
„Herr van Xanten, Sie bieten zu viel für meine Frohnstainer Geige, viel zu viel. Aber ich nehme nicht an. Sie wollen mich ja nur heiraten, um auf die Weise, dem Umweg über die Heirat, in den Besitz der Geige zu gelangen.“ Sie schüttelte den Kopf und sah jetzt sehr ernst aus. „Ich kenne Sie ja kaum, Herr van Xanten, sollte ich aber einmal heiraten, dürfte es nur ein Mann sein, den ich liebe und der mich wiederliebt. Verstehen Sie, Herr van Xanten, mich müßte er lieben und nicht meine Geige, meine schöne, seltene Geige, von der es in der ganzen Welt nur noch ein paar Exemplare gibt, die Sie sich aber wahrscheinlich ebenfalls weder mit Ihrem Geld noch mit Ihrem Namen verschaffen können. Die Geige ist mir heilig. Sie stammt aus der Familie meiner Mutter. Ihr Großvater war der berühmte Geigenbauer Frohnstainer. Also, Herr van Xanten, ich danke Ihnen für die Ehre, die Sie mir oder richtiger meiner Frohnstainer erweisen wollen, bedaure aber, sie nicht annehmen zu können. Im übrigen, meine Mutter hüstelt schon nebenan. Das heißt in Worte übertragen: Die Besuchszeit ist reichlich um.“
Willem van Xantens Gesicht war jetzt etwas gerötet. Er hatte, um in den Besitz der fiebrisch begehrten seltenen Geige zu kommen, Ulli Gregorius sogar heiraten wollen, diese Geigerin, die allerdings eine glänzende Könnerin war, aber die Höhe des Ruhms noch nicht erstiegen hatte. Er bot ihr seinen bekannten Namen, den Platz an seiner Seite fürs ganze Leben, und sie wies ihn ab wie den Erstbesten.
„Ich gehe, mein gnädiges Fräulein, hoffentlich kommt niemals ein Tag in Ihrem Leben, wo Sie bereuen, was Sie heute ausschlagen.“ Die Wut des Sammlers, dem man trotz aller Gegenwerte die Geige verweigerte, nach der er förmlich gierte, mußte sich noch entladen. Er trat einen halben Schritt vor, trumpfte auf: „Ich bin mächtiger als Sie, und wenn Willem van Xanten etwas will, verschafft er es sich. Auch die Frohnstainer Geige wird mein Eigentum werden. Mit oder ohne Ihre Zustimmung!“
Ganz erstickt klangen die letzten Worte, und dann drehte sich der breitschultrige große Mann schroff um, langte nach seinem Hut, der auf einem nahen Stuhl lag, und verließ grußlos das Zimmer.
Ulli Gregorius’ leicht gebräuntes Gesicht schien noch dunkler geworden, als sie auf die Tür blickte, durch die sich Willem van Xanten entfernt hatte.
„So ein unverschämter Mensch!“ entrang es sich ihr.
Aus dem Nebenzimmer trat Ullis Mutter ein. Sie hatte große Aehnlichkeit mit Ulli, nur war ihr Blondhaar an den Schläfen silbern, und ein paar Fältchen saßen auf der Stirn und um Mund und Augen.
Sie trat schnell auf die Tochter zu.
„Ich habe von nebenan alles mitangehört, Kind, ihr spracht ziemlich laut. Dieser Mensch ist ja ganz toll vor Begierde nach deiner Geige. Ein Glück, daß wir abreisen, ich traue dem dickfälligen Holländer zu, er ließe dir, wenn sich dazu Gelegenheit böte, sogar die Geige stehlen.“ Sie legte der Jüngeren die Hand auf die Schulter. „Aergere dich nicht, Ulli, genau genommen, ist das ja alles zum Lachen. Will dich der Mensch heiraten, nur um so zu der Frohnstainer Geige zu kommen.“ Sie wurde nachdenklich. „Eine Partie wäre das ja gewesen, Mädel, über die man in unserem Städtchen gestaunt hätte, aber du hast es, Gott sei Dank, nicht nötig, nach dem Reichtum des Mannes zu fragen, den du heiratest. Bis du einmal so weit bist, hast du ein großes Bankkonto. Und vorläufig denkst du ja noch nicht ans Heiraten, deine Kunst steht noch ganz im Vordergrund.“
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