Ulrich Wendt
wagen
Ein Jahrzehnt
der Entscheidung
Ulrich Wendt: Baden-Baden wagen – Ein Jahrzent der Entscheidung
Copyright by AQUENSIS Verlag Pressebüro Baden-Baden GmbH 2020
Printed in Germany
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Fotos: Privatarchiv, Wolfgang Breyer, picture-alliance / dpa | Rolf Haid, Klaus Schultes
Umschlaggestaltung: Dustin T. Weidenhiller, brandmanufactur München unter Verwendung eines Fotos von Fotoatelier Christiane Haumann-Frietsch.
Lektorat: Andrea Söhner, Veruschka Rechel
Satz und Gestaltung: Tania Stuchl, design@stuchl.de
ISBN: 978-3-95457-219-9
eISBN: 978-3-95457-222-9
1. Auflage 2020
www.aquensis-verlag.de
Auch als E-Book erhältlich: aquensis-verlag.e-bookshelf.de
Für Gitta
„Quod non est in actis, non est in mundo.“
(Was nicht in den Akten steht, ist auch nicht in der Welt)
aus dem römischen Recht
PrologEine Vision für Baden-Baden
Kapitel 1Die neue Welt mit Kinderaugen
Kapitel 2Innenleben: Legendäre Gäste – Das Leben ein Fest
Kapitel 3Mystische Natur – Ein Flug über Zeit und Raum
Kapitel 4Baden-Baden 1990
Kapitel 5Der Start
Kapitel 6Eine Begegnung – Eine Wahnsinnsidee Bürgerstadt und internationaler Standort
Kapitel 7Zwischenzeiten 1991 – 1992 Meine engste Weggefährtin Ursula Lazarus
Kapitel 8Schwächen, Stärken und meine Frau Baden-Baden braucht dringend einen SPD-Bürgermeister
Kapitel 9SWF-Medienstadt Baden-Baden
Kapitel 10Siebenmeilenstiefel dank vulkanischer Verhältnisse BKV-Neuordnung ist „Baden-Baden-Verfassung“
Kapitel 11Festspielstadt in spe sucht festen Grund Das Solitude-Treffen Geburtsstunde Königsidee Festspielstadt
Kapitel 12Danke Lothar Späth
Kapitel 131994 – 1995 Rückenwind – Ein Initiativkreis Dreamteam Festspielhaus: Walter Veyhle und Wilhelm Holzbauer
Kapitel 14Viele Spieler auf dem Feld – Striktes Controlling aus einem Guss
Kapitel 15Knackpunkte in der Kulturlandschaft – SPD-Risse in der Landtagsfraktion
Kapitel 16„Trumpfkarte“ Werner Kupper – Unter vier Augen mit Erwin Teufel
Kapitel 17Frieder Burda – Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Kapitel 18Am seidenen Faden – Die Bunkersitzung
Kapitel 19Tausch: Kommunale Spielbankbeteiligung gegen Festspielhausfinanzierung
Kapitel 20Die Sonne geht im Westen auf – Abschied „unserer Franzosen“ 430 Sozialwohnungen in einem Jahr
Kapitel 21Grundstein neue Cité wird gelegt – Signalwirkung Infoscore – Ja zum Wirtschaftsstandort
Kapitel 22Baden-Baden-Vision wird umgesetzt Drei Quellen speisen die Stadt Wirtschaftsstandort – Neuordnung – Privatinitiative
Kapitel 23Gewonnener Wettlauf Regionalflughafen Baden-Airpark
Kapitel 241995 Die Baden-Baden-Wende: Gründung Freundeskreis – Privater Betreiber gefunden – Alle Verträge pro Baden-Baden besiegelt
Kapitel 251996 – 1997 Schattenseiten
Kapitel 26Die Rufmordkampagne – Es geht los
Kapitel 27Ende einer Amtszeit In Spanien bei Dieter Thomas und Ragnhild Heck
Kapitel 28Gerhard Zeidler findet Andreas Mölich-Zebhauser Der Konkurs wird verhindert Die Stiftung und „AMZ“ – Eine neue Ära beginnt
Kapitel 29Das Leben danach und Thomas Schäuble
Kapitel 30Zwei Appelle an unsere Kinder im Spiegel 2020
EpilogBaden-Baden - ein Privileg
Prolog
EINE VISION FÜR BADEN-BADEN
Heute, 22. März 2020, ein sonniger Sonntag lacht durch die Fensterscheiben. Hier am Fuße des Merkurs, am Saum von Wiesen und Wäldern, tickert „Spiegel online“ die deutschen Corona-Infektionszahlen. Wir bewegen uns auf die 25.000 zu. Alles ist unwirklich. Noch nie erlebt. Keine sicheren Prognosen, für wen auch immer, auf unserem Globus. Doch so viel scheint unausweichlich: Viele Wochen, noch eher lange Monate in Quarantäne liegen vor uns.
Was mich betrifft, könnte das die letzte Chance sein. Tausendmal probiert, tausendmal ist nichts passiert …
Immer wieder seit jetzt 22 Jahren, seitdem ich mit 53 die Verantwortung für diese Stadt ab- und übergeben habe und immer wieder darüber schreiben wollte. Aber was genau und wie und für wen und warum überhaupt?
Eine blitzsaubere Dokumentation mit hundert Fußnoten der 90er-Jahre für das Stadtarchiv? Eine Serie „Wie es damals wirklich war“ in einer der beiden Lokalzeitungen? Ein Roman über eine besonders eruptive Phase der Baden-Badener Lokalpolitik mit allem, was dazu gehört? Mit kleinen „Einsprengseln“ vielleicht in Richtung TV-Serie „Kir Royal“? Am besten mit Tarnnamen bei finsteren Schubladen und bei übergriffigen Untiefen, um juristischen Nachspielen den Sauerstoff zu nehmen, aber das Interesse anzuheizen – ebenso feige wie förderlich! Etwas, was man zum Beispiel auf Sylt, in Salzburg oder Bayreuth genauso gut lesen könnte. Eben, weil sich die psychologischen Mechanismen gleichen könnten. Oder eine Ansammlung ausgewählter Essays berufener Autoren, die diese Phase der jungen Stadtgeschichte als Zeitzeugen erlebt oder gar mitgestaltet haben? Oder eher Poesie und Lyrik? Oder, oder …
Und dann, nachdem alles ungeschrieben im „geistigen Papierkorb“ landete, schälte sich heraus, was es werden könnte. Eine Expedition in das letzte Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts, das wie eine Wasserscheide zur Nachkriegszeit gravierende Veränderungen einforderte. Alte Städte mit all ihren angehäuften Schätzen drohen zu verknöchern, in Selbstbespiegelung zu versinken, wenn sie nicht gerüttelt und geschüttelt, nach vorne gedacht und neu ausgerichtet werden. In Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman „Der Leopard“ gipfelt eine analoge Situation in dem Zitat: „ Alles muss sich ändern, damit sich nichts ändert“ . Was sich auf den ersten Blick wie Nonsens liest, öffnet sich danach als klarer Quellteich. Zwischen dem Entweder-oder von Bewahren und Verändern grüßt die richtige dritte Alternative: der verbindliche Auftrag zur vitalen Wiedergeburt durch das Beschreiten neuer Wege.
Genau das war die Ausgangssituation, wie ich sie 1990 für Baden-Baden sah und spürte. Schluss mit dem Aussitzen vermeintlicher Besitzstände. Nichts wie ran an eine neue Vision mit konkreten fundamentalen Herausforderungen!
Klagen wir über das damals desaströse Verhältnis zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Baden-Baden? Verklagen wir uns sogar vor Gericht, oder sind wir bereit, auf den Trümmern der veralteten Bäder- und Kurverwaltung eine tiefgreifende, langfristig angelegte Neuordnung mit mehr Effizienz zu etablieren, strategisch, operativ und finanziell?
Ist es Größenwahn, als Stadt mit gerade mal 53.000 Einwohnern das weltweit viertgrößte, künstlerisch privat zu finanzierende Opernhaus der Welt mit gut 2.500 Plätzen aus der Taufe zu heben? Oder handelt es sich um ein „radikal richtiges Projekt“, das mit Hochkultur das internationale Image sowie den Tourismus als Wirtschaftsprogramm für Arbeitsplätze und Steuereinnahmen entscheidend stärken könnte?
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