Will Berthold - Pinien sind stumme Zeugen

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Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges tauchen in der Schweiz Dollar-Blüten auf. Ein Wirtschaftszusammenbruch droht, denn weitere Blüten werden auch in den USA entdeckt. CIA, FBI und die US-Notenbank ermitteln auf Hochtouren, allen voran Captain Steel, den man aufgrund seiner Kenntnisse aus dem Zweiten Weltkrieg zum Sonderbeauftragten ernennt. Denn schon damals wurden seines Wissens nach Dollarscheine in Millionenhöhe gedruckt, von denen seither jedoch jede Spur fehlt. Steel nimmt die Suche nach den Druckplatten also erneut auf, und eine erste Spur führt ihn nach Italien, und zwar direkt zur Cosa Nostra, dem Zentrum des organisierten Verbrechens, und ihrem Anführer, dem skrupellosen «Il Calabrese».Will Berthold (1924–2000) war einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftsteller und Sachbuchautoren der Nachkriegszeit. Seine über 50 Romane und Sachbücher wurden in 14 Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von über 20 Millionen. Berthold wuchs in Bamberg auf und wurde mit 18 Jahren Soldat. 1945 kam er vorübergehend in Kriegsgefangenschaft. Von 1945 bis 1951 war er Volontär und Redakteur der «Süddeutschen Zeitung», u. a. berichtete er über die Nürnberger Prozesse. Nachdem er einige Fortsetzungsromane in Zeitschriften veröffentlicht hatte, wurde er freier Schriftsteller und schrieb sogenannte «Tatsachenromane» und populärwissenschaftliche Sachbücher. Bevorzugt behandelte er in seinen Werken die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg sowie Themen aus den Bereichen Kriminalität und Spionage.-

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Will Berthold

Pinien sind stumme Zeugen

Roman

Saga Egmont

Pinien sind stumme Zeugen

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

Copyright © 2017 by Will Berthold Nachlass,

represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de).

Originally published 1987 by Heyne Verlag, Germany.

All rights reserved

ISBN: 9788711727003

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.comund Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

I.

Die erste Nachricht kommt aus der Schweiz. Die Fünf-Zeilen-Meldung aus Bern verliert sich fast in einem Stapel Routine-Notizen, die täglich aus Europa beim amerikanischen Geheimdienst eingehen, wie aus der Gießkanne verteilt, anscheinend nach dem Woolworth-Prinzip: Die Masse macht’s. Schließlich müssen die mit hohem Dollar-Etat ausgerüsteten Agenten des Außendienstes nachweisen, daß sie nicht schlafen, wenn sie der ständig drohenden Abberufung entgehen wollen.

So jedenfalls urteilt man im ersten Moment in der Zentrale. Zunächst wittert keiner der Akteure in der Etappe der unsichtbaren Front, daß aus dem Dunkel, schleichend und würgend, die größte Bedrohung Amerikas seit dem Zweiten Weltkrieg auf sie zukommen wird.

Dem aufmerksamen Kassierer einer Züricher Großbank waren beim täglichen Kassenabschluß zwei Fünfzig-Dollar-Scheine mit gleicher Numerierung aufgefallen. Sein spontaner Verdacht, eine der beiden Noten sei falsch, bestätigte sich nicht, denn sie glichen auch bei genauer Betrachtung einander wie eineiige Zwillinge. Bankleute wissen, daß es kein Falsifikat gibt, das sie nicht entlarven könnten. Es mußte sich – so unwahrscheinlich es schien – um ein Versehen der US-Notenbank handeln. Die Entdekker hatten sich unverzüglich und unter Wahrung strenger Diskretion (davon leben schließlich die Schweizer Banken) an die Wirtschaftsabteilung der amerikanischen Botschaft in Bern gewandt.

Der ungewöhnliche Zwischenfall reißt niemanden vom Stuhl in der Zentrale der erst ein Jahr alten Central Intelligence Agency (CIA), die nunmehr weltweit verantwortlich für Spionage, Gegenspionage, Subversion, Sabotage und Desinformation und zur Zeit noch zum Teil Untermieter in Washingtons Pentagon ist. In den ersten beiden Abteilungen, von denen die Meldung ausgewertet wird, löst sie mehr Kopfschütteln als Entsetzen aus. Obwohl sie von Frank Gellert stammt, einem der fähigsten Agenten des Außendienstes, beurteilt man sie mehr als Kuriosität denn als Alarmsignal.

Diese Fehleinschätzung ändert sich schlagartig, als sie James A. Partaker vorgelegt wird, dem CIA-Vice-Director und Generalstabschef des Hauses. Der große hagere Mann mit dem faltigen Gesicht, den Falkenaugen, dem unbekannten Privatleben und dem schier grenzenlosen Gedächtnis, wittert sofort eine kolossale Gefahr.

Man hält ihn für die graue Eminenz des Untergrund-Vereins; er gilt als schroff, überlegen, nicht selten auch als verletzend. Er ist keiner der ausgedienten Offiziere, die man nach lächerlichen Gehversuchen im Spionage-Dschungel von seiten der Militärdienststellen als gescheiterte Veteranen an die Agency abzuschieben versucht. Hinter ihrem Rücken nennt man diese zunehmend kaltgestellten Aufpasser ›Dinosaurier‹, und für einen Mann wie Partaker gehören vorzeitliche Ungetüme ins naturkundliche Museum statt in einen effizienten Geheimdienst.

Der Vice war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der engsten Donovan-Crew gewesen, der legendären Mannschaft des ersten US-Untergrund-Generals, die mit mehr Verwegenheit als Erfahrung hinter und zwischen den feindlichen Linien operiert hatte. Diese Vergangenheit hängt an dem Vice-Director wie ein Geruch, macht ihn dominant und hintergründig. Er hat keinen hohen Militär als Fürsprecher, er vertritt keine Waffengattung, ihn schirmt auch kein einflußreicher Senator gegen Widersacher im eigenen Headquarters ab. Seine Rückendeckung ist ausschließlich die Unersetzlichkeit. Partaker gilt als knallharter Profi, kalt wie der Henker und tödlich wie ein Kobrabiß. Kolporteure, die diese Charakterisierung verbreiten, wissen, daß sie übertreiben; ohnedies haben den Vice-Chef nur Dilettanten und Dinosaurier zu fürchten.

Partaker ruft die Telefonzentrale an und verlangt eine Blitzverbindung mit Bern, einer der wichtigsten Auslandsresidenturen. Während des Krieges war die Schweiz die große Spionagedrehscheibe Europas gewesen, aber auch danach erweist sich Helvetia noch immer als ein Vielliebchen der Agenten. Ungeduldig tritt der Enddreißiger ans Fenster, sieht auf die Straße, sein Blick streift achtlos Passanten, die gehetzt in klimatisierte Räume flüchten. Der späte Oktobertag zeigt sich der US-Bundeshauptstadt von der übelsten Seite: drückende Schwüle, plötzliche Regengüsse, warm wie Spülwasser, dann wieder stechende Sonne.

Das Wechselbad entspricht durchaus der politischen Großwetterlage.

Drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat soeben ein Untersuchungsausschuß des US-Kongresses festgestellt, daß während und nach den Konferenzen von Casablanca und Jalta Washingtons Regierungsapparat von Sowjetagenten unterwandert worden war. Diese Spione Stalins, den der viermal hintereinander gewählte US-Präsident als ›Uncle Joe‹ zu verharmlosen und zu verniedlichen pflegte, hatten die Weichen für das Zukunftsdebakel gestellt. Seitdem die Amerikaner über diese Enthüllung bestürzt sind, fällt nicht nur Vogeldreck auf das schon zu Lebzeiten errichtete Monument des großen Franklin Delano Roosevelt. Zunehmend verbreitet sich die Erkenntnis, daß sein Entgegenkommen gegenüber dem roten Zaren die Welt in eine brisante Ost-West-Auseinandersetzung geführt hat.

Das Telefon schlägt an.

»Bern«, meldet die Zentrale.

In der Schweiz ist jetzt sieben Uhr Ortszeit, aber Frank Gellert ist so rasch in der Leitung, als hätte er die ganze Nacht neben dem Telefon gesessen.

»What a mess«, poltert der Anrufer statt einer Morgenbegrüßung los. »Hast du geschlafen, Frankie, oder was ist mit dir los?«

»Sorry, Mr. Partaker«, erwidert der Gerügte. »Dieser Wichtigtuer von Wirtschaftsattaché gab die Meldung an das Headquarters weiter, bevor er mich informierte. Inzwischen hab’ ich ihm das Maul gestopft.«

»Was ist das für ein Mann?«

»Kein schlechter«, erwidert der CIA-Agent, »aber ein Diplomat und kein Profi.«

»Shit! Blas ihm Pfeffer in den Arsch!« Der CIA-Gewaltige spricht Fraktur. »Sag ihm, daß er seinen letzten Ausflug ins schöne Berner Oberland hinter sich hat, sollte auch nur das geringste durchsickern.« Nach kurzer Pause hat er sich beruhigt. »Wer von unseren Leuten weiß noch Bescheid?«

»Niemand«, versichert Gellert. »Der Kassierer der Nobis-Bank wandte sich an seinen Direktor und dieser an den Diplomaten, der dann mich einschaltete; leider war, wie gesagt, zu diesem Zeitpunkt die Post schon abgegangen.«

»Sind inzwischen weitere Duplikate aufgetaucht?«

»Nein«, entgegnet der Mann aus Bern. »Noch nicht. Die Bankleute und ich fahnden natürlich fieberhaft, wir müssen dabei aber verdammt vorsichtig vorgehen und …«

»All right«, unterbricht ihn der Vice-Director. »Du machst das schon richtig, Frankie. Ich verlasse mich auf dich.«

»Thank you, Sir«, antwortet Gellert. »Ich habe noch keine Gewißheit, wer das Duplikat in Umlauf gebracht haben könnte, aber«, – er zögert kurz –, »vielleicht einen Anhaltspunkt. Womöglich wurde der suspekte Fünfzig-Dollar-Schein in der Außenstelle der Nobis-Bank in Lugano einbezahlt. Gelegentlich kommen italienische Nonnen über die nahe Grenze und deponieren Gelder, die sie – wie sie behaupten – von amerikanischen Verwandten und Förderern als Unterstützung erhalten.«

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