Und doch erfordert Heilung eine konzertierte, koordinierte Anstrengung all jener, die zum Heilen ausgebildet, begabt und sogar berufen sind.
Das zweite große Hindernis bei der umfassenden Heilung einer Person ist die Vernachlässigung spiritueller Ressourcen. Wir alle gebrauchen in unserem heilenden Dienst hoch komplizierte Technologie und in der Psychologie und Psychotherapie komplexe philosophische Systeme. Und dabei beschränken wir uns auf die von der Technologie vorgegebenen Modelle.
Der wichtigste Bestandteil fehlt: Glaube – diese der äußeren Wahrnehmung sich entziehende Wesensart unseres Herzens, der Vertrauen und Hingabe innewohnt. Glaube ist eine Beziehungssache, eine Beziehung, die sich letztlich auf eine Kraft richtet, die jenseits unseres eigenen Selbst liegt – auf Gott, der helfen und alles wieder zusammenfügen kann. Ich schreibe als Christ, und ich schreibe davon, wie der Glaube – Vertrauen und Hingabe an Jesus Christus – Geist und Seele wiederherstellen und dadurch die Heilung des Körpers fördern kann.
Die Kraft Jesu, zu heilen, ist eine reale Kraft und hat ihren Ursprung außerhalb der menschlichen Psyche. Die Worte Jesu können psychologisch gesehen hilfreich sein, genauso wie allgemein die Worte der Bibel. Mehr noch, die Gegenwart des Geistes Jesu Christi in uns kann unseren Geist heilen. Wenn Jesus aufgrund unserer Einladung in unser Leben kommt (und nur so vermag er einzutreten), kann er uns sogleich seine Kraft zur Heilung unseres Herzens, unserer Sinne, unserer Seele und unseres Geistes verfügbar machen und dadurch unseren Körper stärken.
Für mich besteht der geistliche Faktor darin, Jesus Christus in den Heilungsprozess mit einzubeziehen. So wird seine Kraft all denen zuteil, die sie begreifen und ergreifen wollen, sodass Christus bei der Heilung des ganzen Menschen Hand in Hand mit den Errungenschaften von Medizin und Psychologie arbeiten kann. Es ist diese geistliche Dimension, die ich in der Medizin vermisse und genauso in vielen christlichen Heilungsbemühungen, meine eigenen während vieler Jahre eingeschlossen.
Wir alle so unterschiedlich geprägten und ausgebildeten Mitarbeiter heilender Dienste müssen zueinander finden und als Team arbeiten. Wenn wir dann dem Glauben an Christus in unseren Praxen Raum geben, bringen wir das zusammen, was zur Heilung der ganzen Person – Körper, Geist und Seele – nötig ist. Darum geht es in diesem Buch.
Johns eigentliches Problem war ein soziales – der Konflikt zwischen seinen Eltern und seinem Onkel. Der Fluch seines Onkels bewirkte bei John eine Krankheit im Geist. John glaubte, er würde krank werden und müsse sterben; Sinn und Zweck seines Lebens waren zerstört worden. Frau Matala und einige Schwestern halfen ihm, dass Jesus in sein Leben kam, und die Gegenwart Christi in seinem Herzen heilte seinen Geist und gab seinem Leben einen neuen Sinn. Die Worte Jesu, wie sie in der Bibel aufgezeichnet sind, heilten ihn psychisch, indem sie ihm halfen, seine Ängste und seine unguten Gefühle seinem Onkel gegenüber zu überwinden und ihm zu vergeben. Darauf konnte Johns Körper dann reagieren, und er wurde gesund. Das schloss die Heilung von Tuberkulose mit ein, eine Heilung, die wir Ärzte mit all unseren medizinischen Fähigkeiten und Möglichkeiten selbst nicht bewerkstelligen konnten.
Johns Geschichte zeigt, wie Medizin, Seelsorge und Glauben an Jesus Christus – an einem Ort – zusammen wirken können, um einen Menschen ganz wiederherzustellen. Lässt sich so etwas sowohl wissenschaftlich als auch biblisch erklären? Sehen wir uns zunächst an, wie Jesus selbst kranke Menschen heilte.
Die Schreiber der Evangelien zeigen eindeutig, dass Jesus den ganzen Menschen heilen wollte, wenn er sich mit kranken Menschen befasste. Er wollte Leib, Seele und Geist wiederherstellen und den Menschen ermöglichen, in den Kreis ihrer Familie und Gemeinschaft zurückzukehren.
Eine Frau mit einem »gynäkologischen Problem«
Wie hat Jesus den ganzen Menschen geheilt? Und wie kann Jesus jeden von uns heilen, in welcher Situation auch immer? Die folgende Geschichte steht im 5. Kapitel des Markus-Evangeliums.
In der Menge war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an starken Blutungen litt. Sie hatte sich schon von vielen Ärzten behandeln lassen und dabei ihr ganzes Vermögen ausgegeben. Aber niemand konnte ihr helfen. Ihr Leiden war eher schlimmer geworden. Dann hatte sie davon gehört, dass Jesus Kranke heilt. Deshalb drängte sie sich durch die Menge an Jesus heran und berührte von hinten seinen Mantel. Dabei dachte sie: »Wenn ich wenigstens seine Kleider berühren kann, werde ich bestimmt gesund.«
Und tatsächlich: Sie merkte sofort, dass sie von ihrem Leiden befreit war. Die Blutung hörte auf. Aber auch Jesus spürte, dass heilende Kraft von ihm ausgegangen war. Deshalb drehte er sich um und fragte: »Wer hat mich angefasst?« Seine Jünger antworteten: »Die Leute bedrängen dich von allen Seiten, und da fragst du, wer dich angefasst hat?«
Aber Jesus sah die Frau an, die ihn berührt hatte. Die war erschrocken und zitterte am ganzen Leib, denn sie wusste ja, was an ihr geschehen war. Sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm alles. Jesus sprach zu ihr: »Meine Tochter, weil du so fest an mich geglaubt hast, bist du gesund geworden. Gehe in Frieden. Du bist geheilt« (Verse 25–34).
Bevor wir diese Geschichte näher betrachten, lassen Sie uns drei Prinzipien der Bibelauslegung bedenken. Zuerst: Obwohl die Bibel aus mehreren Büchern besteht, ist sie doch ein einheitliches Ganzes. Viele alttestamentliche Konzepte beleuchten und illustrieren neutestamentliche Wahrheiten. Das gilt auch für diesen Text: Eine alttestamentliche Schriftstelle wirft ein bedeutendes Licht auf unsere Geschichte.
Zweitens ist es wichtig, den kulturellen Kontext eines Textes zu kennen. Was waren die Glaubensauffassungen, die Verhaltensnormen und die Gewohnheiten der Menschen, unter denen sich eine Geschichte ereignete oder an die geschrieben wurde? Wie haben es die Menschen damals verstanden und aufgenommen? Jesus war Jude. Diese Frau war Jüdin; die jüdische Kultur spielt in diesem Drama eine wichtige Rolle.
Drittens hat Gott uns Verstand und Vorstellungskraft gegeben, und er erwartet von uns, dass wir beim Umgang mit der Bibel davon Gebrauch machen. Viele Geschichten sind sehr knapp gehalten und schildern nur wenige Einzelheiten, oft nur das Nötigste. Indem wir mit logischen Überlegungen, einer gewissen Vorstellungskraft und der Leitung des Heiligen Geistes an die Sache heran gehen, können wir andere Einzelheiten mit einbeziehen, die, obwohl im Text nicht ausdrücklich erwähnt, höchstwahrscheinlich aber vorkamen. Mit anderen Worten: Mittels einer inspirierten Vorstellungskraft können wir zwischen den Zeilen lesen.
Diese Frau hatte jahrelang an unregelmäßigen Blutungen gelitten. Markus sagt nichts über deren Ursache. Es war gewiss kein bösartiger Tumor, denn Krebs führt schneller zum Tode. Zudem ist Gebärmutterkrebs bei jüdischen Frauen eher selten. Es ist wahrscheinlich, dass die Blutungen durch eine länger anhaltende Unausgeglichenheit in ihrem Hormonhaushalt hervorgerufen wurden. Ihre Blutungen verursachten wahrscheinlich Schmerzen, die ihr Leben arg beeinträchtigten. Sie litt aufgrund des chronischen Blutverlusts mit großer Wahrscheinlichkeit an Blutarmut. Das wiederum verursachte körperliche Schwäche und machte es ihr unmöglich, ihre täglichen Arbeiten in Haus und Familie auszuführen. Ich gehe davon aus, dass sie aufgrund der unregelmäßigen Menstruation während dieser schwierigen zwölf Jahre nicht schwanger werden konnte. Unfruchtbarkeit war für jüdische Frauen ein ernsthaftes Problem; das trifft auch für die meisten Frauen in anderen Kulturen zu.
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