Matthias McDonnell Bodkin
Saga
M. Mc Donnell Bodkin: Paul Becks Gefangennahme. - Aus dem Englischen von Berta Pogson © M. Mc Donnnell Bodkin. Originaltitel:. Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.
ISBN: 9788711462218
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
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Ein Antrag
„Sagen Sie nicht glattweg ‚nein‘, das ist alles, was ich erbitte. Ich bedaure schon, dass ich davon anfing, es ist reinste Vermessenheit, und ich weiss nur zu gut, dass ich nicht wert bin, Ihnen die Schuhriemen zu lösen. Haben Sie Mitleid mit dem armen Kerl, der den Mund nicht länger halten konnte. Weisen Sie mich nicht ganz ab, lassen Sie mir ein Fünkchen Hoffnung; dass Sie ‚ja‘ sagen, verlange ich ja gar nicht.“
„Sie verlangen nicht, dass ich ‚ja‘ sage?“
Diese Worte klangen in einem leisen spöttischen Lachen aus. Der junge Mann, der sich zu einem völlig unüberlegten Antrag hatte hinreissen lassen, hob nun zum erstenmal die Augen zu dem Antlitz des jungen Mädchens. Die Wangen erglühten unter seinem heissen Blick, die zarten, süssen Lippen zitterten leise, aber in den Tiefen der klaren braunen Augen lachte neckisch ein Schelm.
Eine wilde, tolle Hoffnung erfasste sein Herz.
„Norma, Norma, ist es möglich? Willst du mich?“
„Sie verlangen ja gar nicht, dass ich ‚ja‘ sage,“ noch leiser als vorher klangen diese Worte.
Das war genug, er holte sich die Antwort von den frischen Lippen, die sich ihm willig boten. Ein Wonnegefühl von Liebe und Triumph durchrann seine Glieder. Er hatte gesiegt; das Mädchen, nach dem seine Seele verlangte, war sein. Die ganze Welt versank um diese zwei, die jetzt die höchste Seligkeit des irdischen Daseins kosteten, die überwältigende Seligkeit der ersten Liebe.
„Ach du dummer Junge,“ sagte sie und strich ihm mit zaghafter Hand das Haar aus der Stirn, „du hättest doch wissen müssen, dass ich dich mehr liebe, als du mich je lieben kannst. Ich wartete ja nur auf deine Frage, um dir das zu gestehen.“
Ihm schwindelte vor Entzücken. „Sie liebt dich, sie liebt dich,“ flüsterte es in ihm. Er umschlang sie fest und küsste sie wieder und wieder, und die Gewissheit ihrer Liebe erfüllte ihn mit namenloser Wonne, und in weltentrückter Seligkeit genossen sie den Augenblick. Der schwach beleuchtete Salon mit seinen gedämpften reichen Farben war wie der Tempel ihrer Liebe. Der Mann erwachte zuerst aus diesem Rausch des Entzückens, in ungeduldiger Erwartung noch grösserer Wonnen. Dem Mädchen genügte die glückliche Gegenwart.
„Norma,“ flüsterte er ihr in das kleine Ohr, „wann wollen wir heiraten?“
„Nie, nie, wenn du mich so fest hältst. Ich fürchte mich vor dir. Wir sind noch nicht einmal richtig verlobt, und du redest schon vom Heiraten. Vielleicht heiraten wir niemals.“
„Was!“ rief er mit einem Stich der alten qualvollen Angst. „Du scherzest. Natürlich sind wir verlobt, das will ich dir schon beweisen. Na, sind wir’s, oder nicht?“
„Ich kann mich ja nicht wehren, du bist stärker als ich. Aber ehe nicht mein Vater davon weiss, betrachte ich mich nicht als verlobt. Ich habe ja keine Mutter,“ setzte sie sehnsüchtig hinzu. „Ich habe die Mutter wohl nie so entbehrt wie gerade jetzt.“
„Nun bist du mein, Liebling, und deinen Vater will ich gleich benachrichtigen. Willst du hier warten, bis ich wiederkomme?“
„Ja, ich will warten. Ich bin für niemand heut zu Hause. Aber merk dir eins, Phil, wenn Vater dich nicht will, will ich dich auch nicht. Du musst also sehr lieb mit ihm sein.“
„Darum mach dir keine Sorge,“ antwortete er vertrauensvoll schon an der Tür, „dein Vater und ich sind gute Freunde.“
Als er hinaus war, machte sie Licht und trat an den Spiegel. Eitelkeit? — Weit gefehlt! Sie wollte das Mädchen sehen, das er liebte. In dem breiten Glas sah sie ein junges Geschöpf, das ihr zuerst fremd erschien; nie vorher hatte sie dieses Gesicht gesehen, dieses seltsam süsse Gesicht, glühend von wilden Küssen, mit Augen, in deren Tiefen das Morgenrot der Liebe schimmerte. Sie erschrak fast vor dem Leuchten in ihren Augen, drehte schnell das Licht aus und warf sich in einen der tiefen Sessel, zitternd vor unbestimmter Freude und Angst. — —
„Herein!“ rief die scharfe Stimme des Mr. Theophilus Lee, und voll froher Zuversicht betrat Phil Armitage das geräumige, behagliche Arbeitszimmer. Gross, mager und eckig erhob sich Mr. Lee von seinem Zylinderbureau, ihn zu begrüssen; doch in dem Gruss lag keine Wärme. Die kalten grauen Augen blickten höflich, aber kühl fragend auf den Eindringling. Mr. Lee trug eine goldene Brille tief auf seiner langen, schmalen Nase, schaute aber ganz unerwartet häufig über die Gläser hinweg gerade in die Augen seines Besuchs.
Phil Armitages fröhlicher Mut begann zu sinken. So hatte ihn Mr. Lee noch nie behandelt. Selbst stehend und ohne seinen Gast zum Sitzen aufzufordern, nahm er eine fragende Haltung an, die deutlicher als Worte sagte: ‚Was haben Sie hier zu suchen? Sagen Sie es und gehen Sie.‘
„Es handelt sich um Ihre Tochter, Mr. Lee,“ stotterte Phil.
„Meine Tochter! So? Und was ist mit meiner Tochter, Mr. Armitage?“ Kein Laut verriet, dass er den Zweck des Besuches ahnte; nur höfliches Erstaunen, dass der junge Mann etwas über seine Tochter zu sagen habe.
Sein Ton stachelte den Mut des Bewerbers an. „Ich komme zu Ihnen, Mr. Lee,“ sagte er sehr ruhig, „um Sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten.“
Das Antlitz des Älteren blieb völlig ausdruckslos, er strich mit der mageren Hand über den spitzen Bart, als streichle er einen Lieblingshund. Plötzlich trafen die kalten grauen Augen über die Brillengläser hinweg die des jungen Mannes. „Sie haben schon mit meiner Tochter gesprochen?“ fragte er scharf.
„Jetzt eben, vor wenigen Minuten.“
„Sie halten das natürlich für ehrenhaft?“
„Ich verstehe Sie nicht.“
„Vermutlich nicht. Sie wissen doch, dass meine Tochter mein einziges Kind und eine reiche Erbin ist?“
„Darüber habe ich nie nachgedacht.“
„Aber die Tatsache war Ihnen bekannt, als Sie hierher kamen und ihr den Hof machten, und nachdem Sie ihr das Versprechen abgelockt haben, kommen Sie zu mir und bitten um ihre Hand und ihr Vermögen.“
„Nein, nein; ich versichere Ihnen, ich verlange nicht einen Pfennig.“
„Sie brauchen sich hier durchaus nicht als Theaterheld aufzuspielen, Mr. Armitage, das macht auf mich gar keinen Eindruck. Sie wissen recht gut, dass mein Geld einst meiner Tochter gehören wird.“
Bei den letzten Worten klang ein wärmerer Ton in seiner Stimme. „Ich weiss wohl, dass man mich für hart hält, weil ich schwer gearbeitet habe und auf ehrliche Weise ein grosses Vermögen erwarb, das ich nicht unnütz ausgebe. Aber nie hat mich jemand einen harten Vater genannt. Junger Mann, Sie sagen, Sie lieben meine Tochter, aber Sie lieben sie nicht halb so sehr wie ich. Alles, was ich bin und habe, gehört ihr. Wenn Norma einen Bettler oder einen Lumpen heiraten will, so ändert das nichts daran; aber sie soll weder einen Bettler noch einen Lumpen heiraten, so lang ich es verhindern kann.“
Der schmächtige Alte häufte Beleidigung über Beleidigung auf den jungen Hünen, der ihn mit einem Griff zerbrechen, mit einem Schlage töten konnte. Phil biss sich die Lippen und ballte die Fäuste, um durch physische Anstrengung die heisse, wilde Leidenschaft, die nach einem Ausweg rang, niederzuhalten. „Er ist ein alter Mann, er ist ihr Vater,“ wiederholte er sich immer wieder.
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