Lamman erfasste sie mit kräftigem Druck. „Nun ans Geschäft,“ sagte er munter. „Nach meinen Informationen muss man jetzt Amalgamated Gold Shares kaufen. Du hast doch von der Gesellschaft gehört?“
„Offen gestanden nein!“
„Na, du kümmerst dich ja auch nicht um die Börse. Amalgamated Gold gehört seit vielen Tagen zu den begehrtesten Papieren an der Börse. Eine Anzahl Amerikaner haben ein paar Minen, gute und schlechte, alte und neue, zusammengefasst und treiben sie in die Höhe. Die Fünfdollaranteile standen nach acht Tagen auf zehn, nach einer Woche fielen sie allerdings wieder auf fünf. Ich glaube aber, dass sie nur um so höher wieder steigen werden.“
„Ich verstehe,“ sagte Armitage, „die Minen erweisen sich als besser, als man erwartete.“
Lamman betrachtete ihn mit gutmütigem Spott. „Du bist sehr grün, mein Junge! Die Minen oder das Gold sind ganz nebensächlich, die Leute auf dem Markt, die reichsten und besten in den Vereinigten Staaten, bereiten, wie ich glaube, eine neue Hausse vor, und ich will von Anfang an dabei sein.“
„Ich auch.“
„Du auch, wenn du’s riskieren willst. Jetzt heisst es kaufen, kaufen und nochmal kaufen. Hier ist das Telegramm für meinen Agenten in Amerika. Die Chiffres sind ganz einfach, wenn man den Schlüssel hat. Ich will die Nachricht gleich selbst aufgeben, denn jetzt bedeuten Minuten vielleicht schon Tausende.“
„Kannst du auch für mich kaufen?“
„Nein, du musst dich an deinen eigenen Makler halten. Aber sei vorsichtig, dass du mich nicht verrätst, sonst geht am Ende die Karre in den Dreck.“
„Du kannst dich auf mich verlassen. Wann soll ich anfangen?“
„Am besten sofort.“
Sie gingen zu einem ruhigen kleinen Telegraphenbureau, wo Lamman das Telegramm aufgab. Armitage sah mit grossem Erstaunen, dass der Beamte, der es in Empfang nahm, eine merkwürdige Ähnlichkeit mit ihm selbst hatte. Armitage war glatt rasiert und der Beamte trug einen kleinen Schnurrbart und spitzen Backenbart. Immerhin war die Ähnlichkeit so auffallend, dass es ihm sonderbar erschien, dass weder Lamman noch der Beamte sie bemerkten.
Lamman trennte sich dort von ihm, und er ging allein zu seinem Makler.
Mr. Samson, ein ernster, gewissenhafter, silberhaariger Mann, war sehr erstaunt, als Philip Armitage ihn beauftragte, für ihn bis zu zwanzigtausend Pfund Amalgamated Gold Shares zu kaufen.
„Das ist eine grosse Summe,“ warnte er väterlich, „Amalgamated Gold gilt für ein Spekulationspapier.“
„Ich trage die Verantwortung,“ erwiderte Armitage.
„Sie haben mir aber keinen genauen Auftrag gegeben. Wie weit soll ich gehen? Soll ich gegen bar oder auf Rechnung kaufen?“
„Davon verstehe ich nichts, Mr. Samson. Kaufen, kaufen und weiterkaufen, so weit die zwanzigtausend reichen. Alles andre überlasse ich Ihnen.“
„Er scheint seiner Sache sehr sicher,“ dachte Mr. Samson. „Da will ich auch ein bisschen was riskieren.“ So kaufte er erst einmal ein gutes Teil der bezeichneten Aktien für sich, ehe er Phil Armitages Auftrag ausführte.
Hausseund Krach
Zum erstenmal in seinem Leben studierte jetzt Phil Armitage die Börsenberichte. Flüchtig glitt sein Blick über die Spalten der Zeitung — Parlament und Sport — denen sonst sein Interesse gegolten hatte, und haftete an dem Berichte über den Geldmarkt.
In den ersten Tagen blieb Amalgamated Gold ganz ruhig, dann begann ein leises Schwanken auf- und abwärts über die Parilinie und allmählich ging es ruhig und sicher in die Höhe. Ein Achtel, ein Viertel, ein Halb wurde erreicht, und immer weiter stiegen die Aktien. Armitage genügten die Zeitungsberichte nicht mehr, er verfolgte die neuesten Meldungen im Klub. Die fieberhafte Aufregung der Spieler rann auch durch seine Adern. Bald zog die Hausse allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, tolle Gerüchte kamen auf, und bildeten das Tagesgespräch im Klub.
Unser Freund Phil lächelte überlegen, wenn er solche Unterhaltungen mit anhörte, er gehörte ja zu den Eingeweihten, und die törichten Bemerkungen der Aussenseiter machten ihm Spass. Eines Tages traf er Lamman zufällig auf der Strasse.
„Na,“ sagte dieser, als Armitage ihm warm die Hand drückte, „bist du zufrieden?“
„Werden sie noch weiter steigen?“ fragte Armitage.
Lamman lachte sein gutmütiges, dröhnendes Lachen. „Wie kann ich das sagen? Ich bin kein Prophet. Aber wenn du zu den jetzigen Preisen verkaufen willst, so nehme ich deinen kleinen Vorrat, du wirst mir wohl die Vorhand lassen, was? Spielen und jobbern ist nichts für junge Leute, das fällt auf die Nerven.“
„Was tust du denn?“ fragte Phil.
„Ich raufe,“ sagte Lamman mit einem ermutigenden Zwinkern und raste davon.
Für den Augenblick war Phil zufrieden und beruhigt; er fühlte aber doch, wie sehr die Sache ihm auf die Nerven ging. Als eines Tages die Fünfdollaranteile auf elf standen, ging er zu seinem Makler.
Mr. Samson empfing ihn mit übergrosser Liebenswürdigkeit.
„Ich gratuliere, Mr. Armitage,“ sagte er, „Sie haben eine feine Nase gehabt. Sie verzeihen wohl, dass ich Ihnen abgeraten habe, aber ich ahnte ja nicht, dass Ihnen so etwas liegt.“
Phil Armitage war noch sehr jung. Ihm schmeichelte das Kompliment, als habe er wirklich etwas Wunderbares vollbracht.
„Natürlich, Herr Samson,“ erwiderte er mit überlegener Miene. „Ich kam nur herein, um mal zu hören, wie ich stehe.“
„Sehr gern,“ antwortete der Makler. „Jenkins,“ rief er in das grosse Bureau, „bitte bringen Sie mir mal Mr. Armitages Konto.“
Er schlug das Buch auf dem Tisch auf. „Lassen Sie uns mal sehen. An dem Tag, als Sie uns die Order gaben, kauften wir zwei Partieen zu —“
Armitage unterbrach ihn höflich. „Bemühen Sie sich nicht um die Einzelheiten. Können Sie mir sagen, wie ich jetzt stehe — ich meine, wie viel mir dies Geschäft einbringt, wenn ich jetzt verkaufe?“
„Sie glauben also, dass der Höhepunkt erreicht ist?“ fragte Mr. Samson ängstlich und mit lächerlicher Unterwürfigkeit.
Armitage lächelte geheimnisvoll und schüttelte den Kopf. „Das habe ich nicht gesagt. Ich wünschte nur eine ungefähre Auskunft.“
„Verzeihen Sie, wenn ich indiskret war. Einen Augenblick.“ Er rechnete eifrig mit seinem goldenen Bleistift auf einem Stück Papier. „Hier haben Sie eine Aufstellung. Wir haben zwanzigtausend Anteile für Ihre Rechnung gekauft. Der Durchschnittsgewinn ist ungefähr sechs Dollar. Wenn Sie jetzt verkaufen wollen, Mr. Armitage, so macht das einen Gewinn von zirka vierundzwanzigtausend Pfund.“
Armitage war sprachlos. In einer Woche vierundzwanzigtausend Pfund und in einem Monat waren es vielleicht hunderttausend. Manche Zeitungen prophezeiten ja ein immer weiteres Steigen. Er fühlte, dass er seinen Freund Lamman um Rat fragen müsse, denn er war ja unerfahren wie ein neugeborenes Kind in solchen Dingen. Und doch schmeckte die Hilfe des grossmütigen Freundes ein wenig bitter; sein Egoismus hatte sein Gewissen betäubt, das ihn mahnte, es sei unedel, gerade diesen Mann um Hilfe anzugehen.
„Soll ich für Sie realisieren?“ fragte Mr. Samson.
„Nein, Mr. Samson. Ich will noch nicht verkaufen. Amalgamated werden wohl noch weiter hinaufgehen. Sie hören in ein paar Tagen von mir.“
Er wunderte sich selbst über die ruhige Gelassenheit, mit der er sich von dem Makler verabschiedete. Wie getragen durch das grosse Glück schritt er dahin. Plötzlich aber durchzuckte ihn ein Gedanke. Dieser ganze grosse Reichtum war Zaubergold, das ebenso rasch zerrann, wie es gewonnen wurde. Schon war er ein paar Schritt rückwärts gegangen, um den Makler mit dem Verkauf zu beauftragen, da winkte er sich einen Wagen heran und gab dem Kutscher Lammans Adresse.
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