M. McDonnell Bodkin - Jung Beck

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Es ist dem jungen Lord Kirwood gar nicht recht, als ihm in Cambridge in seinem College der junge Beck zugewiesen wird. Becks Vater hat sich zwar als erfolgreicher Detektiv einen Namen gemacht, aber der junge Beck wirkt demgegenüber blass. Ebenso geht es Kirwoods Schwester Gertrud, die Beck zunächst für ein zartes Muttersöhnchen hält. All dies ändert sich aber in der Folgezeit, in der sich Beck als einer der gescheitesten Menschen erweist. Und es gibt genug Anlässe, in denen Beck seinen Spürsinn unter Beweis stellen kann und die dieses Büchlein zu einer amüsanten Abfolge von Kriminalfällen macht. So gilt es noch im College betrügerischen Mitstudenten auf die Schliche zu kommen, einem großen Diamanten auf den Fersen zu bleiben und verschiedene Mordfälle aufzuklären. Alles in der besten Tradition des Kollegen Sherlock Holmes.

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Matthias McDonnell Bodkin

Jung Beck

Kriminalroman

Saga

Ebook-Kolophon

M. Mc Donnell Bodkin: Jung Beck. - Aus dem Englischen von Alfred Peuker © 1920 M. Mc Donnell Bodkin. Originaltitel: Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2015 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen 2015. All rights reserved.

ISBN: 9788711462133

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com- a part of Egmont, www.egmont.com.

1. Die Zwillinge

In einer Hamletvorstellung hörte ich einst von einer alten Dame die ebenso ergötzliche wie treffende Bemerkung: „Der arme Hamlet hat aber auch wirklich viel Pech in seiner Familie.“ Dasselbe kann man von den Kirwoods sagen, denn es gibt wahrhaftig kaum eine Familie — selbst diejenige Hamlets nicht ausgenommen —, in der so viel Merkwürdiges und Aufregendes vorgefallen ist, und wobei der junge Beck so oft seine Hände im Spiele gehabt hat.

Ab und zu sickerte wohl einmal etwas von all diesen meistens recht unerquicklichen Wirrnissen in die Öffentlichkeit durch, und ich wurde dann im Klub und im Theater von allen Seiten bestürmt und ausgefragt; Beck selbst hielt nämlich dicht wie eine Auster — aus ihm war nichts herauszukriegen. Und legte ich ihm dann nahe, in dem betreffenden Falle die volle, ungeschminkte und unverfälschte, kurzum die lautere, reine Wahrheit an geeigneter Stelle zu veröffentlichen, so sträubte er sich dagegen wie ein störrischer Gaul.

„Ich will mit diesen leidigen Geschichten, die man meiner Ansicht nach am besten totschweigen sollte, nicht in Verbindung gebracht werden,“ pflegte er zu sagen. „Wenn du die Sachen durchaus breittreten musst, so setze wenigstens den Namen meines Alten an Stelle des meinigen; als früherer Detektiv ist er ja auch an so etwas gewöhnt und wird es uns sicher nicht übelnehmen.“

So kam es denn, dass ich in der Zeitung ein paar Skizzen veröffentlichte, deren Hauptheld der alte Beck war. In seiner lässigen Art brummte der alte Herr zwar ein wenig, doch darum kümmerte sich der Sohn nicht viel. Aber die Mutter war mit diesem Verfahren auf die Dauer nicht einverstanden.

„Das dulde ich nicht länger,“ erklärte sie. „Ehre, wem Ehre gebührt! Mein Mann hat sich wahrlich genug eigenen Ruhm erworben, an seines Sohnes Teil braucht er sich nicht zu bereichern.“

Und gegen seine Mutter vermochte der junge Beck nicht aufzukommen. Knurrend und brummend fügte er sich schliesslich und gab mir mit den liebenswürdigen Worten: „Mach zum Henker, was du willst!“ Generalvollmacht.

Das liess ich mir natürlich nicht zweimal sagen, obwohl ich mir die Sache einfacher vorgestellt hatte, als sie es tatsächlich war. Wohl hatte ich in unsern zahlreichen gemeinsam bestandenen Abenteuern Beck als einen Detektiv, wie er im Buch steht, kennen gelernt, leider aber bot seine Persönlichkeit so gar nichts, was die Neugier der Leser zu reizen vermochte. Er konnte nicht Geige spielen und Shag rauchen wie Sherlock Holmes, hatte weder scharfe Züge noch stechende Augen und war keine Spur morphiumsüchtig. Auch spielte er nicht Kricket gleich Raffles, machte keine Gedichte wie Kapitän Kettle — kurz, ich vermochte ihm nicht das kleinste Reklameplakat anzuhängen. Er war nichts weiter als ein hübscher Junge, der noch dazu ein ganzes Teil jünger aussah, als er in Wirklichkeit war. So kam ich eine Zeitlang mit meinen Zeitungsartikeln gar nicht recht von der Stelle.

Den Anfang finden, das war die grösste Schwierigkeit. Oft, wenn ich nach einer anstrengenden Jagd- oder Golfpartie mit Beck noch eine Weile nach dem Essen bei einer guten Zigarre zusammensitze, scheinen — obwohl wir uns gegenseitig ausgiebig anschweigen — unsre Gedanken miteinander über das gemeinsam Erlebte Zwiesprache zu halten. In wunderbarer Klarheit stehen dann Personen und Örtlichkeiten vor meinem inneren Auge; am deutlichsten aber war es an jenem Septembermorgen in Cambridge das Bild meines jungen Freundes selbst, das sich mit der Schärfe einer starkbelichteten Momentaufnahme meinem Gedächtnis eingeprägt hat.

Ich war ungefähr drei Wochen dort, als einer meiner Lehrer, der alte Doktor Day, mir eines Morgens beim Frühstück einen jungen Neuankömmling vorstellte, den ich ein wenig herumführen sollte. Im Sprechzimmer befanden sich bei meinem Eintritt vier Personen, Doktor Day selbst, um dessen hochaufgeschossene, schmächtige Gestalt die abgetragene Amtstracht schlotterte, und dessen mächtige Glatze nur noch hinten im Nacken ein spärliches Haarkränzlein aufwies, ferner ein schmächtiges Bürschlein, das mit seinen Eltern am Fenster stand.

„Kirwood,“ sagte der Doktor zu mir und deutete mit einer vorstellenden Handbewegung auf den untersetzt gebauten, freundlichen Herrn, der mit dem Rücken gegen das Fenster lehnte, „Sie haben doch wohl schon von Mr. Beck gehört?“

Ob ich schon von Paul Beck gehört hatte! Sherlock Holmes und Paul Beck waren seit langer Zeit meine ganz besonderen Lieblinge. Sherlock war natürlich spannender, doch hatten Becks Abenteuer den unleugbaren Vorzug, buchstäblich wahr zu sein. Ein wonniges Gruseln durchrieselte mich bei der Vorstellung all der aufregenden Erlebnisse, die der Mann dort vor mir schon durchgemacht hatte. Er sah übrigens genau so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte — kraftvoll und von überlegener Ruhe, mit einem Zug gewinnender Liebenswürdigkeit um Mund und Augen. Die hübsche Dame neben ihm war vermutlich seine Frau, Dora Myrl, die mir für den alten Paul immer viel zu schade vorgekommen war, und der dicht neben ihr stehende Sprössling musste wohl ihr Sohn sein, den ich jetzt ins Schlepptau nehmen sollte. Ich erinnere mich noch heute, wie verächtlich ich damals die Nase darüber rümpfte, dass sich dieses verzärtelte Schosskindchen von seiner Mutter ins College begleiten liess. So war der erste Eindruck, den der junge Beck auf mich machte, kein allzu vorteilhafter; mein neuer Kamerad, mit dem ich später so manches seltsame Abenteuer bestehen sollte, war eben ein Muttersöhnchen, und Muttersöhnchen erfreuen sich niemals sonderlicher Beliebtheit.

Mit seinem Lockenkopf und seinen blauen Augen glich er mehr einem Mädchen als einem rechtschaffenen Jungen, und merkwürdig mädchenhaft mutete mich auch das Grübchen in seiner linken Wange an, das sich aber — wie ich später beobachtete — nur dann zeigte, wenn er, wie eben jetzt, in grosser Erregung die Lippen fest zusammenpresste. Neben dem hochgewachsenen Doktor sah er viel kleiner aus, als er in Wirklichkeit war, und ich konnte später gar nicht begreifen, wie dieser schmächtige Knabenkörper so viel Muskelkraft zu entwickeln vermochte; an jenem ersten Tage schien es mir ein leichtes, mit dem vermeintlichen Schwächling fertig zu werden. Mein Gesicht musste wohl ein ziemlich deutlicher Spiegel meiner Empfindungen gewesen sein, denn die kleine Frau schien mir mit ihren hellen Augen meine geheimsten Gedanken von der Stirn abzulesen.

„Er ist durchaus nicht so schwächlich, wie er aussieht,“ sagte sie; „das können Sie mir, seiner Mutter, schon glauben.“

Offenbar machte ich jetzt ein sehr dummes Gesicht.

„Das habe ich ja gar nicht so gemeint,“ stammelte ich, wobei ich ganz vergass, dass ich doch gar nichts gesagt hatte. „Ich hoffe, wir werden gute Freunde werden.“

„Davon bin ich überzeugt,“ erwiderte Mrs. Beck.

Und sie war eine gute Prophetin, denn schon nach acht Tagen waren wir tatsächlich die dicksten Freunde, und nie hat unsere Freundschaft seitdem einen Riss bekommen.

Schon vor unsrer Ankunft in Cambridge hatten es die Zwillinge Bertram, obwohl sie uns nur um ein Semester voraus waren, zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Selbst für Zwillinge war ihre Ähnlichkeit verblüffend; nicht einmal ihre vertrautesten Freunde konnten die beiden auseinander halten, daher gingen diese bei all ihren Streichen gewöhnlich straflos aus. Schwänzte einer von ihnen die Vorlesung, so konnte der Professor nicht feststellen, welcher es gewesen war; wurden sie bei irgendeinem Schabernack ertappt, so vermochte der Proktor den Schuldigen nicht anzugeben; stets wurde der Unrichtige beschuldigt — wenigstens seiner eigenen Beteuerung nach.

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