Der zweite der beiden Burschen war unterdessen mit einem Satz an das Büfett gesprungen und versuchte gerade, den Griff eines Tranchiermessers zu packen, als die Seitenkante meiner Hand mit solcher Wucht auf seinen Vorderarm niedersauste, dass er mit einem Schmerzenslaut das Messer fallen liess. Es entspann sich ein kurzes Handgemenge zwischen uns, bei dem sich mein Gegner flink und geschmeidig wie eine Wildkatze immer wieder meinen Griffen entwand und mit mir durch das ganze Zimmer walzte, wobei er gleichzeitig verzweifelte Anstrengungen machte, Beck durch Fusstritte von seinem Bruder fortzustossen. Tische und Stühle wurden dabei umgeworfen, und der Fussboden bedeckte sich im Nu mit umhergeschleuderten Karten. Da mir Staunton indessen sofort zu Hilfe kam, gelang es uns bald, den gefährlichen Gegner zu überwältigen.
„Bindet ihm Hände und Füsse!“ keuchte Beck. „Macht flink, und dann helft mir hier; der Bursche ist ein bisschen widerspenstig.“
Während wir Becks Weisung folgten, hörte ich das dumpfe Aufschlagen eines menschlichen Schädels auf den Teppich — Beck zwang seinen Gegner, der sich zu erheben versucht hatte, wieder auf den Rücken nieder. Trotz heftigen Sträubens unsrer Widersacher knoteten wir ihnen mit unsern Taschentüchern Hand- und Fussgelenke fest zusammen, und bald lag das edle Paar Seite an Seite wehrlos vor uns auf dem Teppich.
„So, und jetzt das Pult!“ rief Beck. „Reichen Sie mir mal das Messer herüber, Staunton.“
Geschickt zwängte er die spitze Messerklinge in die Spalte unter den Pultdeckel, den er durch eine rasche Drehung des Handgelenks ohne Schwierigkeit öffnete.
Das Gesuchte fand sich beinahe auf der Stelle.
„Staunton, Kirwood, seht her!“ rief Beck frohlockend. „Fast dieselben Aufzeichnungen wie die meinigen, nur noch besser ausgearbeitet — verteufelt fein ausgeklügelt. Hier, Charlie, da hast du den Leitfaden, aus dem sich deine Freunde auf ihr Examen vorbereiteten. Ein hochwichtiges Schriftstück, das ich zu weiterer Empfehlung gern behalten möchte.“
Damit steckte er das Büchelchen in eine Innentasche seines Rockes, während die entlarvten Schurken sich in ohnmächtiger Wut auf dem Fussboden wanden.
„Holla!“ rief Beck, noch immer im Pult herumstöbernd; „was haben wir denn hier? Ein dickes Paket Schuldscheine von uns und andern. Wir waren also nicht die einzigen Opfer, Kirwood. So, nun wollen wir einmal reinen Tisch damit machen!“
Er sammelte aus dem Pult einen ganzen Haufen auf allerlei Papierschnitzel gekritzelte Schuldscheine zusammen, raffte vom Spieltisch auch die beiden Häufchen, die heute nacht noch dazu gekommen waren, und schichtete die ganze Bescherung in dem leeren Kamin säuberlich übereinander.
„Ein Streichholz, Staunton!“
Gierig leckten die kleinen roten Flammenzungen an den lose geschichteten Papieren, die sofort zu schwelen anfingen und im nächsten Augenblick in einer lustig aufflackernden Lohe verschwanden.
„Mir ist zumute, als ob ich Banknoten verbrennte,“ sagte Beck. „Zwei- oder dreitausend Pfund gehen da in Rauch auf.“ Und mit plötzlichem Ernst wandte er dem Feuer den Rücken. „Was machen wir nun mit diesen Burschen?“ fuhr er fort. „Darüber müssen wir uns jetzt zunächst schlüssig werden.“
So sassen wir drei beim Morgengrauen in dem wüsten Zimmer zu Gericht über die Zwillinge, die uns vom Fussboden her lauernd beobachteten und seit ihrer Fesselung weder einen Laut von sich gaben noch die geringste Bewegung machten.
Zu meiner Überraschung war der gutmütige phlegmatische Staunton gerade der Allerschroffste unsres kleinen Gerichtshofes, denn er bestand durchaus auf öffentlicher Brandmarkung und schimpflicher Relegation der beiden Schurken. Ich glaube, seine fanatische Vorliebe für das Bridgespiel war der Grund zu dieser Härte, denn bei diesem Spiel zu betrügen, erschien ihm fast wie eine Entweihung. Beck dagegen nahm einen wesentlich milderen Standpunkt ein, und da ich nach einigem Nachdenken seinen Gründen beipflichten musste, so wurde Staunton überstimmt.
„Hört, ihr Burschen,“ begann Beck, als wir mit unsern im Flüsterton geführten Beratungen fertig waren und das Urteil gefällt hatten. „Ihr habt in spätestens drei Tagen gutwillig — wohlgemerkt, gutwillig — diese Stadt zu verlassen. Versteht ihr?“
„Jawohl,“ murmelten sie finster, worauf wir sie losbanden und das Zimmer verliessen. Vor der Tür verabschiedeten wir uns von Staunton und schritten im schwindenden Licht des untergehenden Mondes unsrer Wohnung zu. Beck war sehr schweigsam, doch fühlte ich deutlich, dass er irgendeine Äusserung von mir erwartete.
„Tausend Dank für deinen Freundschaftsdienst, alter Junge,“ sagte ich daher. „Das war eine gute Lehre für mich; von jetzt ab rühre ich keine Karte mehr an.“
„Was — niemals mehr?“
„Nun, wenigstens so gut wie niemals mehr. Höchstens gelegentlich einmal den Point zu einem halben Pfennig oder so.“
Ein fester Händedruck beim Abschied besiegelte mein Versprechen.
Drei Tage später hatten die Zwillinge sang- und klanglos die Universität verlassen.
Manch einer der von ihnen Gerupften mag wohl angenehm überrascht gewesen sein, dass seine Schuldscheine niemals zum Bezahlen vorgelegt wurden.
„Ganz besonders freut es mich, dass die beiden Schurken nun Miss Bloom nicht mehr belästigen können,“ meinte Beck befriedigt.
„Sag mal, Beck —“ begann ich, hielt dann aber zögernd inne.
„Nein,“ beantwortete er nach einer Pause von selber meine unausgesprochene Frage. „Nein, ich liebe Miss Bloom ganz gewiss nicht.“
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