Ob das Wissen um Barbaras anderweitige Eroberungen den König stimulierte, entzieht sich unserer Kenntnis, als sie es jedoch auf seinen dreizehnjährigen Sohn, den Herzog von Monmouth, abgesehen hatte, gebot er ihr energisch Einhalt. Dass es sich um Eroberungen handelte, steht allerdings außer Frage. Ihre sexuellen Beziehungen zu Männern waren sehr stark durch ein Gefühl der Wut gekennzeichnet, Intimität spielte dabei nur eine geringe Rolle. Es war also weitgehend die gleiche emotionale Gemengelage wie bei Charles und seinen Affären mit dem anderen Geschlecht. Außerdem war sie habgierig und ehrgeizig und drängte den ihr willenlos ausgelieferten König durch Schmeicheleien dazu, ihr ungeheure Besitztümer, Juwelen und Vorrechte zu übertragen, sehr zum Missbehagen von Parlament und Volk. In seinem Tagebucheintrag vom 23. Februar 1662 vermerkte Pepys missbilligend, dass Barbara auf dem letzten Ball reicher mit Juwelen behangen gewesen sei als die Königin und die Herzogin von York zusammengenommen. Ihre Taktik war die eines Tiers, sie setzte ihren Raubtierinstinkt ein, um ihre Macht und ihren Einfluss immer weiter auszubauen. An der eigentlichen Politik aber hatte sie kein Interesse, genauso wenig wie ihr demonstrativer Übertritt zum katholischen Glauben einer tiefen Religiosität entsprang.
Man darf wohl bezweifeln, dass Barbaras fünf Kinder, die Charles als die seinigen anerkannt hatte, tatsächlich alle von ihm stammten, aber sie bedrängte ihn jedes Mal so sehr, dass er schließlich nachgab. Bei ihrem sechsten Bastard allerdings (ihrem gemeinsamen Sohn mit Henry Jermyn, Earl von St. Albans), sprach er ein Machtwort, obgleich sie tobte und drohte, sie würde ihm das Baby nach Whitehall bringen und den Kopf des Kindes vor seinen Augen zerschmettern. »Gott möge mich verdammen, aber Ihr sollt es anerkennen!« Zu diesem Kind bekannte sich der König niemals, doch es verstrichen kaum mehr als zwei Wochen, und schon verfiel er erneut ihrem Zauber. Glauben wir Pepys, so begab sich der König zu ihr, und sie ließ ihn auf Knien um Vergebung winseln und versprechen, dass er sie niemals wieder in solcher Art beleidigen werde. Außerdem »drohte sie ihm, sie werde ihm all seine unehelichen Kinder vor die Tür seiner Privatgemächer führen, und mit ihrer Tyrannei brachte sie ihn fast um den Verstand«.
Sie betätigte sich auch als des Königs Kupplerin, damit sie, selbst wenn der König nicht mit ihr schlief, doch sicher sein konnte, dass er das Bett mit einem Mädchen ihrer Wahl teilte. So behielt sie ihn immerhin indirekt in ihrer Gewalt. Doch im Fall seiner jungen Base Frances Stuart (und später auch bei Nell Gwyn) ging der Schuss nach hinten los. Frances war eine der Brautjungfern seiner Schwester Minette in Paris gewesen, und die hatte sie im Januar 1663 an den englischen Hof gesandt, wo sie im Hofstaat der neuen Königin dienen sollte. Frances war erst fünfzehn Jahre alt und Minette zufolge »das hübscheste Mädchen auf der Welt«. Sobald Barbara bemerkte, dass der König ganz hingerissen war von ihr, nahm sie Frances unter ihre Fittiche und sogar mit zu sich ins Bett. Später ließ Barbara, wie Pepys berichtete, für sich und Frances zum Schein eine Hochzeitszeremonie mit allen Ritualen abhalten. Nach dem Gottesdienst zogen sich die beiden unter den Augen des Hofes ins Bett zurück, und es wurde auch der Strumpf geworfen. 3»Doch man munkelt«, fährt Pepys fort, »dass Mylady Castlemaine, die den Bräutigam spielte, sich wieder erhob und dass der König ihren Platz an der Seite der hübschen Mrs Stuart einnahm.« (Die Anrede »Mrs« war nicht nur verheirateten Frauen vorbehalten, sondern wurde auch für unverheiratete Damen verwandt, um die Anrede »Miss« zu vermeiden, denn mit der war im Allgemeinen die Vorstellung von Mätresse oder Prostituierter verbunden.)
Diese Szene spielte sich knapp einen Monat nach Frances’ Ankunft bei Hofe ab, zu einer Zeit, da Barbara anerkanntermaßen die Stellung der »Miss of State« innehatte, das englische Pendant zur französischen maîtresse en titre. Der Vorfall zeigt auf anschauliche Weise, wie gut Barbara Charles’ abnormes sexuelles Verlangen kannte, beweist aber auch, welchen verzweifelten Einfallsreichtum sie an den Tag legte, um ihre Stellung als Lieblingsmätresse zu wahren. Sie wusste ganz genau, dass der König es hasste, sich durch emotionale Bindungen eingeengt zu fühlen, und dass es ihn nach Abwechslung, Abenteuer und einem Hauch von Exotik in seinem Liebesleben gelüstete. Keine Frau allein, nicht einmal so eine Freibeuterin in Sachen Sex wie Barbara, konnte darauf hoffen, all seine amourösen Bedürfnisse zu befriedigen, und deshalb musste sie notgedrungen die Doppelrolle von Kupplerin und Hure übernehmen.
Frances Stuart war in vielerlei Hinsicht der ideale Schützling für Barbara, denn sie weigerte sich, den Avancen des Königs vollständig nachzugeben. Sie wollte einen Ehemann und war deshalb nicht bereit, ihre Jungfräulichkeit ohne den entsprechenden Ring zu opfern. Ihre Zeitgenossen waren sich alle darin einig, dass Frances, deren Lieblingsbeschäftigung darin bestand, Kartenhäuschen zu bauen, das Gemüt eines Kindes besaß. Ihre Unschuld machte den König verrückt und brachte ihn sogar dazu, rührselige Herz- und Schmerzgedichte zu verfassen. Pepys, der zumeist durch den schon erwähnten Dr. Pierce über den neuesten Hofklatsch informiert wurde, schrieb: »Er [Pierce] erzählte mir, wie vernarrt der König jetzt in Mrs Stuart ist, dass er sich in Ecken rumdrückt und sie unter den Blicken aller Welt wohl eine halbe Stunde lang abküsst ... doch man ist allgemein der Meinung, dass diese neue Jungfer so klug ist, ihm nichts zu gewähren, was für sie gefährlich werden könnte ...« Der frustrierte König witzelte nur, er hoffe, er werde es noch erleben, Frances eines Tages »hässlich und willig« zu sehen.
Mit der Zeit begann der König, Barbara wegen Frances zu vernachlässigen, und als später im Jahr 1663 die Königin ernsthaft erkrankte, ging das Gerücht um, der König wolle sie heiraten, sollte Katharina sterben. Der Herzog von Buckingham, selber ein Villiers und Wortführer der Höflinge, scharte eine Gruppe von Gefährten um sich, die sich für Frances als zukünftige Königin einsetzen wollten. Selbst für den Fall, dass Katharina überlebte, planten sie, diese zu entführen und in einem Kloster verschwinden zu lassen. Hinter diesem abstrusen Komplott stand eine ganz gewichtige politische Sorge. Es wurde zunehmend klar, dass Katharina unfruchtbar war und dass der vermutliche Thronerbe, Charles’ Bruder James, insgeheim ein Katholik war (sein Übertritt zum katholischen Glauben wurde erst 1666 öffentlich bekannt gegeben). Buckingham und viele andere auch wollten aber unbedingt die protestantische Thronfolge gesichert wissen. Einige unruhige Wochen lang musste sich Barbara mit der grauenhaften Perspektive auseinandersetzen, dass sie möglicherweise einmal als Kammerzofe von Frances Stuart enden würde.
Doch die Verschwörer hatten den König völlig falsch eingeschätzt. Charles mag zwar den Frauen, die er liebte, nicht treu gewesen sein, loyal aber blieb er immer. Charles betrachtete die Krankheit seiner Frau keineswegs als eine Chance, sondern erstaunte jedermann – und nicht zuletzt sich selber – durch seinen tiefen und aufrichtigen Kummer. Katharinas Leben hing tatsächlich nur noch an einem seidenen Faden. Man hatte ihr bereits den Kopf geschoren, tote Tauben an die Füße gebunden und die letzten Sakramente gespendet. Ärzte und Priester stritten heftig miteinander, und der König, der stundenlang bei ihr am Krankenbett ausharrte, bedeckte ihre Hände mit seinen Tränen und bat sie, um seinetwillen doch am Leben zu bleiben. Als sie sich dann wirklich wieder erholte und ihre Lebensgeister zurückkehrten, äußerte die Königin voller Dankbarkeit, dass die ruhige und liebevolle Gegenwart ihres Gatten ihr das Leben gerettet habe. Und es war mehr als nur eine körperliche Wiederherstellung. Während ihrer Krankheit hatte sich Katharinas ganzer Kummer über ihre Unfruchtbarkeit zugespitzt, und im Fieberwahn hatte sie eine Reihe von Fantasiekindern geboren. Jetzt, da sie die Krankheit überstanden hatte, war sie eine neue Frau. Sie fügte sich in ihr Schicksal, zeigte sich bei Hof fröhlich und zugewandt und behandelte den König mit Humor und Nachsicht.
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