Katharina war mit einem umfangreichen und düster anmutenden Gefolge von schwarz gekleideten Mönchen und Kammerzofen in England eingetroffen. Letztere waren durchweg alt und übelriechend und trugen ausladende Reifengestelle unter ihren schwarzen Röcken, was bedeutete, dass man für sie Extrakutschen anfordern musste, um sie von Portsmouth nach London zu bringen. Keine von ihnen sprach auch nur ein Wort Englisch, aber aus ihren verächtlichen Mienen war deutlich abzulesen, was sie dachten. Der König war anscheinend der Einzige in dem englischen Tross, den der monströse Zug, der seiner künftigen Gattin nachfolgte, nicht verstörte. Wahrscheinlich war die Mitgift groß genug, um alle Bedenken zu zerstreuen, die er in diesem Punkt hätte haben können. Zutreffender war aber wohl, dass irgendetwas an dieser zierlichen und geistreichen Prinzessin seine Loyalität und seinen Beschützergeist, ja sogar seine Zuneigung auf den Plan rief. Trotz der Korkenzieherlocken, die zu beiden Seiten ihrer Schläfen abstanden und die Charles dazu veranlassten, einem seiner Freunde gegenüber verlauten zu lassen, er habe auf den ersten Blick gedacht, »man hätte ihm eine Fledermaus geschickt anstelle einer Frau«, schrieb er noch von der Küste aus an Clarendon: »Sie hat ausgesprochen schöne Augen ... und wenn ich, wie ich durchaus meine, nur über ein wenig Menschenkenntnis verfüge, so denke ich, dass sie nicht schlechter ist als jede andere Frau auch.«
Doch Loyalität und eheliche Treue sind zwei verschiedene Dinge. Als Charles ein Jahr zuvor in der Abtei von Westminster gekrönt worden war, hatte er ganz bewusst den Tag des heiligen Georg für diesen Anlass gewählt, um damit zu verstehen zu geben, dass er den Drachen der Rebellion endgültig besiegt habe. Doch sein wahrer Feind war der Drache der Wollust. Selbst während der Flitterwochen, sozusagen das Ehegelöbnis noch frisch auf den Lippen, stahl er sich heimlich fort zu Barbara, die nach der Geburt ihres Sohnes Charles, des späteren Herzogs von Southampton, ein Haus im nahe gelegenen Richmond bezogen hatte. Der animalische Trieb, ihrer Anziehungskraft nachzugeben, war so drängend und der König ihr auf so fatale Weise verfallen, dass alle himmlischen Gelöbnisse ihn nicht davon abhalten konnten, sich mit ihr zu vereinen. Katharina war sicherlich klug genug, so zu tun, als sähe sie nichts. Aber die Mätresse des Königs öffentlich anzuerkennen und ihr die Vorrechte einer königlichen Kammerfrau, ihrer Kammerfrau, zu verleihen, das was etwas ganz anderes. Und deshalb lehnte sie, als ihr der König die Liste mit den Neuernennungen vorlegte, auf der Barbaras Name ganz oben stand, dieses Ansinnen wutschnaubend ab.
Katharina, die ja an einem königlichen Hof erzogen worden war, wusste ganz genau, was man da von ihr verlangte. Um den Titel einer königlichen Kammerfrau ging es erst in zweiter Linie, es ging vielmehr um den offiziellen Status der Mätresse des Königs und damit um die Moral an dem Hof, der nun auch der ihrige war. Man verlangte von ihr, einer Person Ehre zu erweisen und eine rechtmäßige Stellung zu verleihen, die in den Augen vieler bei Hofe und auch außerhalb nichts anderes war als eine ganz gemeine Hure – und all das auf Kosten ihrer eigenen Ehre und ihres Glücks. Das war schon eine ziemlich starke Zumutung, und Charles war sich seiner Rücksichtslosigkeit durchaus bewusst, was aber wohl seinen Zorn angesichts ihrer Weigerung noch verstärkt haben mag. Außerdem war der König immer dann verwundbar, wenn tiefe Gefühle mit im Spiel waren, und nun fühlte er plötzlich, wie er den Boden unter den Füßen verlor.
Schließlich beschloss der König, Barbara bei Gelegenheit und ohne Vorankündigung der Königin vorzustellen und darauf zu hoffen, dass alles gut ginge. Es gab keinen Grund, warum sie die Angelegenheit nicht untereinander, von Frau zu Frau, regeln sollten. So oder ähnlich mögen seine Überlegungen ausgesehen haben. An jenem Morgen sollten etliche Damen vorgestellt werden, und Charles wusste, dass Katharina Barbara nicht vom Sehen her kannte. Und so geschah es. Katharina empfing die fremde Dame huldvoll und hatte ihr gerade die Hand zum Kuss gereicht, als Charles sich zu ihr herabbeugte und verkündete: »Mylady Castlemaine.« Beim Klang dieses Namens wurde die Königin leichenblass, und sie musste sich an der Armlehne ihres Stuhls festklammern. Dann brach sie in Tränen aus, ihre Nase fing an zu bluten und sie fiel vornüber in Ohnmacht. Man musste sie hinaustragen, doch der normalerweise so aufmerksame König fühlte sich zu sehr verletzt, als dass er ihr folgte.
Stattdessen ließ er wissen, dass er jeden, der ihn an seinem Entschluss hindern wolle, Lady Castlemaine zur Kammerfrau der Königin zu ernennen, lebenslang als seinen Feind betrachten werde. Außerdem schickte er den größten Teil von Katharinas Gefolge zurück nach Portugal und ging ihr danach ostentativ aus dem Weg. In dieser Haltung wurde er von seinen Höflingen noch bestärkt (von seinen »Ratgebern in Vergnügungsdingen«, wie Pepys sie nannte), die ihn immer wieder an das Beispiel seines Großvaters Heinrich IV. von Frankreich gemahnten, der seine Ehefrauen dazu gezwungen hatte, seine Lieblingsmätressen zu akzeptieren. Es sei an der Zeit, sagten sie, dass der König auch am englischen Hof den Status einer maîtresse en titre einführe. Wortführer dieser netten Bande war George Villiers, Herzog von Buckingham und Barbaras Vetter, dem daran gelegen war, seinen eigenen Platz neben dem Thron zu sichern.
Diese unerfreuliche Situation blieb monatelang bestehen, bis die Königin nach einigen Überredungsversuchen vonseiten eines widerwilligen Clarendon unvermutet doch einlenkte – als sie den Zeitpunkt für gekommen hielt. Man sah sie und Barbara im Gespräch miteinander herzlich lachen. Ihre Ergebenheit gegenüber dem König hatte schließlich die Oberhand behalten. Clarendon, dessen Sympathien die ganze Zeit über der gedemütigten Königin gegolten hatten, hatte den König offen für sein Verhalten in der Angelegenheit kritisiert, und ihr Verhältnis war dadurch rasch abgekühlt. Barbaras Einfluss auf den König verbitterte ihn sehr. Aber wie dem auch sei, der König hatte sich den Hof geschaffen, den er sich wünschte, und jeder musste schauen, wo er blieb. So könnte man sagen, dass die Schlafzimmerkrise, wie sie allgemein genannt wurde, den Weg geebnet hatte für eine noch skandalträchtigere Mätresse in der Zukunft, die ebenfalls einmal die Vorrechte einer Kammerfrau der Königin genießen sollte, für Nell Gwyn.
Ein König der Liebe
In der Schlafzimmerkrise hatte sich sehr anschaulich offenbart, wie kompliziert Charles’ Verhältnis zu den Frauen war und dass er mit ihnen ein doppeltes Spielt trieb; sie sprach auch Bände darüber, dass er entschlossen war, sich nicht von Frauen beherrschen zu lassen. Stattdessen behandelte er sie lieber wie seine Minister, spielte sie gegeneinander aus und behielt selbst stets die Fäden in der Hand. Außerdem versuchte er, sich mit dieser Taktik seine Freiheit zu bewahren. Damit allerdings lief er Gefahr, Opfer stürmischer Gefühlsausbrüche zu werden, ganz besonders, wenn Barbara Castlemaine betroffen war.
Charles’ Furcht vor Dominierung lässt sich ganz direkt aus der Beziehung zu seiner Mutter herleiten, der energischen Henrietta Maria, ihrerseits Tochter einer kalten, dominierenden Mutter, Maria von Medici, und eines Vaters, den sie niemals gekannt hat (er wurde ermordet, als sie erst ein Jahr alt war). 1Von dem Augenblick an, da sie den Knaben zur Welt gebracht hatte, der von so dunklem Äußeren war, dass sie, wie sie selber sagte, sich »seiner schämte«, tyrannisierte Henrietta Maria ihren ältesten Sohn und fürchtete sich gleichzeitig vor ihm, so als wüsste sie, dass er eines Tages zu dem König heranwachsen würde, der ihr Gatte nie hatte sein können, und dass er damit ihre Kontrolle über die Männer in der Familie brechen würde. Für sie bedeutete das Leben Aufopferung und Pflichterfüllung, und um ehrlich zu sein, selbst die Liebe ordnete sie ganz der Pflicht unter und sah in ihr nur ein Opfer, Zuneigung war zweitrangig. Zwar war sie eine sehr empfindsame Frau, behielt aber ihre Gefühle streng für sich. Wenn sich ihre Emotionen doch einmal nach außen Bahn brachen, dann unabsichtlich und eher in der Form von Wutanfällen denn in Bekundungen mütterlicher Liebe.
Читать дальше