Diese tapfere, leidenschaftliche kleine Frau (sie maß kaum einen Meter fünfzig) erschien ihren Kindern kalt und herrisch. In ihren Augen waren die Kinder niemals individuelle Persönlichkeiten, sondern nur Spielfiguren in dem alles bestimmenden Drama ihres Lebens. Jede Bekundung eines eigenen Willens oder des Widerspruchs vonseiten der Kinder löste, selbst als diese schon erwachsen waren, entsetzliche Wutanfälle aus oder, was noch schlimmer war, kalt berechnete Demütigungen. Um die Kontrolle zu behalten, war ihr jedes Mittel recht. Als Charles’ jüngster Bruder Henry, der Herzog von Gloucester, den Versuchen seiner Mutter widerstand, ihn zum katholischen Glauben zu zwingen, ließ sie alle Möbel aus seinen Gemächern im Pariser Palais Royal entfernen und seine Pferde aus den Stallungen fortführen. Daraufhin unternahm er einen letzten Versuch, sich mit ihr vernünftig auseinanderzusetzen, doch sie behandelte ihn in aller Öffentlichkeit, als wäre er Luft. Das war im Jahr 1655. Henry, der fünf Jahre später den Pocken erlag, hat seine Mutter nie wiedergesehen. Ihren zweiten Sohn, James, den Herzog von York, behandelte sie kaum weniger harsch, als der heimlich eine Bürgerliche heiratete.
Es hatte den Anschein, als konnte sie nur einem Ersatzkind eine richtige Mutter sein, einem Kind, mit dem sie keine Blutsbande verknüpften und über das sie uneingeschränkte Herrschaft auszuüben vermochte. Ein solches Kind war der zwergwüchsige Jeffrey Hudson, der ungefähr im Alter von acht Jahren vom Herzog von Buckingham der damals noch kinderlosen Königin zugeführt worden war. Jeffrey war aus einer Torte herausgehüpft, die man dem König und der Königin in Burleigh on the Hill serviert hatte. Henrietta Maria schloss den Kleinen sofort ins Herz, ließ ihn aufs Feinste einkleiden und kümmerte sich um seine Erziehung. In ihm hatte sie ein fügsames Kind, das sie ganz nach ihren eigenen Vorstellungen formen und zum Katholiken machen konnte. Sie lehrte ihn Französisch und unterwies ihn in den Sitten und Ritualen bei Hofe. 1633 ließ sie sich sogar zusammen mit ihm von van Dyck porträtieren. Das Bild zeigt eine hochmütige und auf eine etwas kindliche Art überaus schöne Königin. Ihre linke Hand ruht auf einem Äffchen, das auf Jeffreys Arm sitzt, ein Symbol für die Lust am Schabernack, der diesen beiden Außenseitern am Hof zu eigen war. Berühmt geworden ist ein Vorfall in Den Haag aus dem Jahr 1642. Damals hatte der holländische Gesandte den dreiundzwanzigjährigen Jeffrey fälschlicherweise für den Prinzen von Wales gehalten und hatte sich niedergebeugt, um dem Zwerg die Hand zu küssen. Zu diesem Irrtum hatte ihn ganz gewiss der ungezwungene und liebevolle Umgang der Königin mit dem jungen Mann verleitet, eine Zuneigung, zu der sie Charles gegenüber nie in der Lage war. Nach der Restauration, als Jeffrey fort war, adoptierte sie einen Chinesenjungen, einen blinden Passagier auf einem Ostindienfahrer, den sie ebenfalls zum katholischen Glauben bekehrte und wie ihren leiblichen Sohn aufzog.
Mit Katharina von Braganza hatte sich Charles eine Ehefrau gewählt, die sehr große Ähnlichkeiten mit seiner Mutter aufwies. Stur, eigensinnig und impulsiv, war Katharina in der Lage, ihren Standpunkt nachhaltig zu vertreten, wenn sie sich angegriffen fühlte. Äußerlich waren beide Frauen von sehr feingliedriger, ja fast puppenhafter Gestalt, und beider Schönheit lag vor allem in ihren großen, dunklen Augen. Es gab allerdings entscheidende Unterschiede. War Henrietta eine dogmatische Katholikin, deren Handeln durch politische und familiäre Loyalitätsbindungen bestimmt wurde, so war Katharina aufrichtig fromm, ja sogar mystisch und verspürte lebenslang immer wieder den tiefen Wunsch, sich aus der Welt zurückzuziehen. Sie verkörperte jenen Wesenszug, den Charles bei sich nicht auszudrücken vermochte: Ergebenheit und Hingabe.
Henrietta, die Katharina zum ersten Mal nach ihrer Rückkehr nach London im August des Jahres 1662 begegnet war, beschrieb sie in einem Brief an ihre Schwester Christine als eine Heilige. Es verwundert nicht, dass sich Katharina aus allen Hofintrigen herauszuhalten verstand und im Laufe der Jahre im Volk immer größere Beliebtheit genoss. Schon im Dezember 1662 hatte Pepys von Dr. Pierce, dem Leibarzt des Herzogs von York, gehört, dass Katharina »eine äußerst gütige Lady ist und alles [d.h. Barbaras Intrigen] mit der größtmöglichen Sanftmut erträgt«.
Der größte Unterschied zwischen den beiden Königinnen aber war vielleicht der, dass Katharina niemals Mutter wurde. Ihr Körper war der eines Kindes, und es hieß, sie sei unfähig, ein Kind auszutragen. Das war sowohl für sie als auch für Charles ein Grund tiefer Bekümmernis. Als Katharina im Herbst 1663 lebensbedrohlich erkrankte, fantasierte sie in ihren Fieberträumen, sie hätte Zwillinge zur Welt gebracht, einen Knaben und ein Mädchen, und der Knabe hätte dem König bis aufs Haar geglichen. Diese Phantomzwillinge symbolisieren möglicherweise das Verhältnis zwischen Katharina und Charles, wie es wirklich war, nämlich eine Beziehung von Bruder und Schwester. Und nach dem allzu frühen Tod seiner leiblichen Schwester Minette im Jahr 1670 übertrug Charles einen Großteil seiner idealisierten Liebe zu ihr auf Katharina. Gefühlsmäßig war er ihr sehr viel stärker verbunden, als die meisten Beobachter wahrnahmen. Ganz besonders schätzte er an ihr ihre selbstlose Liebe sowie die Tatsache, dass sie auf seine Mätressen nicht eifersüchtig war und seinen unehelichen Kindern mit großer Freundlichkeit begegnete.
Barbara Castlemaine hingegen tat es Charles’ Mutter gleich und setzte Tränen und Wutausbrüche ein, um dem König ihren Willen aufzuzwingen. Ihr beider Verhältnis war ein entwürdigender Machtkampf, noch angeheizt durch eine beiderseitige, geradezu schamlos anmutende Wollust. Manch einer, unter anderem auch die Mutter des Königs, führten Barbaras Einfluss auf den König auf Hexenkräfte zurück, aber ihre Lüsternheit und die fünf Kinder, die sie ihm schenkte, sind wohl doch die wahrscheinlichere Erklärung. Barbara hatte sowohl etwas Gefährliches als auch etwas Pathetisches an sich, und das war eine Mischung, der Charles nicht zu widerstehen vermochte. Sie war eine Bürgerkriegswaise (ihr Vater, Viscount Grandison, war im Dienst des Königs gefallen), und genau wie Nell Gwyn war auch sie schon viel zu früh in die Welt der Erwachsenen eingeführt worden. Barbara war eine Nymphomanin, schlief mit Männern und Frauen, und wenn es um die Befriedigung ihrer sexuellen Lust ging, vergaß diese herrschsüchtige Frau jeden Klassendünkel. Zu ihren Liebhabern zählten ein Schauspieler, ein Seiltänzer, ein Wegelagerer und ein gewalttätiger Bigamist. Zahlreiche andere blieben unerwähnt. Ihren unerhörtesten Skandal aber rief sie hervor, als sie einem toten Bischof den Penis abbiss. 2
Pepys, der sie aus der Ferne anbetete, wunderte sich, dass ihre Schönheit ihn dazu verleitete, ihr Verhalten wohlwollend zu beurteilen, »obwohl ich doch sehr wohl weiß, dass sie eine Hure ist«. Er jedenfalls war sich ihrer Anziehungskraft gewiss: »Mylady Castlemaine herrscht, sie beherrscht alle nur erdenklichen Tricks, von denen Aretin berichtet, um lustvolles Vergnügen zu bereiten; der König ist dazu ebenfalls in der Lage, hat er doch einen langen [Penis]. Das Traurige an dem Ganzen ist nur, wie das italienische Sprichwort sagt, cazzo dritto non vuolt consiglio [ein Mann, der gerade eine Erektion hat, ist taub für jeden Rat].« Der König wird in Pepys’ Tagebuch heftig kritisiert, weil er Barbara so abgöttisch liebt und dabei sowohl die Königin als auch die Regierungsgeschäfte vernachlässigt. Pepys missbilligte, dass Charles fast jeden Tag in der Woche bei Barbara zu Abend speiste und man ihn dann in den frühen Morgenstunden nach Whitehall zurückeilen sah, so dass schließlich sogar die Schlosswachen anfingen zu tuscheln.
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